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Städte der Zukunft Wie aus Städten Schwämme werden

Hitzewellen und Starkregen nehmen wegen des Klimawandels zu. Insbesondere die Städte trifft das heftig. Planerinnen, Architekten und Stadtverwaltungen versuchen darum, die Städte besser zu rüsten – und sie zu Schwammstädten umzubauen. Doch wie geht das? Ein Augenschein in Wädenswil und Zürich.

Für Stefan Stevanovic ist klar: «Je mehr Bäume in der Stadt, desto besser. Es gibt keine bessere Möglichkeit, die Städte zu kühlen.» Sein Kollege Alain Bertschy ergänzt: «Man muss sicher anschauen, welcher Baum wohin passt – und ihn dann auch gut pflegen.»

Was ist eine Schwammstadt?

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Die Idee ist, den Boden unter der Stadt wie einen Schwamm zu nutzen. Ein Schwamm, der Regenwasser aufsaugt und bei Bedarf wieder abgibt. Das hat verschiedene Vorteile: Bei starken Niederschlägen kann mehr Wasser im Boden versickern. Das entlastet die Kanalisation und Kläranlagen. Durch die Versickerung kann sich das Grundwasser besser regenerieren. Zudem kann das im Boden oder in Pflanzen gespeicherte Wasser verdunsten, was die Umgebung abkühlt. Je nach Schwammstadtmassnahme profitiert auch die Biodiversität und die Lebensqualität wird besser. 

Im internationalen Vergleich hinkt die Schweiz in Sachen Schwammstadt anderen Ländern hinterher. Das Interesse an diesem Konzept ist in den letzten Jahren nun stark gestiegen. Klar ist aber auch: Das Konzept allein reicht nicht aus, um die Bewohnerinnen und Bewohner in der Stadt gegen den Klimawandel zu wappnen. Vieles an der Idee Schwammstadt ist auch nicht ganz neu: Fachleute sprechen schon seit vielen Jahren davon, beispielsweise Regenwasser in der Stadt versickern zu lassen, statt es in die Kanalisation oder in Bäche zu leiten. Neu ist aber, dass versucht werden soll, möglichst viel Regenwasser zurückzuhalten.

Stevanovic und Bertschy forschen beide an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW zu Stadtbäumen. Verteilt auf dem Campus in Wädenswil stehen verschiedene Baumarten, die sich grundsätzlich für die immer heisseren Städte eignen. Das heisst, sie ertragen Hitze einigermassen gut und kommen auch mit Starkregen zurecht. 

Problemzone Boden 

Eine besondere Herausforderung für Stadtbäume sei der Untergrund. «Richtig angelegt und gepflegt mangelt es den Stadtbäumen nicht an Wasser», sagt Alain Bertschy. «Limitierend ist oftmals eher die Luft in den verdichteten Böden.» Gebäude, schwere Fahrzeuge, Bauaktivität – das alles verdichtet die Böden in der Stadt. Die Wurzeln der Bäume können darin oft nicht weit genug wachsen.  

Fünf Meter rund um den Stamm herum und gut einen Meter in die Tiefe – 36 Kubikmeter Wurzelraum empfehlen Forscher und Praktikerinnen heute. Doch dieser Platz ist rar in der Stadt. Die beiden Forscher haben darum einen neuen Bodenaufbau entwickelt. In diesen Boden gepflanzt sollen Bäume sich den nötigen Platz auch unter Strassen und Trottoirs nehmen können. Ein Versuch mit Ulmen zeigt vielversprechende erste Resultate. 

Neuer Boden, neue Bäume braucht die Stadt

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Die ZHAW wie auch andere europäische Forschungsgruppen entwickeln Bodensubstrate, die neu gepflanzten Bäumen den Start in der Stadt erleichtern sollen. Der Aufbau besteht meist aus verschiedenen Zutaten: grobe Steine bilden ein stabiles Gitter, das dann mit feinerem Material wie Sand, porösem Lavagestein oder Pflanzenkohle aufgefüllt wird. Ein so aufgebauter Boden soll durchlässiger sein für die Baumwurzeln, und gleichzeitig stabil genug, dass obendrauf auch Trottoirs oder Strassen verlegt werden können. 

