SRF «Einstein»: Zurzeit wird darüber diskutiert, ob Schulen vermehrt Sprachaustäusche mit Schülern organisieren sollen. Was halten sie von dieser Diskussion?
Raphael Berthele: Der Sprachaustausch wird in jüngster Zeit fast schon als eine Art sprachpädagogische Wunderwaffe postuliert, wenn es darum geht, die vermeintlich fehlende Wirksamkeit des traditionellen Fremdsprachenunterrichts aufzuwiegen. Sprachaustausch ist, wenn er geschickt organisiert wird, didaktisch sicher interessant. Es hilft, die Kontaktstunden zu erhöhen und zeigt auch den Schülern, dass man tatsächlich in einer Fremdsprache kommunizieren und etwas erleben kann. Aber zu glauben, dass man über Sprachaustausch wundersam Kenntnisse explodieren lassen kann, wäre naiv. Zwang zum Austausch würde oft wohl genau das Gegenteil dessen erreichen, was angestrebt war. Ausserdem ist es auch schwierig die Schüler unterzubringen, denn auf jedes welsche Kind kämen ungefähr 2,5 Deutschschweizer Kinder.
Bei der Diskussion ums Frühenglisch geht die Angst um, in einer globalisierten Wirtschaft nicht mehr mithalten zu können. Beim Frühfranzösisch sind es regionalpolitische Überlegungen. Sollten die Kinder nicht lieber eine Sprache richtig lernen, statt zwei ein bisschen?
Im Moment will die Bildungspolitik in der Schweiz und auch in Europa Mehrsprachigkeit fördern. Dies bedeutet aber nicht, dass man in zwei oder mehr Sprachen der Perfektion nachjagt, sondern es sollen einfach rudimentäre sprachliche Fähigkeiten aufgebaut werden. Diese können die Kinder später je nach persönlichen Vorlieben und Bedürfnissen ausbauen.
Studien zeigen, dass ältere Schüler einen Startvorteil haben. Sie lernen also schneller als die jüngeren. Ist das Frühenglisch also für die Katz?
Wenn man von den Fremdsprachenkenntnissen der Schüler nach Ende der obligatorischen Schulzeit ausgeht, dann spielt der genaue Zeitpunkt des Beginns keine Rolle. Der Frühbeginn könnte aber Vorteile haben, wenn es darum geht, eine positive Haltung gegenüber einer Fremdsprache zu entwickeln.
Heute gibt es ja bereits Kinderkrippen, in denen Englisch gesprochen wird.
Englischsprachige Kinderkrippen sind wohl vor allem ein gutes Mittel, um mit Sprachkenntnissen soziale Unterschiede deutlich zu machen. Man kann schon seit längerem beobachten, dass Sprachenfragen im vorschulischen Bereich immer mehr zu einer Bühne werden, auf der gesellschaftliche Kämpfe ausgetragen werden. Von Hochdeutschzwang bis Mundartdiktat in Krabbelgruppen hat man da in der Vergangenheit schon alles Mögliche postuliert und es geht in der Regel nicht direkt um Sprache, sondern um gesellschaftliche Fragen der Integration oder der mehr oder weniger bewussten Abgrenzung.
Wie können Eltern ihre Kinder optimal auf den Fremdsprachenunterricht vorbereiten?
Ich sehe nicht ein, weshalb Eltern ihre Kinder jetzt auch noch spezifisch auf den Fremdsprachenunterricht vorbereiten sollen. Sie können sich vielleicht innerlich schon mal darauf vorbereiten, dass sie ihren Kindern dann bei den Hausaufgaben in zwei Fremdsprachen helfen müssen.
Welchen Fremdsprachenunterricht würden Sie sich an den Schulen wünschen?
Ich bin ein genügsamer Mensch. Wenn Fremdsprachenunterricht in der Schule die Freude an Sprachen nicht verdirbt, ist sicherlich schon viel erreicht. Wenn am Ende der obligatorischen Schulzeit gewisse kommunikative Fertigkeiten so ausgebildet sind, dass man sich in den zwei Fremdsprachen schon mal durchschlagen kann, so ist das sicherlich schon etwas wert. Wenn der Sprachunterricht die Lust am Sprachenlernen oder das Interesse für Sprachen und Kulturen weckt, wäre das sogar richtig toll.