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Nachhaltige Landwirtschaft Schädlingsbekämpfung: Wie Pflanzen mit Düften kommunizieren

Pflanzen können nicht wegrennen, doch sie wehren sich mit ihrer Duftsprache. Bei Schädlingsbefall rufen zum Beispiel Maispflanzen mit einem Lockstoff Insekten an, die ihnen die Parasiten vom Leib fressen. Für diese Entdeckung erhält Ted Turlings den Benoist-Preis.

Am Anfang stand eine scheinbar nicht besonders aufregende Frage: Wie finden Schlupfwespen den Weg zu ihrer Beute, d.h. zu Raupen auf Maispflanzen? Ted Turlings, damals ein junger Doktorand in Florida, machte sich an die Arbeit. Und erlebte eine Überraschung: Anders als angenommen, waren es nicht die Schlupfwespen, die nach Beute suchten, «sondern die Pflanzen spielten die aktive Rolle», sagt der 64-Jährige, «angefressen von Raupen, verströmten sie einen intensiven Duft, der die nützlichen Schlupfwespen anlockte.»

Pionierarbeit zur Duftsprache der Pflanzen

Pflanzen, die mit duftenden Hilferufen gezielt die Feinde ihrer Feinde herbeirufen: Diese Erkenntnis war 1990, als Ted Turlings sie publizierte, völlig neu. Dass Pflanzen mit Düften Schädlingsbekämpfung an sich selbst betreiben, habe Turlings in Pionierarbeit nachgewiesen, sagen Fachleute.

Portrait von Ted Turling
Legende: Gewinner des Schweizer Wissenschaftspreises Marcel Benoist 2023: Ted Turlings. Daniel Rihs

Nützlinge, die sich wie die Schlupfwespen von SOS-Düften der Pflanzen anlocken lassen, kommen heute im Biolandbau breit gegen Obst- und Gemüseschädlinge zum Einsatz. Das funktioniere schon gut, findet Dani Lucas-Barbosa vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL). Doch sie sieht auch Herausforderungen: «Wir wissen noch zu wenig, wann genau wir die Nützlinge auf den Feldern ausbringen müssen. Es wäre daher hilfreich, die SOS-Signale von Mais und anderen Pflanzen zur richtigen Zeit am richtigen Ort erkennen zu können.»

Schnüffelnde Landwirtschaftsmaschinen

Forscher wie Ted Turlings sind hier am Ball. Unterstützt mit einem Stipendium des Europäischen Forschungsrats entwickelt der Professor an der Universität Neuenburg Sensoren, die Pflanzengerüche erkennen können. «In Zukunft wollen wir solche Geruchssensoren in robotische Landwirtschaftsmaschinen einbauen. Die könnten dann über die Felder fahren und Pflanzenschutzmittel nicht mehr flächendeckend, sondern ganz gezielt nur an jene Pflanzen abgeben, die sich duftend gerade gegen Schädlinge wehren».

Wurmgel «mindestens so wirksam wie ein Pestizid»

Der Einsatz von Pestiziden liesse sich dadurch massiv verringern, sagt Turlings. Oder man könnte Pflanzenschädlinge sogar pestizidfrei bekämpfen – mit Hilfe eines Gels, das er mit seinem Team entwickelt hat. Das Gel enthält Fadenwürmer, also Nützlinge, die normalerweise im Boden aktiv sind. Doch im Gel wirken die Würmer auch auf Blättern: In Freilandversuchen mit Maispflanzen und -schädlingen habe sich das Gel als «mindestens so wirksam erwiesen, wie ein zum Vergleich getestetes Pestizid».

Latsis-Preis geht an Teilchenphysikerin

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Zusammen mit dem Benoist-Preis wird in Bern auch der zweite wichtige Schweizer Wissenschaftspreis verliehen: Der Latsis-Preis geht an Lesya Shchutska  von der ETH Lausanne. Ihre Forschung ebnet den Weg zur Entdeckung fehlender Teilchen.

Sehr bald werden intelligente Schnüffelroboter mit Wurmgel an Bord allerdings nicht über Äcker und Felder kurven. Geruchssensoren zu entwickeln, gilt als anspruchsvoll, zumal Gerüche sich in der Luft rasch verflüchtigen und vermischen. Doch Ted Turlings bleibt dran. Mit dem Kleinunternehmen Ecorobotix testet er zurzeit in der Region Yverdon-Les-Bains riechfähige Agroroboter – nebst anderem.

Jetzt freut er sich aber erst mal: Er sei «aufgeregt und hochgeehrt», sagt der Biologe, dass er als Niederländer in der Schweiz den prestigeträchtigen Marcel Benoist-Preis erhält.

Wissenschaftsmagazin, 28.10.2023, 12:40 Uhr

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