Sabine Hossenfelder packt. Einmal mehr. Denn seit nunmehr 15 Jahren springt sie von einem befristeten Vertrag zum nächsten – ein typisches Forscherinnenleben.
Doch diesmal steht ihr Umzug auch im Zeichen grosser Sinnfragen: Warum hatte sie sich für die theoretische Physik entschieden?
Was waren die grossen Rätsel, denen sie auf die Spur kommen wollte? Und warum gibt es in ihrem Fachgebiet seit rund 30 Jahren kaum mehr Fortschritte?
Das Beispiel aus Genf
Die Krise in der theoretischen Physik erklärt Sabine Hossenfelder gleich zu Beginn ihres Buches «Das hässliche Universum».
Da ist zum Beispiel der Teilchenbeschleuniger LHC am CERN in Genf: Seit Jahren suchen Forschende dort nach Beweisen für die sogenannte Supersymmetrie.
Diese Theorie sagt voraus, dass es eine ganze Menge weiterer Elementarteilchen geben müsste, als heute bekannt.
Die Kosten der Symmetrie – und ihre Kosten
Der LHC wird gerade ein weiteres Mal für viel Geld ausgebaut – einen Beweis für die Supersymmetrie-Theorie konnte er bis heute nicht liefern.
Warum, fragt sich Sabine Hossenfelder, beharren ihre Kolleginnen und Kollegen dennoch weiterhin auf dieser Theorie? Die überraschende Antwort: die Supersymmetrie gilt als schön.
Die Antwort «schön» erhält die Physikerin regelmässig, wenn sie sich mit renommierten Kollegen unterhält. Und die Antwort verwirrt sie zunehmend: Ist «Schönheit» ein wissenschaftliches Argument?
Warum ist «Schönheit» in der Grundlagenphysik so wichtig geworden? So wichtig, dass enorm teure Experimente gebaut werden, um Beweise für eine «schöne» Theorie zu finden?
Eine Weltformel
Ihre Suche nach Antworten auf diese Fragen führen Sabine Hossenfelder von Dänemark nach Hawaii, von den Ursprüngen der Physik bis zur Theorie des Multiversums, von den Elementarteilchen bis in die Weiten des Kosmos.
Und so erfährt man fast nebenbei, an welchem grossen Problem sich theoretische Physikerinnen und Physiker seit einigen Jahrzehnten die Zähne ausbeissen: an einer Theorie von allem, einer Weltformel.
Eine solche Formel würde es schaffen, die physikalischen Gesetze für die grossen Objekte (Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie) mit jenen für die Elementarteilchen (Standardmodell) zu vereinen – also die Physik für unser ganzes Universum in eine Formel zu packen.
Spaziergang durch die Welt der Physik
Man folgt Sabine Hossenfelder gern auf ihrer Spurensuche. Sie schafft es, ihr Fachgebiet anschaulich zu erklären – und lässt einen auch nicht im Regen stehen, wenn hie und da ein Abschnitt dicht und komplex geschrieben ist.
Sie erzählt mit viel Humor: manchmal bissig, manchmal streberhaft. Manchmal bringt sie den Leser dazu, laut herauszulachen – spätestens dann, wenn sie die Geschichte der Stringtheorie in zwei Versionen erzählt.
Am Ende des Buches entlarvt die Autorin ein paar wichtigen Schwachstellen in ihrem Fachbereich – aber auch einige schwierige Entwicklungen im Wissenschaftsbetrieb allgemein.
Sie hat auch Ideen, was dagegen getan werden könnte und endet zuversichtlich: «Es wartet eine Menge Arbeit auf uns. Der nächste Durchbruch in der Physik wird in diesem Jahrhundert stattfinden. Er wird schön sein.»