Es ist wie beim Aufteilen eines Kuchens: Kriegt jedes Kind ein gleich grosses Stück? Oder bekommen diejenigen, die schon die ganze Woche Kuchen gegessen haben, entsprechend weniger? Der Kuchen, um den es beim Klimaschutz geht, sind die Verschmutzungsrechte, sprich der Anteil an CO₂, den ein Land pro Kopf maximal noch in die Luft ausstossen darf, damit die globale Temperatur nicht um mehr als 1,5 Grad ansteigt.
Grosse Verschmutzer sollen mehr tun
Das Pariser Klimaabkommen sieht vor, dass Staaten, die historisch gesehen bereits viel CO₂ ausgestossen haben und eine grössere Wirtschaftskraft haben, mehr Verantwortung übernehmen, sprich: mehr zum Klimaschutz beitragen. Doch wie viel mehr? Dazu gibt es verschiedene Berechnungsmethoden.
Die Klima-Allianz, ein Zusammenschluss von Schweizer Umwelt- und Entwicklungshilfeorganisationen, hat nun verschiedene Berechnungen präsentiert, die sich an denjenigen der EU orientieren.
Ab wann beginnt die historische Verantwortung?
Spätestens seit 1990, als der erste umfassende Bericht des Weltklimarates publiziert wurde, lässt sich die Tragweite des Klimawandels einschätzen. Georg Klingler von Greenpeace sagt deshalb im Namen der Klima-Allianz: «Nimmt man dieses Jahr als Stichdatum für die historische Verantwortung und rechnet die Wirtschaftskraft der Schweiz mit ein, so hat die Schweiz ihr CO₂-Budget bereits 1999 aufgebraucht.»
Besser sieht es aus, wenn man die Berechnung erst ab dem Pariser Klimaabkommen 2015 macht und die Wirtschaftskraft nicht einberechnet: Dann bleibt ein Budget von 260 Millionen Tonnen CO₂.
«Die Schweiz muss den Turbo zünden»
«Mit der aktuellen Klimastrategie des Bundes sind diese Tonnen aber bereits im Jahr 2032 aufgebraucht», sagt Klingler weiter, «die Schweiz muss deshalb jetzt den Turbo zünden».
Der Plan, den die Klima-Allianz dazu präsentiert, sieht für die nächsten zehn Jahre weit reichende Massnahmen vor: So sollen etwa Öl- und Gasheizungen schnell ersetzt werden. Es soll weniger neu gebaut werden. Der Verkehr soll deutlich abnehmen und der Konsum generell gesenkt werden.
«Ich habe beim Lesen etwas geseufzt»
Bei der Wirtschaft kommt dieser Plan schlecht an. Grundsätzlich sei es zwar richtig, dass auch die Schweiz mehr machen müsse für den Klimaschutz, sagt Alexander Keberle vom Wirtschaftsdachverband Economiesuisse. «Aber ich muss ehrlich sagen, als ich den Plan gelesen habe, habe ich etwas geseufzt, denn er geht sehr weit und trägt in seiner Gesamtheit wohl eher zur Polarisierung bei, als zur Lösungsfindung.»
Auch der Klimawissenschaftler Reto Knutti von der ETH Zürich hält den Plan für «politisch unrealistisch». Dennoch müsse die Schweiz mehr leisten für den Klimaschutz, denn sie habe sich dazu verpflichtet, ihren fairen Anteil zum Klimaschutz zu leisten. In der Praxis werde dieses Versprechen aber nicht eingelöst.
Wir müssen froh sein, wenn wir das 2-Grad-Ziel noch einhalten können.
Wissenschaftlich sei unterdessen klar, dass das Ziel von maximal 1,5 Grad Erderwärmung überschritten werde, sagt Knutti weiter. «Wir müssen froh sein, wenn wir das 2-Grad-Ziel noch einhalten können.» Die Politik müsse den Faden deshalb wieder aufnehmen und einen eigenen, realistischen Masterplan für den Schweizer Klimaschutz entwickeln.