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Streaming-Tipp Richter unter Druck – Wie unabhängig ist die Schweizer Justiz?

Seit einigen Jahren herrscht in den Schweizer Gerichtskorridoren der Verdacht einer politisierten Justiz. In einem Dokumentarfilm brechen nun Richter und Richterinnen ihr Schweigen und erklären sich.

Wer ein Richteramt an einem der vier eidgenössischen Gerichte anstrebt, muss sich mit zwei Bedingungen anfreunden:

  • Zugehörigkeit zu einer politischen Partei, um Karriere machen zu können.
  • Tausende von Franken an diese Partei zahlen, um deren Unterstützung zu erhalten.
Die Parteisteuer hat auch die Funktion eines Schutzgeldes. Im Mafia-Jargon ist das der Pizzo.
Autor: Martin Burger ehemaliger Präsident des Zürcher Obergerichts

Parteizugehörigkeit

Um ins Bundesgericht gewählt zu werden, muss man von einer politischen Partei, die im Parlament vertreten ist, vorgeschlagen werden. Die Stellen am Gericht werden nämlich entsprechend dem politischen Gewicht der Parteien verteilt.

Die Wahl der 135 Bundesrichterinnen und -richter durch das Bundesparlament ist eigentlich eine Formalität. Doch 2020 verweigerte die SVP «ihrem» Richter Yves Donzallaz die Wiederwahl, weil er 2019 ein Urteil gefällt hatte, das der SVP-Spitze missfiel.

Zwar negierten die anderen Parteien den Tabubruch der SVP und gaben Donzallaz ihre Stimmen. Ihren «Denkzettel» hatte die SVP aber platziert.

Fragwürdiger Ehrenkodex

Und kurz nach der «Affäre Donzallaz» kam ans Tageslicht, dass die Zürcher SVP all ihren Gewählten aufzwingen wollte, einen verbindlichen Ehrenkodex zu unterschreiben – einschliesslich ihrer Richter.

In dieser Ehrencharta definierte Pflichten:

  • sich stets über die Parteimeinung orientieren
  • aktiv am Wahlkampf teilnehmen
  • Artikel zu politischen Themen schreiben
  • bei Parteiversammlungen mitmachen

Der damalige Zürcher Oberrichter Martin Burger – notabene SVP-Mitglied – urteilt deutlich: «Die SVP geht davon aus, dass es in einem demokratischen Rechtsstaat in Ordnung ist, wenn die Politik bestimmt, wie die Rechtsprechung aussehen soll.»

Parteisteuer

Die SVP als Bedrohung für unabhängige Gerichtbarkeit, während die Linke und die Grünen sie verteidigen? So einfach ist es nicht, denn auch Letztere sind mit ihren Richterinnen und Richtern fest verbunden – durch Geld.

Bundes- und Kantonsrichter sind in der Regel verpflichtet, Mandatsabgaben an ihre Partei zu zahlen – feste Pauschalen oder Prozentsätze des Gehalts. Und hier sind es die Grünen, die von ihren Leuten am Bundesgericht die höchsten Beträge verlangen: bis zu 22'000 Franken pro Jahr.

Grafik, welche Partei 2025 wieviel Geld erhalten hat von ihren Bundesrichtern.
Legende: 2024 durch Parteisteuern von Bundesrichter:innen erhaltene CHF. Hier nicht eingerechnet ist der Beitrag der Kantonsrichter:innen an ihre lokale Sektion SRF

Tatsächlich kritisiert eine Expertengruppe des Europarats in ihrem neusten Bericht die Schweiz scharf: Dieses System der Abgaben berge ein Korruptionsrisiko für unsere Richterinnen und Richter.

Im Dokumentarfilm «Richter unter Druck - Wie unabhängig ist die Schweizer Justiz?» kommen namhafte Exponenten der hiesigen Politik und Justiz zu Wort.

Der von der SVP angezählte Bundesrichter Donzallaz fasst die Crux zusammen: «Es geht darum, die Unabhängigkeit der Justiz zu bewahren. Es ist ein allgemeines Problem, das nie gelöst ist. Man muss da immer wachsam bleiben.»

SRF info, 5.12.25, 14:15 Uhr ; 

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