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Impfung gegen Corona Von ersten Impfungen darf man nicht zu viel erwarten

Die Hoffnung in erste Impfungen gegen Covid-19 ist gross. Wie wirksam sie sein werden, bleibt fraglich.

Im Rennen um einen Corona-Impfstoff sind gut 190 Forscherteams weltweit seit Monaten involviert. Sie alle wollen die Ersten sein, die Ersten, die der Corona-Krise ein Ende bereiten.

Zurzeit befinden sich erste Impfstoffe auf der Zielgeraden: Vierzig Impfstoffvarianten werden gerade am Menschen getestet. Zehn davon befinden sich in der dritten und letzten klinischen Phase. Sie werden aktuell in grossen Studien an zehntausenden Patienten getestet.

Doch was kann man von den ersten Impfstoffen erwarten? Daniel Speiser, Impfstoff-Experte der wissenschaftlichen Covid-19-Taskforce warnt vor zu grossen Hoffnungen: «Allzu viel darf man nicht davon erwarten, weil sie sicher nicht für alle eingesetzt werden können.» Nicht nur, weil die Impfstoffe nicht in grossen Mengen verfügbar seien. Sondern: «Weil jeder neue Impfstoff, gerade wenn man noch nicht so viel darüber weiss, nur für manche Situationen nützlich ist und für andere nicht.»

Nutzen bei Risikopatienten unklar

Eigentlich will man in erster Linie diejenigen schützen, die schwer an Covid-19 erkranken: Patienten mit vorbestehenden Risikokrankheiten und ältere Leute. Doch genau für diese Personen ist fraglich, ob der Impfstoff überhaupt wirkt, weiss Speiser. «Solche Impfungen – und das hat man bereits gesehen – sind in vielen solchen Patienten schwächer wirksam. Vor allem bei älteren Leuten.»

Ältere Menschen haben ein langsameres Immunsystem und sprechen deshalb schlechter auf Impfstoffe an. Für sie braucht es spezifische, stärkere Impfungen und mehr Studien. Zum Teil seien solche Impfungen bei älteren Leuten noch nicht richtig getestet worden.

Eine weitere Schwierigkeit: die Nebenwirkungen

Gemäss einiger Impfstoff-Firmen zeigt gut die Hälfte der Studienteilnehmer Nebenwirkungen, in Form von milden Covid-19-Symptomen. Daniel Speiser befürchtet, dass ein potenzieller Impfstoff zu schnell auf den Markt gelangt. «Bedenken, dass es zu schnell geht, haben wir alle. Dass man das breit einsetzt, bevor man genügend Daten hat. Und wenn man es breit einsetzt, zu wenig genau analysiert, was passiert.»

Daniel Speiser plädiert dafür, dass alle Verantwortlichen genau hinschauen, wie die neuen Impfstoffe wirken und ob sie Nebenwirkungen auslösen, die nicht tolerabel sind. «Der Prozess muss seriös laufen, so wie es in der Vergangenheit der Fall war.» Ihm ist bewusst: «Dass Fehler passieren, ist möglich.»

Eine Weiterverbreitung weiterhin möglich

Ein weiteres Fragezeichen: Ob die Impfung auch die Weiterverbreitung der Coronaviren unterdrückt. Erzeugt eine Impfung eine gute Immunität, dann bilden sich auch sogenannte IgA-Antikörper, die sich auf den Schleimhäuten bilden. Doch Daniel Speiser weiss: «Diese sind von den jetzigen Impfstoffen nicht induziert. Zurzeit sieht man das, bei den schnellsten Impfstoffkandidaten nicht.»

Die Viren bleiben also in Schleimhäuten von Nase und Rachen bestehen, Geimpfte könnten andere weiterhin anstecken. Selbst, wenn es bei ihnen nicht mehr zu einem schweren Verlauf kommt.

Auch ohne Garantie, ob der Impfstoff tatsächlich nützt, der Bund sorgt bereits vor: Er hat 4.5 Millionen Impfdosen des aussichtsreichsten Kandidaten der US-Firma Moderna vorreserviert. Und es laufen weitere Gespräche mit anderen Unternehmen sagt Virginie Masserey, Leiterin der Sektion Infektionskontrolle beim BAG. «Wir werden mit verschiedenen Firmen Verträge machen. Und dann schauen wir, welche wir verteilen und in welcher Anzahl.»

Puls, 28.09.2020, 21:05 Uhr

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