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Federer über Rücktritt «Wollte nicht mehr etwas kaum Realistischem hinterherrennen»

Roger Federer spricht im Rahmen des Laver Cup erstmals über seinen Rücktritt. Kommt es zum Abschied zum Traumdoppel?

In London wird Roger Federer – höchst wahrscheinlich am Freitagabend – noch ein letztes Mal im hellen Scheinwerferlicht seine Klasse präsentieren, danach endet eine der grössten Sportkarrieren überhaupt. Im Rahmen des Laver Cup bestreitet der Baselbieter seine finale Partie auf höchstem Niveau. Das mehrfach operierte Knie lässt ein Einzel nicht zu, also wird Federer ein Doppel bestreiten. Wer sein Partner im kontinentalen Kräftemessen sein soll? «Vielleicht kann ich Doppel mit Rafa spielen, das wäre ein absoluter Traum», so Federer.

In der Zwischenzeit hatte der 41-Jährige Gelegenheit, sich mit dem Gedanken, in Bälde Tennis-Rentner zu sein, abzufinden. Auch wenn er noch nicht dazugekommen sei, alle Würdigungen zu lesen, zieht er ein positives Fazit: «Es ist schön, dass die Berichterstattung so positiv war, ich wusste nicht, was mich erwartet. Bis jetzt war das Echo wunderbar.» Nun freue er sich auf die Zukunft, zu welcher er sich jedoch noch nicht näher äusserte.

Roger Federer im Gespräch mit Urs Gredig

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Roger Federer wird am Donnerstag Gast bei «Gredig direkt» sein. Die Sendung sehen Sie um 22:25 Uhr auf SRF 1.

Der Entscheid des Rücktritts sei schon länger gefallen. Während des Wimbledon-Turniers, welches er als Gast besuchte, habe er noch an eine Rückkehr an die Church Road geglaubt. Doch kurze Zeit später habe ihn ein Scan des geschundenen rechten Knies denken lassen: «Das kann es nicht sein, dass ich probiere etwas hinterherzurennen, das kaum mehr realistisch ist.»

Die Veröffentlichung seiner Abschiedsbotschaft sei «ein gutes Gefühl gewesen», er sei in diesem Moment «erleichtert und happy» gewesen. Schwieriger habe sich gestaltet, kurze Zeit vorher seinen Freunden Bescheid zu geben: «Ich wollte es kurz vorher noch meinem engsten Kreis sagen – also so 48 Stunden vor dem Knopfdruck. Ich wollte diesen Kreis klein halten, um meine Freunde nicht zu belasten. Sie wurden ja auch immer nach mir gefragt. Und dass sie lügen müssen, wollte ich nicht.»

Wäre ich in jungen Jahren etwas professioneller gewesen, hätte ich möglicherweise mehr gewonnen, wäre aber vielleicht früher ausgebrannt.

Das nahende Ende einer Erfolgsgeschichte ist stets auch der Anfang eines Rückblicks. Was hat Federer in der fast ein Vierteljahrhundert dauernden Traumkarriere besonders stolz gemacht? «Dass ich so lange auf so einem Level spielen und so viele Fans haben durfte. Während Corona habe ich ja gesehen, wie es ist, in Paris vor leeren Rängen zu spielen. In vollen Stadien das Publikum hinter mir zu haben, das wird mir fehlen.»

Und wo sieht Federer die Basis seiner Ausnahmelaufbahn? «Man hofft, eines Tages top zu sein, und macht auch alles dafür. Man muss sehr viel geben, auf Vieles verzichten.» Das habe indes durchaus sein Positives: «Ich durfte um die Welt reisen, interessante Menschen und Kulturen kennenlernen.» Eine weitere Säule: Selbstkritik. «Für mich war immer wichtig, dass ich realistisch bin. Ich habe mir gesagt: ‹Ich bin zwar gut, aber muss mich da noch verbessern. Ich bin zwar die Weltnummer 1, aber das passt mir noch nicht.›» Dabei sei Respekt für seinen Staff unabdingbar gewesen.

Gibt es auch etwas, das der «Maestro» in der Retrospektive bedauert? «Nicht viel», betont Federer. «Klar, gibt es auch kleinere Dinge, aber mir fallen keine Beispiele ein. Ich sehe es als absolute Traumkarriere, hatte eine lässige Kindheit.» Das wiederum führt ihn zu einem kurzen Gedankenexperiment: «Wäre ich in jungen Jahren etwas professioneller gewesen, hätte ich vielleicht mehr Erfolg gehabt. Dann wäre ich aber vielleicht früher ausgebrannt, weil es mir zu ernst gewesen wäre.» Der Spass also als weiteres wichtiges Puzzleteil.

London, es ist ein gutes Pflaster für Federers Abschied. Hier bejubelte der Rekordsieger 2 seiner 6 Triumphe an den ATP Finals. «Down the road», wie er sagt, feierte er 8 Wimbledon-Triumphe, hier wurde 1998 mit dem Junioren-Titel seine Karriere so richtig lanciert.

Und im All England Tennis Club lernte «King Roger» auch einst jene Person kennen, die bei ihm den tiefsten Eindruck hinterlassen hat: Königin Elizabeth II. An der Seite der Queen durfte Federer, als sie ihre rund 30-jährige Wimbledon-Absenz beendet hatte, ein Mittagessen geniessen. «Als ich ihre Beerdigung gesehen habe, ist mir noch einmal durch den Kopf gegangen, wie viel Glück ich hatte, das erleben zu dürfen», schildert der damals Höchste des Tennis-Adels.

Nach all diesen Errungenschaften – auf und neben dem Platz – dürfte Federer am Freitag jedenfalls ein königlicher Abschied gewiss sein.

SRF 3, Nachmittagsbulletin, 15.9.22 ; 

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