 Zu den wichtigsten Baumarten, die heute neu in Städten gepflanzt werden, zählen sogenannte Auen- und Ufergehölzarten wie verschiedene Ulmen- oder Eschenarten. Diese Pionierarten wachsen als Erste beispielsweise in Überschwemmungsgebieten von Flüssen. Sie sind darum lehmige, dichte Böden gewöhnt. Ausserdem gehört es zu ihren Lebensbedingungen, dass sie zeitweise im Wasser und dann wieder im Trockenen stehen. 

Die konkreten Standorte in einer Stadt spielen eine wichtige Rolle dabei, welche Bäume am besten gepflanzt werden sollen. Mittlerweile gibt es verschiedene hilfreiche Zusammenstellungen für Forschende und Praktikerinnen.

Maximal nützlich werden viele Stadtbäume erst ab 60 Jahren. Dann haben sie eine grosse Krone, spenden viel Schatten und können Wasser bei Starkregen zurückhalten. Ein beachtlicher Teil der neu gepflanzten Stadtbäume stirbt jedoch vorher wieder ab. Sie müssen vor allem während der ersten 15 bis 20 Jahre gut gepflegt werden: ausreichende Bewässerung, kluges Schneiden der Äste, Schutz vor Hunde-Urin und Verletzungen durch Fahrzeuge oder Baustellen. 

Ortswechsel in den Norden Zürichs: Auch hier stehen auf einem Quartierplatz einige Bäume. Im Boden verborgen sind Becken, die Wasser speichern, und Leitungen, die es zu den Baumgruben leiten. «Solche Leitungen sind sehr typisch für die Schwammstadt», sagt Lauren Cook vom Wasserforschungsinstitut Eawag. Um das Wasser von einem zum anderen Ort zu leiten, weil es nicht überall grün sein könne, es auch versiegelte Flächen brauche. 

So leiten Rohre etwa auch Regenwasser von Dächern in künstliche Teiche. Das Wasser, das sich darin sammelt, verdunstet langsam und kühlt so die Umgebung. In einem anderen Fall landet das Dachwasser in einer Versickerungsmulde. Solche Mulden funktionierten als Puffer, um bei starken Regenfällen zu verhindern, dass die Kläranlagen überlastet werden, sagt Cook. 

So viel kühler kann eine Schwammstadt werden

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Forschende der Universität Bern haben verschiedene Schwammstadt-Projekte wissenschaftlich begleitet.

Dabei untersuchten sie, wie viel kühler es werden kann, wenn der Asphalt aufgebrochen wird und mit Mergel, Gras oder Bäumen ersetzt wird.  

Ihr Fazit aus zwei Projekten: Die Lufttemperaturen, drei Meter über Boden gemessen, sinken nur bei grossflächigen Entsiegelungen, und auch dann nicht besonders stark. Direkt an der Oberfläche gemessen zeigen sich deutliche Unterschiede: Mergel heizt sich zwar ähnlich stark auf wie Asphalt – kühlt aber deutlich schneller wieder ab. Das ist besonders für die nächtliche Abkühlung wichtig. Gras heizt sich gar nicht erst richtig auf. Und am kühlsten bleibt es im Schatten von Bäumen. 

Eine wichtige Rolle spielt dabei, wie viel Wasser im Boden vorhanden ist. Nach einer regnerischen Periode kann Mergel beispielsweise deutlich besser auskühlen. Auch Stadtbäume und andere Begrünung profitieren davon, wenn der Untergrund möglichst gut Wasser speichern kann.

Doch bei extremen Regenfällen, wie sie alle 100 Jahre vorkommen, stösst dieses Puffersystem an seine Grenzen. Eine andere Herausforderung: Versickert zu viel Wasser, kann das den Grundwasserspiegel anheben und zu Überschwemmungen führen.

Zudem wisse die Forschung erst sehr wenig über gelöste, langlebige Schadstoffe. Ob sie ins Grundwasser gelangen und ob sie da dann ein Problem sind. Trotzdem ist die Forscherin zuversichtlich: «Es ist kompliziert, aber wir schaffen das».

Wissenschaftsmagazin, 29.8.2025, 12:35 Uhr

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