Es sind schockierende Zahlen, wie eine aktuelle Recherche des ZDF aufgedeckt hat: Mehr als 100 Tennis-Partien sollen Spielerinnen und Spieler letztes Jahr manipuliert haben. Davon betroffen sollen Turniere in Deutschland, in der Türkei, in Russland oder in den USA gewesen sein.
SRF konnte mit Eric Herren, CEO der Firma Sport XRay, die Wettbetrug im Profisport bekämpfen will, über die Gründe dieser Manipulationen sprechen.
SRF: Sind Sie über die Dimension des Wettbetrugs im Tennissport überrascht?
Eric Herren: Nein, leider überhaupt nicht. Wir führen dazu eine Datenbank. Die Dimensionen des Wettbetrugs im Tennis sind uns bekannt. Tennis ist neben dem Fussball die beliebteste Sportart für Spiel- und Sportmanipulation.
Es ist einfacher, einen No-Name-Spieler zu bestrafen als eine Persönlichkeit aus den Top 100 der Weltrangliste.
Was macht Tennis so anfällig für Wettbetrug?
Dadurch, dass die Akteure Einzelsportler sind, sind diese noch exponierter als Mannschaftssportler und für Wettbetrüger einfacher anzugehen. Konkret heisst das, dass die Profis mit einer Serie von Doppelfehlern die Wettquote ganz gezielt und viel einfacher beeinflussen können. Dies im Gegensatz zum Fussball, wo ein Foul, das zu einer roten Karte führen soll, oder eine Beeinflussung des Schlussresultats viel schwieriger zu bewerkstelligen sind.
Unter anderem sollen ein Turnier in Deutschland, aber auch Spiele in den USA, Russland und der Türkei manipuliert worden sein. Gibt es ein Muster, bei welchen Spielen betrogen wird und bei welchen nicht?
Ja. Das Muster heisst Aufwand und Ertrag. Je einfacher es ist, eine Sportlerin oder einen Sportler anzugehen und mittels Druck oder finanziellem Anreiz zu einer Manipulation zu bewegen, desto grösser ist die Chance, dass das Spiel manipuliert wird. Der Schlüssel liegt also in der Persönlichkeit des potenziellen Opfers. Leider wird in der Prävention immer noch viel zu wenig gemacht – obwohl Interpol bestätigt hat, dass es ein Geschäft im Billionen-Bereich ist.
Welche Spielerinnen und Spieler sind in dieses Billionen-Geschäft involviert?
Wenn die Glaubwürdigkeit einer Sportart infrage gestellt wird, betrifft das alle Spielerinnen und Spieler, von der Weltnummer 1 bis zu den unbekannten Spielern. Ich möchte hier nicht mit dem Finger auf einzelne Personen zeigen. Es ist einfacher, einen No-Name-Spieler zu bestrafen als eine Persönlichkeit aus den Top 100 der Weltrangliste.
Hin und wieder gibt es Sanktionen gegen unbekannte Profis von der Tennis Integrity Unit, einer Organisation, die Betrug im Profi-Tennis untersucht und ahndet. Jetzt sollen auch Spielerinnen und Spieler involviert sein, die weit oben in der Weltrangliste stehen. Wieso wurden sie bis jetzt nicht sanktioniert?
Der Sport lebt von Idolen und Aushängeschildern. Stellen Sie sich vor, was mit der Sportart geschieht, wenn vermehrt renommierte Persönlichkeiten oder grosse Turniere in Verdacht von Manipulation geraten. Da hat uns der Radsport ganz eindrücklich aufgezeigt, dass die Glaubwürdigkeit einer Sportart und ihrer Akteure eine treibende Kraft ist; nicht nur für die Wirtschaft und ihre Sponsoren, sondern auch für die Fans. Bestrafte Idole würden ganz klar einen Einfluss auf die Popularität und damit auch auf den Geldfluss haben.
Der internationale Tennisverband und die Tennis Integrity Unit haben laut eigenen Angaben im letzten Jahr Strafen gegen etwa 20 Profis ausgesprochen. Unternehmen die Verbände genug gegen den Betrug?
Nein, aus unserer Erfahrung nicht. Verbände sind zu oft eine geschlossene Gesellschaft. Es braucht sehr viel Überwindung, bis ein Verband Hilfe von externen Organisationen bezieht. Das weiss die organisierte Kriminalität leider nur zu gut und nützt diese Schwachstelle brutal aus.
Seit Jahren liest und hört man immer wieder von Betrugsfällen im Tennis und Fussball. Kann man langfristig solchen Wettbetrug überhaupt verhindern?
Unserer Ansicht nach muss es über die Aufklärung und die Prävention gehen. Man muss versuchen, diesen Sumpf auszutrocknen und der organisierten Kriminalität das Leben so schwer wie möglich zu machen. Das heisst, dass die Sportlerinnen und Sportler so viel wie möglich wissen müssen.
Das Gespräch führte Fabian Kohler.