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Kinder und Corona Die Rolle von Kindern in der Pandemie

Wie infektiös Kinder sind und welche Rolle sie in der Pandemie spielen, ist umstritten. Eine Studie gibt erste Hinweise.

Die Rolle von Kindern in der Pandemie ist bis heute ein Rätsel. Dies, weil Kinder viel seltener Symptome zeigen als Erwachsene. Demzufolge werden sie auch seltener auf Covid-19 getestet.

Deshalb führt ein Team der Universität Zürich rund um die Epidemiologin Susi Kriemler die bisher grösste Schul-Studie der Schweiz namens «Ciao Corona» durch: Rund 2500 Primar- und Oberstufenschüler im Kanton Zürich, deren Eltern und Lehrpersonen nehmen daran teil und lassen sich bis nächsten Frühling freiwillig dreimal testen.

Gemessen werden die Antikörper in Speichel und Blut. Im Gegensatz zum akuten PCR-Virusnachweis zeigt ein Antikörpertest, ob ein Kind das Virus bereits einmal hatte, obwohl vielleicht gar nie Symptome auftraten.

Häufiger als gedacht

Erste Resultate der Studie zeigen, viel mehr Kinder hatten Kontakt mit dem Virus als angenommen: 2,8 Prozent der Kinder haben bereits Antikörper gegen Corona. Das entspricht etwa der Infektionsrate von Erwachsenen. Zusätzlich zeigt sich: Symptome, wie etwa Husten, sind nicht aussagekräftig. Sie traten bei infizierten und nicht-infizierten Kindern in gleichem Masse auf.

Dass es in Schulen keine Häufung von Corona-Infektionen gibt, findet die Studienleiterin ein eher beruhigendes Zwischenergebnis: «Kleine Kinder sind nicht das grosse Problem in der Pandemie. Sie können im Einzelfall Gleichaltrige anstecken oder einen Elternteil. Aber es sind nicht sie, die die Pandemie explodieren lassen. Im Moment sieht es aus, als ob Teenager häufiger betroffen sind. Das Verhalten und eventuell auch die Immunität sind unterschiedlich.»

Diese Zwischenergebnisse rechtfertigen für sie, dass die Schulen im Moment offen bleiben.

Maskenpflicht in der Primarschule?

Ganz anders beurteilt man die Lage vielerorts im Ausland. In ganz Frankreich haben letzte Woche Lehrer gegen die angeblich grossen Risiken in Schulen demonstriert. Österreich hat gestern beschlossen, die Schulen im Rahmen eines neuen Lockdowns zu schliessen.

Im Internet warnen namhafte Virologinnen vor der hohen Dunkelziffer in den Schulen. Die Australierin Zoe Hyde verweist etwa auf zahlreiche Einzelstudien, wonach Schulkinder eine wichtige Rolle als Treiber der Pandemie spielen. Und Isabella Eckerle von den Genfer Unikliniken fordert Corona-Tests und eine Maskenpflicht schon in der Primarschule.

Auch die Epidemiologin Olivia Keiser warnt: «Es gibt mehrere Punkte, die darauf hinweisen, dass Kinder unterschätzt werden. Schulen waren in der ersten Welle oft geschlossen. Seither hat der Anteil der positiven Kinder zugenommen.»

Ohne Symptome, kaum Weiterverbreitung

Im Kinderspital Zürich registriert der Infektiologe Christoph Berger, in der zweiten Welle mehr infizierte Kinder. Doch krank werden nur die wenigsten. «Ein Kind scheidet auch Viren aus, aber weil es praktisch keine Symptome hat, gibt es sie nicht weiter», sagt Christoph Berger. «Man verbreitet die Viren vor allem, wenn man hustet oder niest.»

Christoph Berger plädiert dafür, dass Kitas und Schulen offen bleiben. «Das ist wichtig für die Kinder und die Erwachsenen. Wir müssen eher schauen, dass Eltern nicht die Kinder anstecken. Kinder mit Kindern – das ist unproblematisch.»

Allerdings: «Wenn die zweite Welle anhält, könnten Masken auch für kleine Kinder sinnvoll sein. Jede Maske verhindert die Infektionsweitergabe», sagt Susi Kriemler. «Sicher müsste man zuerst diese Massnahme prüfen, bevor man die Schulen schliesst.» – Bei der vorerst dünnen Datenlage bleibt der Weiterbetrieb der Schulen wohl eine Gratwanderung.

Puls, 16.11.2020, 21:05 Uhr

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