Tadschikistan hat hohe Berge und viel Wasser, aber wenig Geld und Energie. Kein Wunder, dass es sein Wasser nutzen will, um mithilfe von Staudämmen Strom zu produzieren. Den Strom braucht Tadschikistan im kalten Winter, wenn die Menschen heizen müssen.
Es gibt jedoch ein Problem: Viel von Tadschikistans Wasser fliesst zum Nachbarn Usbekistan. Usbekistan braucht sehr viel Wasser für die Landwirtschaft – im Sommer, wenn alles wächst, und nicht im Winter. Was tun?
Komplizierte Situation
Als beide Länder noch Teil der Sowjetunion waren, bestimmte Moskau. Die Landwirtschaft war König und die Kraftwerke in Tadschikistan spielten bloss die zweite Geige: Das Wasser wurde im Sommer talwärts geschickt. Als Ausgleich erhielt Tadschikistan von seinen Nachbarn billige fossile Brennstoffe zum Heizen.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 schauten beide Länder zuerst für sich. Tadschikistan schickte im Winter viel Wasser durch die Stromturbinen und nach Usbekistan, es wollte sogar neue Staudämme bauen. Vor einigen Jahren drohte der damalige usbekische Präsident Islom Karimov deswegen – etwas verhüllt zwar – mit Krieg.
Die Lage ist noch komplizierter. Es gibt in der Region nämlich noch drei weitere Länder, die zur Sowjetzeit ins zentrale Wassermanagement eingebunden waren: Kirgistan, Kasachstan und Turkmenistan. Nach 1991 stellten auch sie ihre eigenen Bedürfnisse voran.
Schweiz leistet Entwicklungshilfe
Die Schweiz betreibt seit über 20 Jahren Entwicklungshilfe in der Region. Sie will ihr grosses Wasser-Knowhow einfliessen lassen.
Zudem gibt es Verbindungen zu Zentralasien: Die Schweiz vertritt diese Länder in der Weltbank. Und sie ist immerhin der grösste Exportmarkt Usbekistans – der Grund dafür ist Gold, das die Schweiz von dort importiert.
Der Klimawandel verschärft die Lage
Trotz grosser Konkurrenz ums Wasser und trotz Drohungen kam es in der Region bisher nicht zum Krieg. Die Staaten wursteln sich irgendwie durch. Wie lange noch?
«Wir erwarten, dass sich die Situation mit dem sich ändernden Klima verschärfen wird», sagt André Wehrli von der Deza, der Entwicklungsagentur des Bundes. Darum will die Schweiz mit dem «Blue Peace»-Programm den Regierungen helfen, Wasserkonflikte durch Verhandlungen zu entschärfen.
Keine leichte Aufgabe für die Schweizer
Die Schweizer haben zum Beispiel die Regierungen Zentralasiens davon überzeugt, ein Forum einzurichten, in dem sie sich informell austauschen können. Keine Selbstverständlichkeit in dieser Region, das brauchte intensive diplomatische Arbeit.
Gleichzeitig baut die Deza ein Netzwerk von jungen Wasserexperten auf. In einer Kultur, die noch von sowjetischem Zentralismus geprägt ist, kommen sie bisher kaum zu Wort – müssen aber in der Zukunft die Probleme lösen.
Viel Beratung, wenig Erfolg
Das «Blue Peace»-Projekt tritt ein schweres Erbe an: Verschiedenste Organisationen versuchen seit über zwei Jahrzehnten, die zentralasiatischen Länder zum sparsameren Umgang mit Wasser und zu mehr Zusammenarbeit zu ermuntern. Die Erfolgsbilanz ist mager.
Ein geflügeltes Wort in Zentralasien bringt es auf den Punkt: Hätte jeder Berater, der dem sterbenden Aralsee helfen wollte, auch nur ein Glas Wasser zum See mitgebracht – das Gewässer wäre längst gerettet.
Projekte in einzelnen Ländern
Auch die Schweiz hat einige Wasserprojekte in der Region durchgeführt, einige sollten die Kooperation unter den Ländern fördern. Mittlerweile ist die Mehrzahl der Projekte wieder auf einzelne Länder beschränkt.
«Wir haben gemerkt, dass manche Ansätze nicht funktionieren», sagt André Wehrli von der Deza. Zum Beispiel wollte ein Deza-Projekt ein Wasser-Informationssystem für die ganze Region aufbauen. Aber die einzelnen Länder waren dazu nicht bereit: Die meisten Daten zum Einsatz von Wasser sind geheim, das Thema ist zu wichtig für die Länder.
Unmögliches wird plötzlich möglich
Seit anderthalb Jahren ist nun aber doch einiges in Bewegung gekommen. Im Herbst 2016 starb der langjährige usbekische Präsident Islom Karimov.
Er hatte sein Land mit eiserner Faust regiert und behandelte auch die Nachbarn Usbekistans auf diese Art. Sein Nachfolger, Shavkat Mirziyoyev, agiert nun viel weniger aggressiv. Schnell kam es zu Gesprächen mit den Nachbarländern. Plötzlich scheint Unmögliches möglich.
Zusammenarbeit beim Staudamm Rogun?
Zum Beispiel spricht die usbekische Regierung mit den tadschikischen Nachbarn über die Möglichkeit, beim Bau dessen riesigen Staudamms von Rogun zusammenzuarbeiten. Diese Anlage war es, die den Ex-Präsidenten Karimov zu den Kriegsdrohungen veranlasst hatte.
Eine spektakuläre Kehrtwende, die Fragen aufwirft: Wie viel kann ausländische Hilfe à la «Blue Peace» ausrichten, wenn sich die Dinge trotz solcher Bemühungen jahrzehntelang nur wenig verändern – ein Präsidentenwechsel für einen Neuanfang aber genügt?
Fehlendes Knowhow für Wasserabkommen
Am Wandel von Usbekistans Aussenpolitik habe die Wasserdiplomatie der Schweiz keinen Anteil gehabt, sagt André Wehrli von der Deza. Aber die Gesprächsbereitschaft garantiere nicht, dass sich in Realität etwas verändere. Den Ländern fehle das Knowhow, um allein Wasserabkommen abschliessen zu können.
«Wir können die Länder auf solche Verhandlungen vorbereiten, indem wir ihnen zeigen, was Zusammenarbeit bedeutet: Es ist ein Geben und Nehmen, und es braucht die Suche nach einem akzeptablen Kompromiss für alle», sagt André Wehrli.
Der Senegal-Fluss als Vorbild
Diesen Frühling hat die Deza für Wasserexperten der verschiedenen Regierungen einen Besuch in Westafrika organisiert. Dort verwalten vier Länder seit mehreren Jahrzehnten gemeinsam den Senegal-Fluss. Sie haben zusammen zwei Staudämme gebaut. Diese Kooperation gilt international als leuchtendes Beispiel.
Vohidjon Ahmadjonov vom usbekischen Wasserministerium war auf der Exkursion dabei. Er sagt: «Das ist sehr eindrücklich. Wir sollten bei uns ähnlich handeln, dann liessen sich die Probleme besser lösen.»
Die Anfänge scheinen gemacht.