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Streaming-Tipp Dein Gesicht gehört uns – Gefahr automatische Gesichtserkennung

Ein Polizist blickt auf Dutzende Bildschirme. «Ich nenne es das Nervenzentrum unserer Behörde», sagt er. Über 500 Kameras liefern hier ihre Bilder. Gestochen scharf, mit Zoomfunktion, rund um die Uhr. Was früher nur mit Zeugen möglich war, erledigen heute Algorithmen: Verdächtige identifizieren, Bewegungen verfolgen, Muster erkennen.

14 Fotos von jedem Menschen

Ein Dokumentarfilm, der bis zum 29. September 2025 auf Play SRF verfügbar ist, wirft einen kritischen Blick auf den rasanten Vormarsch der Gesichtserkennungstechnologie. Im Zentrum steht die umstrittene Plattform Clearview AI. Ihr Ziel: eine Datenbank mit 100 Milliarden Bildern erstellen, etwa 14 Fotos von jedem Menschen auf der Erde. Die Quelle? Öffentlich zugängliche Bilder aus sozialen Netzwerken wie Instagram oder LinkedIn.

Clearview AI arbeitet eng mit Polizeibehörden in den USA zusammen und seit dem Krieg in der Ukraine auch mit dem Militär. Einer der prominentesten Unterstützer ist Richard Clarke, ehemaliger Antiterror-Beauftragter mehrerer US-Präsidenten. Er sitzt heute im Beirat des Unternehmens und betont, dass Clearview AI nur öffentlich zugängliche Daten analysiere. In den meisten US-Bundesstaaten ist diese Praxis legal, in der EU hingegen nicht.

Doch die Kritik lässt nicht lange auf sich warten. Ein Artikel der New York Times im Januar 2020 löste einen Sturm der Entrüstung aus. Die Vorstellung, dass eine KI mit privaten Bildern gefüttert wird, sorgte weltweit für Empörung. Kurz darauf enthüllte die HuffPost Verbindungen des Unternehmens zur rechtsextremen Szene in den USA. Und als wäre das nicht genug, kursiert ein Tweet des (mittlerweile ehemaligen) Clearview-CEOs Hoan Ton-That, in dem er schreibt: «Demokratie wird nicht funktionieren, nur Diktatur.»

Wenn die Gefahr real wird

Aktivisten und NGOs wollen Gesichtserkennung verbieten, solange es keine Regelungen gibt, die verhindern, dass die Technologie missbraucht wird. «Es ist das perfekte Werkzeug für autoritäre Systeme. Wenn du in einer Demokratie zulässt, dass die Regierung ständig weiss, wer sich gerade wo befindet, gehen Rede-, Versammlungs- und Religionsfreiheit den Bach runter», sagt ein Aktivist.

Bereits heute kommt die Technologie im Umfeld von Bürgerprotesten zum Einsatz, etwa nach der Ermordung des Afroamerikaners George Floyd im Mai 2020. Der Aktivist Derrick Ingram beteiligte sich an den «Black Lives Matter»-Protesten. Ob dabei die umstrittene Software von Clearview AI verwendet wurde, ist unklar, doch die Polizei bestätigte den Einsatz von Gesichtserkennung. Kurz nach einer Demonstration am Times Square standen rund 30 schwerbewaffnete Polizisten ohne Haftbefehl vor Ingrams Wohnung. Die Vorwürfe wurden später fallengelassen.

Gesichtserkennungstechnologien wie jene von Clearview AI spalten die Gemüter. Die anfangs erwähnten Polizisten konnten einen flüchtigen Mörder innert kürzester Zeit identifizieren. Zeitgleich gibt es Menschen wie Derrick Ingram, die sich in ihrer Privatsphäre verletzt fühlen. Was ist wichtiger: Verbrecher schnell zu schnappen oder das Recht auf Privatsphäre?

Streaminghinweis

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«Dein Gesicht gehört uns – Die Gefahr automatischer Gesichtserkennung» ist bis zum 29. September 2025 auf Play SRF verfügbar.

SRF 1, 30.6.2025, 11:15 Uhr ; 

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