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Kulturerbe Lawinenschutz Schweizer Lawinenschutz wird Unesco-Weltkulturerbe

Das jahrhundertealte Wissen um den Umgang mit der Lawinengefahr wurde heute auf die Liste der Unesco für immaterielles Kulturerbe gesetzt. Eine kurze Geschichte des Lawinenschutzes in der Schweiz.

Seit die Menschen den Alpenraum besiedeln, mussten sie einen Weg finden, mit Lawinen umzugehen. Das uralte Wissen um «den weissen Tod» findet sich noch heute in Orts- und Flurnamen wie «Schusslauinen» oder «Rooti Loiwina», in der Architektur – und im Lawinenbulletin, das das Schweizer Schnee- und Lawinenforschungsinstitut SLF über den ganzen Winter zwei Mal täglich herausgibt.

1300 Lawinen, fast 100 Tote

Der heutige Lawinenschutz mit seinen grossflächigen Schutzbauten wurde massgeblich durch ein Ereignis geprägt: der Lawinenwinter von 1951. Rund 1300 Mal donnerten damals die Schneemassen zu Tal. Fast hundert Menschen starben.

«Kaum vermag die Kirche die bedrückende Zahl der Särge zu fassen. Die Lebenden aber fügen sich stumm in das unbegreifliche Leid, das über sie gekommen ist», kommentierte man damals in der Schweizer Filmwochenschau.

Mit einem Schlag war die uralte Bedrohung für die Bewohner und Bewohnerinnen des Alpenraums zurück im Bewusstsein: in Vals, Andermatt oder Airolo, aber auch im österreichischen Tirol und Kärnten werden die Toten auf meterhoch eingeschneiten Friedhöfen beerdigt.

Investieren oder das Tal aufgeben?

«Der technische Lawinenschutz hat durch den Lawinenwinter von 1951 zusätzlichen Antrieb bekommen. Damals wurde klar: entweder man siedelt ganze Täler ab oder investiert viel», erklärt Historiker Christian Rohr, Professor für Umwelt- und Klimageschichte an der Universität Bern.

In der Folge werden teils jahrhundertealte Schutzwälder aufgeforstet, Lawinen vermehrt künstlich ausgelöst und professionelle Gefahrenkarten erstellt.

Ein Schwarzweissbild, man sieht einen Lawinenniedergang von oben.
Legende: Im Lawinenwinter 1951 donnerten rund 1300 Lawinen zu Tal. Keystone

Verhindern, dass Lawinen überhaupt erst entstehen

Der Lawinenschutz begann aber schon vorher. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts entstehen erste Verbauungen, vor allem verbunden mit den grossen Eisenbahnlinien, die quer durch die Alpen führen, etwa die Gotthard- oder die Lötschbergstrecke.

Damit die Eisenbahn unbeschadet auch im Winter die Alpen überqueren konnte, bauten Ingenieure und Geologen Galerien und Tunnels – sie platzierten aber auch Lawinenverbauungen hoch oben an den gefährlichen Hängen. So versucht man bis heute zu verhindern, dass Lawinen überhaupt erst entstehen können.

Lawinenforschung – auch fürs Militär

Mitte des 20. Jahrhunderts beginnt auch die wissenschaftliche Erforschung des Schnees und der Lawine. Hier ist das Forschungsinstitut für Schnee- und Lawinen SLF weltweit führend und hat seine Kompetenzen immer mehr ausgebaut.

Das SLF gründete der Bund 1942 – mitten im Zweiten Weltkrieg. Dieser Zeitpunkt sei kein Zufall gewesen, sagt der Historiker Christian Rohr:

Ausstellung «Die weisse Gefahr»

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«Die weisse Gefahr Umgang mit Lawinen in der Schweiz» – eine Ausstellung über Tradition und Technik, Barryvox und Bauchgefühl.

Alpines Museum der Schweiz , noch bis am 21. April 2019.

«Der Reduit-Gedanke, sich in die Schweizer Alpen zurückzuziehen, sah auch vor, eventuell Schnee und Lawinen als strategische Mittel einzusetzen. Das war durchaus in manchen militärischen Plänen drin und hat auch Auswirkungen auf die ersten Schneeforschungen des SLF gehabt.»

Der Lawinenschutz in der Schweiz wurde so zu einer vielseitigen Disziplin. Über die Jahrhunderte stand sie im Interesse der Industrie, des Tourismus, des Militärs. Am meisten aber in jenem der betroffenen Bevölkerung.

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