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Fleissig, aber nicht kreativ «Südkorea verdankt seinen Erfolg dem Kopieren»

Die Schweiz will in der Forschung enger mit Südkorea zusammenarbeiten. Das asiatische Land hat einen enormen Aufschwung hinter sich und ist heute in manchen Bereichen Weltspitze. Doch Südkorea hat ein Problem: Es mangelt an originellen Denkern. Ein Gespräch mit dem Neurowissenschaftler Dae-Shik Kim.

SRF: Dae-Shik Kim, Sie haben lange in den USA geforscht. Warum sind Sie nach Südkorea zurückgekehrt?

Dae-Shik Kim: Für mich war immer klar, dass ich irgendwann zurückkommen würde. Aus emotionalen Gründen, aber auch wegen des Berufs. In Boston war ich nur einer von Tausenden Forschern. Mein Beitrag hatte da nicht so viel Gewicht. In Südkorea hingegen bin ich einer von Wenigen und kann hoffentlich mehr bewirken. Ich beobachte, dass die südkoreanische Gesellschaft sich öffnet, dass sie moderner wird. Dazu möchte ich beitragen.

Sie sind ja teilweise in Deutschland aufgewachsen. Wie würden Sie Europa heute mit Südkorea vergleichen?

Ein origineller Kopf

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Dae-Shik Kim fällt aus dem Rahmen: Sein Büro ist perfekt gestylt, seine Kleider sind farbig und sein Lachen ist laut. Der Neurowissenschaftler leitet das Brain Reverse Engineering and Imaging Lab am Korea Advanced Institute of Science and Technology in Daejeon. Davor war er in den USA tätig. Aufgewachsen ist Kim teilweise in Frankfurt.

Wenn ich heute durch Frankfurt spaziere, wo ich aufgewachsen bin, dann sieht dort alles noch ziemlich gleich aus wie in meiner Kindheit. Man sieht mehr Menschen mit Mobiltelefonen herumrennen; aber die Grundstruktur der Stadt und der Gesellschaft ist immer noch dieselbe. Südkorea hingegen ist heute unglaublich anders als vor 60 Jahren. Nach dem Korea-Krieg war das Land eines der ärmsten der Welt. Und heute ist es reich. Dabei hat sich alles verändert: die Wirtschaft, aber auch die Menschen und ihre Träume. Und das innerhalb von nur einer Generation.

Wie war dieser extreme Wandel möglich?

Ich glaube nicht, dass es darauf eine einfache Antwort gibt. Es war ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Die Regierung hat rechtzeitig erkannt, wie wichtig die Informatik werden wird. Wir sind auf dieser industriellen Welle mitgeritten. Heute gehört Südkorea bei Informatik und Kommunikationstechnik zur Weltspitze. Zum Beispiel mit dem Elektronikkonzern Samsung. Der hat einmal als kleiner Tante-Emma-Laden angefangen und verkauft heute moderne Mobiltelefone und Fernseher.

Welche anderen Faktoren waren wichtig für den Aufschwung von Südkorea?

Ein Schlüsselelement war sicher die Bildung. Sie wird überall in Asien gross geschrieben, in Südkorea aber ganz besonders. Der Grund: Die japanischen Besatzer hatten den Südkoreanern verboten, an die Universität zu gehen (von 1905 bis 1945). So gab es nach dem Krieg einen enormen Hunger nach Bildung. Den hat die Regierung ernst genommen. Das erklärt einen Teil von Südkoreas Erfolg.

Und doch wird die Bildung in Südkorea heute auch negativ wahrgenommen.

Ja, das stimmt. Unser Bildungssystem kostet insgesamt viel mehr, als es nützt. Das kommt daher, dass alle Schüler neben der Schule noch Privatstunden nehmen, damit sie möglichst erfolgreich sind. Sie lernen nur, von morgens bis abends. Das fängt schon im Kindergarten an; darum sind die Spielplätze hier nachmittags leer. Und das Problem dabei ist: Die Schüler lernen vor allem Fakten, keine Zusammenhänge. Sie pauken nur. Das können auch Maschinen. Aber originelle Ideen kommen dabei keine heraus.

Aber Südkorea hat doch gerade wegen dieser Art des Lernens Erfolg gehabt. Nur so konnte es ganz schnell das Wissen anderer Länder aufsaugen – zum Beispiel von Japan.

Ja, dafür ist das Pauken natürlich perfekt. Korea verdankt seinen Erfolg tatsächlich vor allem dem schnellen Kopieren. Heute aber sind wir an einem Punkt angekommen, wo wir nicht mehr einfach so von anderen Ländern abschauen können. Es gibt keine Vorlage mehr. Jetzt sind wir selbst ein Vorbild, zum Beispiel mit Samsung. Die Welt schaut auf uns. Das ist eine komplette Umkehr der Rollen.

Was heisst das für die Zukunft von Südkorea?

Wir müssen lernen, originelle Denker hervorzubringen. Bis jetzt hat Südkorea keinen einzigen Nobelpreis in den Naturwissenschaften gewinnen können, auch keine Fields-Medaille und keinen Turing-Preis. Das muss sich ändern. Wir brauchen mehr Vorbilder für die jungen Wissenschaftler hier in Südkorea. Forscher, die sich trauen, aufzufallen. Wenn alle gleich sein wollen, können keine originellen Ideen entstehen. Es braucht auch mehr internationale Zusammenarbeit. Nur so können junge Südkoreaner lernen, dass die Menschen auf der Welt unterschiedlich sind. Dass Probleme unterschiedlich gelöst werden können.

Hat die südkoreanische Regierung das erkannt?

Nun, der Trend geht jedenfalls in die richtige Richtung. Das Land öffnet sich, die Gesellschaft wird moderner, freier und internationaler. Und die Regierung unterstützt die Wissenschaft stark. Die neue südkoreanische Präsidentin Geung-Hye Park ist selbst Elektroingenieurin; ihr liegt die Grundlagenforschung sehr am Herzen. Ausserdem hat die Regierung erkannt, dass die Wirtschaft nicht nur auf die Informatikbranche abgestützt sein sollte. Das finde ich eine gesunde Entwicklung.

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