Für Jil Teichmann wird der Sonntag so etwas wie ein doppelter Premierentag. Die Seeländerin wird erstmals in ihrer Karriere einen Major-Achtelfinal bestreiten. Neuland betritt sie aber nicht nur in dieser Hinsicht, sondern auch was ihre dortige Gegnerin betrifft. Diese heisst Sloane Stephens und ist derzeit die Nummer 64 der Welt.
Die Nummer 64 der Welt? Die müsste doch zu packen sein, ist man wohl schnell zu sagen geneigt. Auf dem Papier ist Teichmann Favoritin. Es lohnt sich aber, ihre Gegnerin etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.
Negativspirale vor Paris
Anders als die Schweizerin, die ihre bisher beste Saison spielt, ist Stephens nach einer schwierigen Phase erst in Paris wieder in Fahrt gekommen. Im Februar hatte die US-Amerikanerin das 250er-Turnier in Guadalajara gewonnen. Seither scheiterte sie an 6 von 7 Turnieren jeweils in der ersten Runde.
Nach Paris reiste Stephens ohne einen einzigen Sieg auf Sand. Weder in Charleston, Madrid, Rom oder Strassburg wollte es mit einem Erfolg klappen. Am Bois de Boulogne hat die in Florida aufgewachsene Rechtshänderin und frühere Weltnummer 3 nun wieder zu alter Stärke gefunden – nicht ganz zufällig.
Ihren einzigen Major-Titel hat Stephens zwar 2017 an den US Open gewonnen. Gemessen an der Anzahl gewonnener Matches sind aber die French Open das erfolgreichste Turnier der 29-Jährigen, die 2018 den Final erreicht hatte. 31 Matches hat sie in Roland Garros mittlerweile gewonnen. Und damit mehr als an den Australian Open und Wimbledon zusammen.
«Ich habe es immer geliebt, auf diesem Platz zu spielen. Bei den Juniorinnen habe ich hier ziemlich gut abgeschnitten, und ich fühle mich einfach wohl hier. Ich habe hier immer gute Ergebnisse erzielt und das ist wahrscheinlich der Grund, warum es eines meiner Lieblingsturniere ist», wird Stephens auf der Turnierwebseite zitiert.
«Ja, ich habe das bessere Ranking, aber ...»
Während Stephens ihre Form erst in Paris wieder gefunden hat, spielte Teichmann bereits zuvor auf Sand gross auf. In Rom wurde sie im Viertelfinal zwar zwischenzeitlich von einer Verletzung gestoppt. Spätestens nach dem Drittrunden-Thriller gegen Victoria Azarenka am Donnerstag ist aber klar, dass der Oberschenkel die Schweizerin nicht behindert – zumindest nicht sichtbar.
Ihre variable und von den Zuschauern entsprechend geschätzte Spielweise wird auch gegen Stephens nötig sein. Kaum eine Spielerin schlägt die Vorhand scheinbar mühelos mit so viel Kraft und Präzision wie die Amerikanerin, die zudem auch über gute Defensivqualitäten verfügt. «Ich mag sie sehr, sie ist eine Coole. Wir haben schon zusammen Doppel gespielt», sagte Teichmann über ihre Gegnerin.
In Sachen Favoritenrolle sagte die Schweizerin nur so viel: «Ja, ich habe das bessere Ranking. Aber sie hat ein Grand Slam gewonnen und stand in einem Final. Wer nun Favoritin ist, weiss ich nicht. Wir haben beide gerade einen guten Moment.»