- Am «March for Science» gehen heute Samstag weltweit Forschende auf die Strasse – auch gegen Trumps wissenschaftsfeindliche Politik .
- Einem US-Biologen sind Märsche nicht genug : Michael Eisen kandidiert in Kalifornien für den Senat.
- Politikneuling Eisen ist überzeugt, dass sich die US-amerikanische Wissenschaft stärker in Gesellschaft und Politik einmischen sollte.
Fünf Tage nach der Vereidigung von Donald Trump zum Präsidenten der USA, eröffnete Michael Eisen einen Account auf Twitter, mit dem Profilnamen SenatorPhD – also Dr. Senator. Sein erster Tweet: «Ok, wir machen das!»
Nächstes Jahr bestimmt Kalifornien einen seiner beiden Senatorensitze neu. Und Michael Eisen, Fruchtfliegenforscher und Professor an der Universität Berkeley, will diesen Sitz.
«Dann muss ich es halt tun»
Nach Trumps Wahl war nicht nur er dieser Meinung, viele Wissenschaftler dachten das Gleiche: Gerade jetzt braucht es mehr Forscher in öffentlichen Ämtern. Aber kaum jemand wollte tatsächlich für ein Amt kandidieren. «Dann muss ich es halt tun», sagte sich Michael Eisen.
Eisen hat keine Erfahrung als Politiker, aber er setzt sich schon lange für forschungspolitische Belange ein und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. Er engagiert sich etwa dafür, dass wissenschaftliche Publikationen kostenlos und für alle zugänglich sind.
Er sieht Patente auf Gene kritisch und hat die Abwahl des mächtigen Direktors des nationalen Gesundheitsinstituts gefordert, weil er mit dessen Amtsführung nicht einverstanden ist.
Nicht nur gegen Trump
Auch für Trump hat er auf Twitter deutliche Worte gefunden. Vor einigen Wochen schimpfte er ihn einen seelenlosen, rassistischen, kleptomanischen Soziopathen.
Mittlerweile aber gibt sich Senatskandidat Eisen staatsmännischer. Es sei sehr einfach als Wissenschaftler mit dem Finger auf den Präsidenten zu zeigen. Noch nie habe die USA eine Regierung gehabt, die so wissenschaftsfeindlich sei und derart die Realität verleugne, sagt Eisen: «Aber es wäre ein Fehler zu glauben, dass nur Trump das Problem ist.»
Räson statt Parteipolitik
Der US-Kongress habe bereits zur Zeit von Präsident Obama Fakten ignoriert, zum Beispiel nichts für den Klimaschutz getan. Dies betreffe nicht nur Republikaner, auch die demokratische Partei sei Teil des Problems. Deshalb tritt Michael Eisen auch nicht für sie an.
Als Kandidat der Demokraten wäre die Wahl für ihn zwar viel einfacher, sagt er: Man profitiere vom Parteiapparat, vom Zugang zu Geldgebern für die Wahlkampfkasse. Doch als unabhängiger Kandidat könne er freier politisieren, die Räson der Wissenschaft besser einbringen.
Realität anerkennen
Spricht man ihn darauf an, dass Politik keine reine Lehre ist, Kompromisse nötig, dann antwortet Eisen: Das sei zwar so, aber es gehe erst einmal darum, dass sich Politiker darauf einigten, die faktische Realität als gegeben zu betrachten:
«Wenn ein riesiger Asteroid auf die Erde zustürzen würde, würden wir auch nicht fragen: Ist dieser Asteroid real?» Statt über Fakten zu debattieren, müsse man über Lösungen nachdenken.
Dass diese Ansicht es gegenwärtig gerade etwas schwer hat, dass viele Amerikaner Trump gewählt haben, weil sie skeptisch sind gegenüber Forschern und Experten, die ihnen mit ihren Fakten kommen, das lässt Michael Eisen nicht gelten: «Ich glaube nicht, dass es eine starke Anti-Wissenschafts-Bewegung gibt.» Die Mehrheit wisse, dass die Forschung ihnen viel Gutes bringe im Alltag.
Forscher sollen sich einmischen
Wo die Wissenschaft jedoch versagt habe, sei beim Dialog mit der Gesellschaft: «Die Wissenschaft hat sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, aus der Politik zurückgezogen, ihre Rolle in der Gesellschaft vernachlässigt.»
Forscher müssten sich mehr in die Politik einmischen, aber nicht als Lobbyisten in eigener Sache. Eisen macht ein Beispiel: Angesichts der massiven Budgetkürzungen , die die Regierung Trump vorsehe, dürften die Wissenschaftler nicht kleinlich für die eigene Haut kämpfen. Sondern müssten dafür einstehen, dass alle wichtigen Forschungsanliegen berücksichtigt würden.
Michael Eisen ist mittlerweile nicht mehr allein mit seiner Kandidatur. Eine wachsende Zahl von US-Forschern interessiert sich für ein politisches Amt. Eine Organisation mit dem Namen 314action.org unterstützt die Politneulinge mit Einstiegskursen.
Wahlkampf an der Uni
Michael Eisen weiss, dass er vieles lernen muss, um als Kandidat überhaupt eine Chance zu haben und um an genügend Spenden zu kommen, die es in den USA für den Wahlkampf braucht. Doch: «Ich will im Grunde gar nicht lernen, ein Politiker zu sein.» Die gelernten Politiker machen in seinen Augen einfach keine gute Arbeit.
Michael Eisen ist ein politischer Aussenseiter – und will es auch sein. Aber den Sitz im Senat, den will er: Nur um die Aufmerksamkeit im Wahlkampf gehe es ihm nicht. Bald will er alle Universitäten in Kalifornien besuchen und mit den Studenten debattieren. Sie sollen ihn nach Washington tragen.
Sendungen:
Radio SRF 4 News, Echo der Zeit, 21.04.2017, 18 Uhr
Radio SRF 2 Kultur, Wissenschaftsmagazin, 22.04.2017, 12:40 Uhr