Zwei Frauen, die auf den ersten Blick das Gleiche wollen: eine bessere Landwirtschaft, die den Planeten schont, der Klimaerwärmung standhält und die Menschen satt macht. Und doch könnten sie nicht unterschiedlicher sein.
Die Lösung mit der Gentechnik
Catherine Feuillet, Jahrgang 1965, ist Französin und hat als junge Biologin zur Blütezeit der «alten» Gentechnik von 1994 bis 2005 in der Schweiz bei der Forschungsanstalt Agroscope und an der Universität Zürich geforscht: an Weizen. Sie versuchte ein bestimmtes Gen im Weizen zu finden und zu klonen, weil es für die Resistenz gegen eine bestimmte Bakterienkrankheit bei Weizen zentral ist.
Zehn Jahre hat Feuillet dafür gebraucht. Zehn Jahre für etwas, das mit heutigen Labormethoden allerhöchstens ein Jahr dauert. Das war mühsam und frustrierend, wie sie sagt. Also beschloss sie, dass es eine bessere Wissensbasis für solche Arbeiten braucht: eine Sequenzierung, also eine komplette Genkarte des Weizens, als bessere Orientierung für alle, die nach ihr kommen würden.
Auch dieses Projekt war eine Mammutaufgabe: «Einige erklärten mich für verrückt, weil ich das überhaupt versuchen wollte», sagt Feuillet. Denn das Weizengenom ist gross und komplex. Eine Nebenwirkung der jahrtausendelangen Züchtung durch den Menschen.
Forschung mit grossen Fortschritten
Catherine Feuillet begann mit einer kleinen Gruppe von Kollegen am französischen Forschungsinstitut INRA: «Wir waren um die 10 Leute am Anfang», erinnert sie sich. Erst 2018, gut zehn Jahre später und mit einem Konsortium von gut 1000 Forschern und Forscherinnen an Bord, war es endlich geschafft: Das Weizengenom war kartiert .
In der Zwischenzeit hatte 2012 die Genschere CRISPR-Cas die Bühne des Wissenschaftswelt betreten. Für Feuillet war klar, dass sie das neue Werkzeug nutzen wollte. Zusammen mit rechenstarken Computern und Algorithmen, die auch sehr grosse Datenmengen auswerten können, biete Genome Editing eine Riesenchance, auch komplexe Eigenschaften bei Pflanzen endlich genetisch anzugehen: «Es wird eigentlich grade erst jetzt richtig aufregend in der Genetik. Ich wünschte manchmal ich könnte meine Karriere nochmal von vorne beginnen.»
Beim US-Startup Inari leitet Feuillet nun seit einigen Jahren die wissenschaftliche Abteilung. Inari schreibt sich, sehr amerikanisch, grosse Ziele auf die Fahnen: 20 Prozent mehr Ertrag bei Mais, Soja und Weizen, 40 Prozent weniger Wasserverbrauch und 40 Prozent weniger Düngereinsatz im Maisanbau – allein durch besseres Saatgut.
Erfahrene Saatgutzüchter fassen sich bei diesen Zahlen an den Kopf. Feuillet sagt: «Das ist möglich», und registriert selbst, dass es etwas verrückt klingt.
Die Lösung mit der Agrarökologie
Stefanie Pondini, Jahrgang 1983, setzt sich seit gut 12 Jahren bei der Schweizer NGO Biovision für eine andere Landwirtschaft ein, ganz im Sinne des Gründers von Biovision, Hans Herren. Er war Ende der 1980er Jahre einer der Pioniere in der biologischen Schädlingsbekämpfung.
Pondini will eine Landwirtschaft, die ohne Ausbeutung auskommt, egal ob es dabei um natürliche Ressourcen oder Menschen geht. «Es braucht eine Revolution», sagt sie. Das Konzept, das all die Veränderungen umfasst, nennt sich «Agrarökologie». «Vor 12 Jahren wurden wir ausgelacht für unsere Ideen. Heute setzt sich die Schweiz auf internationalen Konferenzen dafür ein, dass Agrarökologie als wichtiger Teil der Lösung anerkannt wird», sagt Pondini.
Auf Gentechnik oder Genome Editing zu setzen, wäre aus ihrer Sicht im besten Fall wenig hilfreich. Im schlimmeren Fall jedoch, lenke die Hoffnung auf eine technologische Lösung von den notwendigen Veränderungen ab. Oder die neue Technologie könnte – zu unüberlegt eingesetzt – sogar Schaden anrichten.
Pondini kämpft dafür, dass Bauern und Bäuerinnen auf der ganzen Welt Chancen zum Lernen bekommen, und dann mit besserem, vor allem ökologischen Anbaumethoden bessere Ernten erzielen: «So sind sie auch den Veränderungen des Klimawandels besser gewachsen.»
Zwei Frauen, zwei Positionen, die gegensätzlicher kaum sein könnten. Feuillet sagt: «Ich mag es, wenn ich herausgefordert werde.» Und: «Bei der alten Gentechnik sind viele Fehler gemacht worden, politisch und wirtschaftlich. Ich hoffe, wir haben dazugelernt.»
Und Pondini: «Damit ich beginnen könnte, über Genome Editing nachzudenken, müssten einige Bedingungen erfüllt sein, gerechter Zugang zur neuen Technik, Orientierung an den Bedürfnissen der Bauern und Bäuerinnen, um nur zwei zu nennen.» Es gäbe wohl kaum etwas Spannenderes, als beide an einen Tisch zu bringen, um zu sehen, ob sie nicht doch eine Schnittmenge finden könnten.