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Lukrativer Wissenschaftsbetrug Wie «Paper Mills» mit gefälschten Studien Geld machen

«Paper Mills» fälschen Studien für Leute, die Publikationen unter ihrem Namen brauchen. Die Menge an solchen wertlosen Studien wächst rasant. So sei die Wissenschaft gefährdet, mahnen nun Forscherinnen und Forscher.

«Paper Mills» nennt man die Firmen, die mit wertlosen Studien Geld machen. Sie profitieren von Forscherinnen und Forscher, die unter Druck stehen, Arbeiten zu publizieren. «Paper Mills» sind kein neues Phänomen, doch was sich in den letzten paar Jahren abspiele, gefährde die Wissenschaft, mahnen amerikanische und australische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einer neuen Untersuchung.

Wenn man sich den Inhalt genauer anschaute, machten einige Dinge überhaupt keinen Sinn.
Autor: Jennifer Byrne Australische Krebsforscherin

Die Schlussfolgerungen der Studie lauten: Die Menge an solchen unsinnigen Publikationen verdopple sich alle eineinhalb Jahre. «Paper Mills» kaperten zum Teil kaum bekannte Fachzeitschriften und gründeten betrügerische Netzwerke. Das gefährde den wissenschaftlichen Betrieb, weil die wertlosen Studien im Internet auffindbar blieben und weil sie die Zeit von vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschwenden würden.

Wie eine Krebsforscherin zur Detektivin wurde

Wer das System «Paper Mills» verstehen will, ist bei der Australierin Jennifer Byrne genau richtig. Vor rund zehn Jahren fand die Krebsforscherin eine neue Studie zu einem Gen, das sie selbst viele Jahre zuvor untersucht hatte.

Sie fand die Arbeit uninteressant, geradezu wertlos, und machte Nachforschungen. Zu ihrer Überraschung fand sie mehrere sehr ähnliche Studien. «Wenn man sich den Inhalt genauer anschaute, machten einige Dinge überhaupt keinen Sinn», erinnert sich Byrne.

Lächelnde Frau mit Brille
Legende: Jennifer Byrne hat sich den Kampf gegen Betrug in der Wissenschaft zur Lebensaufgabe gemacht. Wesley Research Institute

Die Forscherin merkte damals: Das muss systematischer Betrug sein. Sie deckte die gefälschten Studien auf. Seither widmet sich die Professorin an der Universität Sydney hauptsächlich der Aufdeckung von Betrug in der Wissenschaft.

Das System «Paper Mills» – auch KI dürfte Rolle spielen

«Paper Mills existieren, weil es Leute gibt, die Studien in wissenschaftlichen Magazinen publizieren wollen oder müssen, aber dafür nicht die Zeit oder das nötige Wissen haben», erklärt Byrne. In vielen Wissenschaftsbereichen herrscht Druck, möglichst viel zu publizieren.

Darüber, wie «Paper Mills» im Inneren funktionieren, sei wenig bekannt. Aber die gefälschten Studien liessen sich aufdecken. Findet man eine nutzlose Studie, sucht man nach weiteren Studien, die zum Beispiel gleiche Formulierungen verwenden. Denn die Firmen produzieren gerne in Serien – das ist günstiger.

«Paper Mills» und die Schweiz

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Es sei kein Fall einer Schweizer Forscherin oder eines Schweizer Forschers im Zusammenhang mit «Paper Mills» bekannt, sagt Edwin Constable, emeritierter Chemie-Professor der Universität Basel. Er baut gerade ein Schweizerisches Zentrum für Wissenschaftliche Integrität auf und beschäftigt sich deshalb mit Betrug in der Wissenschaft.

Auch Constable sieht «Paper Mills» als ernsthafte Bedrohung für Wissenschaft. Die Lösung muss aus seiner Sicht auf internationaler Ebene erfolgen. Das Problem sei bekannt, viele könnten etwas tun – die Länder, die Hochschulen und die Verlage. Aber im Moment behandelten alle das Problem noch wie eine heisse Kartoffel, findet Constable.

In den letzten Jahren sei die Anzahl solcher Publikation regelrecht explodiert. Jennifer Byrne vermutet dahinter KI. Man sehe, wie nach dem Start von ChatGPT im Jahr 2022 die Zahlen hochgingen.

Wissenschaft in Gefahr

Selbst wenn die gefälschten Studien auffliegen, haben sie schon Schaden angerichtet. «Die Leute, die die Arbeiten gegenlesen müssen, verschwenden enorm viel Zeit», sagt Byrne.

Es braucht eine unabhängige Aufsicht, die schaut, dass die Fachzeitschriften Qualitätsstandards einhalten und nicht einfach auf den Profit schauen.
Autor: Jennifer Byrne Krebsforscherin

Was lässt sich tun gegen diesen wachsenden Berg von unnützen Studien? Jennifer Byrne sieht als Erstes die Verlage in der Pflicht. Diese verlangen Geld für jede Arbeit, die bei ihnen erscheinen soll. Sie verdienen also umso mehr, je mehr Studien in ihren Fachzeitschriften landen – auch wenn sie schlecht gemacht sind.

«Es braucht eine unabhängige Aufsicht, die schaut, dass die Fachzeitschriften Qualitätsstandards einhalten und nicht einfach auf den Profit schielen», fordert Byrne. Ansonsten würde die Wissenschaftsgemeinde bald überflutet von unsinnigen Studien.

Radio SRF 2 Kultur, Wissenschaftsmagazin, 23.8.2025, 12:40 Uhr

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