Seit Jahren beschäftigt sich Sonia Seneviratne von der ETH Zürich mit extremen Klimaereignissen: zu heiss, zu trocken, zu nass. Und jüngst auch mit der Frage: Wie stark sind Erwachsene betroffen? Und wie stark Jugendliche, Kinder, ihre eigenen Kinder?
Ein Leben unter extremer Hitze
Die Antwort darauf von ihr und anderen Klimaforschenden hat sie selbst überrascht. Ihr Fazit: «Etwa 50 Prozent der heute Fünfjährigen wird in ihrem Leben eine Anzahl an Hitzewellen erleben, die frühere Generationen nicht erlebt haben».
Und das im «besten» Fall, also wenn sich die Erde bis Ende des 21. Jahrhunderts nicht mehr als 1.5 Grad erwärmt. Anders sieht es aus in einer 3.5 Grad wärmeren Welt. Dann steigt die berechnete Zahl auf rund 90 Prozent. Fast alle heute Fünfjährigen weltweit erleben dann so viele Hitzewellen, wie sie ohne Klimawandel niemals stattgefunden hätten.
Zum Vergleich: Bei den 1960 Geborenen – sie sind heute 65 Jahre alt und gehören zur Generation der Babyboomer – sind es in allen Szenarien nur gerade 16 Prozent, die nie dagewesene Hitzewellen erleben.
Eine riesige Kluft also, die zeigt: Jüngere Generationen sind deutlich mehr von den Folgen des Klimawandels betroffen. Diese Kluft gibt es aber nicht nur zwischen Generationen, sondern auch zwischen Ländern. «Personen in den Tropen sind besonders stark betroffen», sagt Sonia Seneviratne.
Man muss sich auf etwas gefasst machen, das wir als Gesellschaft gar nicht kennen.
Dies, weil dort Temperaturschwankungen von Jahr zu Jahr typischerweise klein sind und Veränderungen darum einen grösseren Effekt haben. Anders in der Schweiz: Hier herrscht ein kontinentales Klima vor, das heisst die Temperaturen schwanken übers Jahr deutlich. Trotzdem zeigt die Studie, dass die Zunahme an Hitzewellen auch in der Schweiz sehr hoch ist.
So erleben Menschen, die 1960 in Zürich geboren wurden und ihr Leben hier verbringen, voraussichtlich drei Hitzewellen. Bei den 2020 Geborenen sind es über ihr ganzes Leben im besten Fall elf Hitzewellen, im pessimistischsten Szenario sogar 42.
Die Welt wird eine andere sein
Die nackten Zahlen sollen Eltern und Grosseltern helfen, zu verstehen, was der Klimawandel für ihre Kinder und Enkelkinder bedeutet. Und: «Man muss sich auf etwas gefasst machen, das wir als Gesellschaft gar nicht kennen», sagt die Klimaforscherin.
Also nicht nur ein bisschen grösseres Risiko für Extreme, sondern eine andere Welt. In der Schweiz heisst «eine andere Welt» nicht nur mehr Hitzewellen, sondern auch mehr Trockenheit, mehr Starkniederschläge und mehr Überschwemmungen.
Die Frage, die sich nun stellt: Was macht das mit Kindern und Jugendlichen, wenn sie dieses Ungleichgewicht so deutlich sehen? «Man kann verstehen, wenn die Jugendlichen wütend sind, wenn sie sehen, was es für ihre Zukunft bedeutet», sagt Sonia Seneviratne. Und diese Generation wisse auch, dass diese Auswirkungen die Konsequenzen von Entscheidungen vorheriger Generationen seien.
«Aber wenn wir die richtigen Entscheidungen jetzt treffen, können wir die Auswirkungen noch begrenzen», so die Forscherin. Sofern die Erwachsenen ihre Verantwortung gegenüber jüngeren Generationen auch wahrnehmen.