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Forschungsschiff Polarstern – Start der Forschungsarbeit
Aus Wissenschaftsmagazin vom 09.11.2019. Bild: Esther Horvath
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Forschungsschiff «Polarstern» «Ich dachte, das Schiff wird zusammengedrückt»

Nur 500 Kilometer vom Nordpol entfernt, driftet momentan das Forschungsschiff «Polarstern» durchs arktische Meer – festgefroren in einer Eisscholle. Die Expedition soll herausfinden, was sich wegen der Klima-Erwärmung in der Arktis alles verändert.

Update vom 27. November 2019

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Seit unserem letzten Anruf bei der Polarstern am 6. November ist einiges passiert. Am Wochenende vom 16. November tobte ein Sturm über Schiff und Eisscholle. Grosse Risse entstanden und Eisstücke brachen ab. Dadurch wurden auch Messeinrichtungen umhergeschoben und beschädigt.

Unter anderem fiel ein 30 Meter hoher Atmosphären-Messturm um. Die Forscherinnen und die Techniker mussten viel reparieren.

Die Driftrichtung des Schiffs ändert sich nach wie vor immer wieder. Gegenwärtig bewegt es sich nach Nordosten.

Eigentlich soll die «Polarstern» in den kommenden Monaten vom Wind und den Meeresströmungen zum Nordpol getrieben werden und danach wieder Richtung Süden. Diese Route haben Experten aufwendig berechnet. Aber die Natur macht, was sie will: zeitweise wurde die «Polarstern» über Tage nach Süden getrieben.

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Arktis-Klima-Expedition mit dem Forschungsschiff «Polarstern»
Aus Tagesschau vom 20.09.2019.
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Immer wieder Zwischenfälle

Seit einigen Tagen können die Forscher auf der «Polarstern» ihre Messungen machen. Auf der Eisscholle, die das Schiff umschliesst, haben sie umfangreiches Forschungsgerät installiert: unter anderem zwei Türme mit Messgeräten für die Atmosphäre und einen Zelthangar für einen grossen Messballon namens «Miss Piggy».

Ein orangefarbenes Ballonzelt steht beleuchtet auf einer Eisscholle.
Legende: In diesem Zelthangar befindet sich der Messballon «Miss Piggy». Mit ihm werden atmosphärische Eigenschaften in verschiedenen Höhen gemessen. Alfred-Wegener-Institut / Esther Horvath

Doch es ist immer wieder zu Zwischenfällen gekommen, weil sich das Meereis bewegte und sich Spalten bildeten. «Es gab eine Nacht, in der es sehr viel knackte und ich dachte, das Schiff wird zusammengedrückt», erzählt David Wagner vom Davoser Institut für Schnee- und Lawinenforschung und Mitglied des Forschungsteams.

Die «Polarstern» hielt den Eismassen stand. Aber direkt neben David Wagners Kabine brach ein Teil der Eisscholle ab. Ausgerechnet dort, wo sich die Basis für den Unterwasser-Roboter befunden hatte. Der beherzte Einsatz vieler Forscher und ein Helikopter waren nötig, um alles Material zu bergen.

Forschen mit dem Gewehr im Gepäck

Das Forschen in der Nähe des Nordpols ist aufwendig. Die Forscher tragen viele Kleidungsschichten, darüber einen Überlebensanzug. Das Gewehr zum Schutz vor Eisbären muss auf der Kapitäns-Brücke aus dem Waffenschrank geholt werden.

«So hat man nicht mehr so viel Zeit, um die eigentlichen Messungen durchzuführen. Und dann kommen noch die Kälte und der Wind dazu, die alles noch mal verlangsamen», erklärt David Wagner.

Zwei Meereisphysiker arbeiten auch bei Wind und Schneedrift. Es ist Nacht.
Legende: Die Meereisphysiker arbeiten auch bei Wind und Schneedrift. Alfred-Wegener-Institut / Stefan Hendricks

Schnee beeinflusst das Schicksal des Eises

Wagner untersucht im Rahmen der Expedition den Schnee, der auf dem Meereis liegt: seine Schichtung, die Dichte, den Salzgehalt. Denn der Schnee beeinflusst das Schicksal des Meereises wesentlich.

Schnee isoliert gut und schirmt im Winter das Meereis von der Eiseskälte der arktischen Atmosphäre ab. Liegt viel Schnee auf dem Meereis, so gefriert weniger Meerwasser darunter und das Eis bleibt dünner.

Die Reise der «Polarstern» verfolgen

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Auf der Webseite follow.mosaic-expedition.org kann man die Reise der Polarstern verfolgen. Die Forschungscrew schreibt täglich einen Logbuch-Eintrag.

Welchen Einfluss hat die Wärme?

Weil es in der Arktis bereits viel wärmer geworden ist, hat das Meereis stark abgenommen – und dies treibt über eine Rückkoppelung die Temperaturen noch weiter nach oben: Weil immer grössere Teile des Meeres direkt dem Sonnenlicht ausgesetzt sind und sich dieses offene Wasser viel stärker aufheizt als Wasser unter einem Eisdeckel.

Die Forscher wollen darum dringend wissen, wie sich das Meereis und der Schnee darauf in der immer wärmeren Arktis verhalten. Gegenwärtig liegen nur 6 bis 8 Zentimeter Schnee auf der Eisscholle neben der «Polarstern».

Zwei Forscher in der Dunkelheit. Sie haben einen grossen Eisbohrer. Im Hintergrund das Forschungsschiff.
Legende: Zwei Forscher sind dabei, Stolperdrähte zu installieren. Läuft ein Eisbär gegen den solchen Draht, wird automatisch eine Signalrakete als Warnung abgefeuert. Alfred-Wegener-Institut / Esther Horvath

So wenig Meereis wie noch nie

Selbst diese dünne Schicht hat es in sich, berichtet David Wagner: «Heute haben wir minus 25 Grad an der Oberseite der Schneeschicht gemessen und minus 10 Grad an der Schnee-Eis-Schnittstelle.» 15 Grad weniger kalt ist es an der Unterseite der dünnen Schneeschicht verglichen mit ihrer Oberfläche. Der Schnee isoliert also enorm.

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In Nacht und Eis – Eine Forschungsfahrt in der Polarnacht
aus Passage vom 29.12.2017. Bild: Keystone
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Noch kann David Wagner nichts über die Resultate der Forschung berichten. Aber was er und die anderen Forscher täglich erfahren, zeigt: die Klima-Erwärmung hat die Arktis bereits stark verändert. Gegenwärtig gibt es in wichtigen Teilen des arktischen Ozeans so wenig Meereis, wie noch nie, seit gemessen wird.

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