Physisch befinden sich Anhelina Kalinina und Lesia Zurenko derzeit in Wimbledon – und das nach Erstrundensiegen erfolgreich. Doch im Kopf sind die beiden Ukrainerinnen in ihrer Heimat, wo Freunde und Verwandte wegen des russischen Angriffs-Krieges seit Monaten ums Überleben kämpfen.
«Gott sei Dank leben alle, sind in Sicherheit», erklärte die 25-jährige Kalinina am Montag nach ihrem Dreisatz-Erfolg gegen Anna Bondar. «Aber sie leben wie viele andere Ukrainer aus dem Koffer. Man weiss nie, was morgen passieren wird. Manchmal sieht alles ruhig aus. Aber am Wochenende gab es Raketen auf das Zentrum von Kiew.»
Für mich ist es wichtig, ob ich gewinne oder verliere. Je mehr ich gewinne, desto mehr kann ich anderen Familien helfen. Komme ich weit, verdiene ich mehr Geld – für mich ist das wichtig.
Kalininas Eltern mussten ihre Heimat Irpin knapp 30 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt im März verlassen, nachdem sie von russischen Angriffen zerstört worden war. «Im Haus hat es grosse Löcher, deshalb leben meine Eltern derzeit in meiner Wohnung, in der ich sonst mit meinem Mann lebe.»
Beim Wiederaufbau helfen
Das Preisgeld, das Kalinina in London gewinnt, will sie dafür aufwenden, in der Heimat zu helfen und das Haus ihrer Eltern wieder bewohnbar zu machen. «Es ist hart, sich zu fokussieren. Aber für mich ist es wichtig, ob ich gewinne oder verliere. Je mehr ich gewinne, desto mehr kann ich anderen Familien helfen. Komme ich weit, verdiene ich mehr Geld – für mich ist das wichtig.»
Dieses Gefühl, diese Anspannung wird erst gelöst, wenn der Krieg zu Ende geht.
In der 2. Runde im «All England Club» kommt es nun zu einem besonderen Duell mit ihrer Landsfrau Tsurenko. Die Lage in ihrer Heimat belastet auch die 25-Jährige: «Ich denke, dieses Gefühl, diese Anspannung wird erst gelöst, wenn der Krieg zu Ende geht.»
Noch nicht geklärt ist, ob die beiden Ukrainerinnen das sportliche Duell und das Rampenlicht nutzen werden, um auf die Lage in ihrer Heimat hinzuweisen. «Wir werden es diskutieren», erklärte Kalinina im Vorfeld. Klar ist dagegen schon jetzt, dass eine der beiden in die 3. Runde einzieht, und so mehr Geld für den Wiederaufbau sammeln kann.