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Corona-Impfung mRNA – der Überraschungssieger im Impfstoffrennen

Vom interessanten Nischenansatz in der Krebstherapie zum grössten Hoffnungsträger gegen die Corona-Pandemie.

mRNA – die Buchstabenfolge ist seit der Zulassung des aktuell eingesetzten Impfstoffs in aller Munde. Was genau sich hinter mRNA respektive «messenger ribonucleic acid» verbirgt, wissen allerdings nur die wenigsten.

Zu den profunden Kennern zählt Steve Pascolo. Der Immunologe arbeitet am Universitätsspital Zürich und beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit mRNA-Impfstoffen. So war er etwa Mitgründer von Curevac, einer deutschen Firma, die schon früh mit solchen Impfstoffen forschte und sie auch in klinischen Studien bei Menschen erprobte.

«In den letzten Jahren wurde Hunderten von Probanden mRNA gespritzt. Beispielsweise Patienten mit Melanomen oder Nierenkrebs», weiss Pascolo. An solchen Studien war er an der Universität Tübingen und bei Curevac beteiligt. «Aber auch Firmen wie Moderna und Biontech machten solche Studien der Phase 1 und 2 mit jeweils ein paar Dutzend oder sogar einigen Hundert Patienten.»

Mit den neuartigen Covid-Impfstoffen wird die mRNA-Technologie nun erstmals in der breiten Bevölkerung eingesetzt.

Um zu verstehen, was die Messenger RNA eigentlich ist, muss man tief in den menschlichen Körper eintauchen. Denn die mRNA spielt bei der natürlichen Produktion von körpereigenen Proteinen eine zentrale Rolle.

Die Informationen für den Bau eines Proteins sind im Erbgut – in der DNA im Zellkern – gespeichert. Diese Informationen werden dort auf die mRNA übertragen. Ist die mRNA mit dem Bauplan für das körpereigene Protein gebildet, verlässt sie den Zellkern. Im Zytoplasma lesen dann sogenannte Ribosomen diesen Bauplan ab und bilden das entsprechende Protein.

Solche mRNA, und damit der Bauplan für jedes gewünschte Protein, lässt sich auch im Labor künstlich herstellen.

In den Corona-Impfstoffen nimmt die mRNA ein ganz bestimmtes Protein des Coronavirus ins Visier: Das Spike-Protein, das dem Virus als Schlüssel für das Eindringen in unsere Körperzellen dient.

Seit vor einem Jahr der Gencode des neuen SARS-CoV-2 Virus geknackt wurde, ist auch der Gencode für sein Spikeprotein bekannt. Dank dieser Information kann man im Labor die entsprechene mRNA unter pharmazeutischen Bedigungen innert weniger Wochen künstlich herstellen.

Durch die Impfung gelangt diese mRNA in unsere Körperzellen, wo dem Bauplan entsprechend Spikeproteine gebildet werden – ausserhalb des Zellkerns. In unser Erbgut gelangt die mRNA nicht.

Das Immunsystem erkennt das körperfremde Protein und reagiert darauf mit der Bildung von Antikörpern, die auch auf das Spikeprotein des echten Virus ansprechen und dieses neutralisieren.

Nach diesem Prinzip werden jetzt auch in der Schweiz bereits Menschen ausserhalb der klinischen Studien geimpft. Doch Schweizer Immunologen, die selber ebenfalls Coronaimpfstoffe entwickeln, haben der neuen Technologie gegenüber auch gewisse Vorbehalte. Etwa wegen der eingesetzten Verfahren und Helfersubstanzen oder wegen möglicher Langzeitfolgen.

Steve Pascolo hingegen ist von der Sicherheit der Technologie überzeugt und erwartet auch keine langfristigen Nebenwirkungen: «Die mRNA ist im Reagenzglas im Labor sehr stabil. Im Körper hingegen wird sie von Enzymen sehr schnell abgebaut. Was also injiziert wird, wird vom Körper in wenigen Stunden wieder abgebaut, so dass nach ein bis zwei Tagen keine Spuren davon mehr vorhanden sind.»

Puls, 04.01.2021, 21:05 Uhr

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