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Luftfahrt und Klimaschutz Düsen wir bald ohne schlechtes Gewissen ab?

Geht fliegen mit deutlich kleinerer Umweltbelastung als heute? CO2-neutrale synthetische Treibstoffe könnten es möglich machen.

Im Fokus am Paul Scherrer-Instituts (PSI ) im aargauischen Villigen sind Katalysatoren – raffinierte Stoffe, die bestimmte chemische Reaktionen erleichtern oder erst möglich machen. Katalysatoren helfen etwa, aus einem einfachen Grundstoff wie Methanol komplexere Molekülketten herzustellen, wie sie im Kerosin vorkommen, erklärt Projektleiter Peter Jansohn.

Die Chemiker kennen dafür seit Langem einen Herstellungsprozess, sagt Jahnson. Er habe allerdings den Nachteil, dass er eine lange Verteilung an Produktkomponenten liefere. «Es entstehen Nebenprodukte, der entstehende Kerosin-Anteil ist klein.» Die Folge: grosse Energieverluste bei der Kerosin-Herstellung und damit viel zu hohe Kosten.

Raffinierte Gitterstruktur

Hier kommt der Katalysator ins Spiel, den die Forschenden am PSI entwickeln. Sie geben ihm eine raffinierte Gitterstruktur mit winzigen Kammern. Darin entstehen aus dem Grundstoff Methanol die länger-kettigen Kerosinmoleküle. Die Grösse der Kammern gibt die Grösse der produzierten Moleküle vor. Heraus kommt ein Molekülgemisch, das direkt in Flugzeugtriebwerken verwendet werden kann. Noch braucht es allerdings weitere Forschungsarbeit, bis das klappt.

Das bietet der Branche grosse Vorteile, sagt Peter Jansohn. Die ganze Infrastruktur, die es für die Verteilung und Nutzung des Kerosins brauche, aber auch die Anpassung der Triebwerke und die danach nötigen Sicherheits-Zertifizierungen könne man sich so ersparen.

Synthetisches Kerosin allein wird nicht reichen

Bleibt aber die zentrale Frage: Woher stammt das Methanol, der Grundstoff, aus dem das synthetische Kerosin gebildet wird? Damit die Flugzeuge CO2-neutral fliegen, braucht es Methanol, das nicht aus fossilen Quellen kommt.

Solch sogenannt grünes Methanol kann man in Etappen aus Wasser und CO2 herstellen. Dazu braucht man Strom. Das nötige CO2 gewinnt man im Idealfall aus der Luft. So entsteht ein Kreislauf: Aus dem CO2 aus der Luft wird Kerosin. Wenn dieses im Flugzeugtriebwerk verbrannt wird, gelangt dieselbe Menge CO2 wieder in die Luft.

Für die Herstellung von Methanol gibt es technische Lösungen. Aber sie brauchen viel Energie in Form von Strom aus Sonne- oder Windkraft. «Synthetisches Kerosin allein wird aber nicht genügen, um die Flugbranche klimafreundlich zu machen», sagt Peter Jansohn.

Ein Teil der Lösung werden Einsparungen, effizientere Flugzeuge und alternative Transportmöglichkeiten sein. Oder aber man verzichtet ganz auf gewisse Reisen. Ein anderer Teil der Lösung, so Jansohn, werden aber diese synthetische Kraftstoffe sein.

«Lieber heute als morgen»

Die Airlines werden vermutlich nicht um eine Redimensionierung herumkommen. Umso stärker hoffen sie auf Projekte wie jenes des PSI und des Materialforschungsinstituts EMPA, das ebenfalls beteiligt ist. Man stosse auf grosses Interesse, sagt Peter Jahnson. «Alle wären lieber heute als morgen mit dabei.»

Bis es grössere Mengen bezahlbares CO2-neutrales Kerosin gibt, vergehen wohl noch fünf bis zehn Jahre. Das neue CO2-Gesetz, über das im Juni abgestimmt wird, sieht eine Abgabe auf Flugtickets vor. Ein Teil des so eingenommenen Geldes würde an Forschung gehen, um die Fliegerei CO2-neutral zu machen.

Peter Jansohn sagt, die Entwicklung alternativer Treibstoffe sei mit hohem wirtschaftlichem Risiko verbunden, Anstoss-Subventionen aus einer Ticketabgabe könnten da wichtige Unterstützung leisten.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Wissenschaftsmagazin, 15.5.2021, 12:25 Uhr ; 

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