Für die einen bedroht er den guten Geschmack, für andere ist es der einzig erschwingliche Stuhl überhaupt. Wenn jemand einen Plastikstuhl entdeckt, dann bricht niemand in Jubelstürmen aus. Schon gar nicht denkt jemand darüber nach, einen Dokumentarfilm darüber zu drehen. Ausser Dokumentarfilmer und Grimmepreisträger Hauke Wendler.
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Wer dem Monobloc, also dem meistverkauften Möbelstück aller Zeiten folgt, der landet auf einer Reise rund um den halben Globus. Der Monobloc wurde schnell populär, da er günstig zu kaufen war. Mittlerweile wird ein Monobloc in 50 Sekunden hergestellt, dabei wird Plastik in eine Form gegossen. Aus einem Guss – also in einem Stück. Daher der Name.
Französisches Design
Die ersten Monoblocs produzierte eine französische Firma namens «Stamp». Ihr Erfinder ist Henry Massonnet, der für den Stuhl sogar ausgezeichnet wurde. Allerdings geriet Massonnet nach seinem Tod in Vergessenheit – unglücklicherweise wurde nie ein Patent auf den Stuhl angemeldet. In seinen Anfängen wurde der Stuhl ganz anders inszeniert, hatte eine andere Wertigkeit und war ein Designstück, nicht einfach ein billiger Plastikstuhl. Doch dann kam die Effizienz ums Eck. Der Stuhl wurde leichter und erhielt mehr Löcher in der Rückenlehne, damit man an Materialkosten sparen konnte.
Das «scheussliche» Alltagsprodukt
Der Glamour von damals ist verpufft. Der Plastikstuhl ist kein Designerobjekt, sondern eine billige, meist unbequeme Sitzgelegenheit. Effizient halt.
Eine Abwesenheit von Kulturgut.
Wendler misst also den Puls. Wie stehen die Deutschen zum Monobloc? «Sie werden mit der Zeit unansehnlich», meint eine ältere Dame im Dokumentarfilm. Und auch alle anderen gehen hart ins Gericht mit dem Stuhl. «Sobald man sich etwas Besseres kaufen kann, kauft man sich etwas anderes», sagt eine weitere Frau. Ein Herr meint vernichtend, der Monobloc sei «eine Abwesenheit von Kulturgut».
Zudem gibt auch das Material, also der Plastik, zu denken. «Warum gibt es die überhaupt noch?», fragt sich eine Frau. Ein Herr meint sogar, dass der Plastikstuhl weder in unsere Kultur, noch in unsere Zivilisation gehöre. Warum also wird der Plastikstuhl noch immer fleissig weiterproduziert?
«Plastikstuhl ist genau das, was wir brauchen»
Wie der weit verachtete Stuhl trotzdem die Welt erobern konnte, wird schnell klar, wenn man über den europäischen Plattenrand hinaus schaut.
In Uganda lernt Wendler eine Organisation kennen, die gratis Rollstühle mit Plastikstuhl-Einsatz verteilt. Da der Plastikstuhl eine günstige Sitzgelegenheit ist, gibt es in Uganda sehr viele davon. Also hatte ein Amerikaner die Idee, anstatt eines normalen Rollstuhlsitzes einen günstigen Plastikstuhl als Sitz zu verbauen.
Annet Nnabulimes Rücken begann plötzlich zu schmerzen, kurz später waren ihre Beine gelähmt. «Ich habe keine Hoffnung, dass ich nochmal laufen kann», sagt sie. Da sie und ihre Kinder arm sind, hatte sie eigentlich keine Hoffnungen auf einen Rollstuhl. Als Annet ihren Rollstuhl erhält, ist sie überglücklich. Sie muss sich nicht mehr über den Boden schieben, was besonders bei Regen sehr mühsam war.
Je länger Wendler an seinem Dokumentarfilm arbeitet, umso weniger versteht er seine eigenen Vorbehalte – und auch die der anderen. Abschliessend hält er fest: Der Monobloc ist noch immer nicht sein Lieblingsstuhl. Doch was am Ende zählt, ist nicht der Stuhl, sondern dass man überhaupt sitzt.
Vollständiger Dokumentarfilm