Internationale Erdölkonzerne suchen seit Jahren im Mittelmeer nach Erdöl. Vor allem die Region rund um die Balearen, eine ökologisch sensible Zone, ist gefragt.
Doch gibt es Widerstand: Unter der neuen sozialistischen Regierung Spaniens wurde in der fraglichen Region eine Schutzzone für Meeressäugetiere eingerichtet.
Carlos Bravo gehört zum Bündnis «Alianza Mar Blava», das sich für die Schutzzone einsetzte, und erzählt von den Schwierigkeiten, gegen internationale Ölkonzerne vorzugehen.
SRF: Mit welchen Argumenten tritt die Organisation «Alianza Mar Blava» an, um neue Erdölexplorationen zu verhindern?
Carlos Bravo: Neue Erdöllager hätten Folgen für die Umwelt und für die Ökologie des Meeres. Es geht uns aber auch um die Küsten, um die Strände – und damit sind wir beim zentralen Thema Tourismus.
Erinnern Sie sich an die Katastrophe der Deep Water Horizon im Golf von Mexiko? Wenn so etwas hier passieren würde, wären unsere Strände und damit die ganze Infrastruktur des Tourismus auf Jahrzehnte hinaus zerstört. Das hätte ökologische und schwerwiegende wirtschaftliche Folgen.
Aber die Umwelt wird ja auch schon geschädigt, bevor die Bohrinseln stehen.
Genau, bei der Erkundung, beim Auffinden der möglichen Erdöllager arbeiten die Firmen mit sogenannten Schallkanonen. Das sind potente, laute Schallkanonen, mit denen der Meeresuntergrund und was darunterliegt ausgehorcht werden soll.
Alle Lebewesen, die in den Bereich dieser grausam lauten Schallwellen geraten, werden gesundheitlich schwer geschädigt: Delfine, Wale, Meeresschildkröten, Fische, auch das Plankton. Schon hier haben wir es mit inakzeptablen Folgen zu tun.
Ganz zu schweigen von dem, was danach kommt: die Probebohrungen, die Förderung und der Transport finden in einer ökologisch sehr sensiblen Zone statt.
Jüngst gab es Diskussionen um «Medsalt», ein Projekt, bei dem es um die Erforschung von Salzvorkommen ging.
Die Ölindustrie hat in den letzten Jahren ihre Strategie geändert. Früher sagten sie offen, an welchen Orten sie Öl fördern möchten. Als sie gemerkt haben, dass die Oppositon zu stark ist, änderten sie ihre Taktik.
Sie versuchten herauszufinden, wo es Erdöl gibt, um später ihre Absichten hinter einem wissenschaftlichen Projekt zu verbergen. Beim Projekt «Medsalt» etwa ist das der Fall.
Angeblich soll es den beteiligten Firmen um Salz gehen. Das stimmt aber nicht. Wir haben Dokumente, die beweisen, dass es um Öl geht. Die Erdölindustrie ist im diesem Projekt mit insgesamt sieben Firmen vertreten.
Welche Haltung vertritt die spanische Regierung?
Im Juni dieses Jahres kam es zu einem Regierungswechsel. Die konservative Regierung unter Mariano Rajoy wurde vom Sozialisten Pedro Sanchez abgelöst, und dieser Wechsel hat alles verändert.
Unter der Regierung Rajoy wurde die Förderung von Öl und Gas überall vorangetrieben, auf dem Land und unter der Meeresoberfläche. Unter Pedro Sanchez gibt es jetzt einen klaren Kurs gegen die Exploration und die Förderung von Erdöl und Erdgas.
Das ist wichtig für uns, denn wir möchten einen Gesetzesentwurf durchbringen, der vom Parlament der Balearen ausgearbeitet wurde. Darin soll die Exploration und die Förderung von Erdöl und Erdgas in allen spanischen Hoheitsgewässern generell untersagt werden.
Ihnen geht es vor allem um die Umwelt. Aber es gibt ja auch das Argument des Klimaschutzes.
Die internationale Energieagentur hat errechnet, dass wir zwei Drittel aller bereits bekannten Erdölreserven im Boden lassen müssen. Nur so können wir das 2-Grad-Ziel erreichen, also keine Erwärmung des Klimas um mehr als 2 Grad.
Wir kämpfen nun schon drei Jahren.
Es ist also unsinnig, neue Erdöllager explorieren zu wollen, wenn wir wissen, dass die bereits bekannten nur zu einem Drittel ausgenutzt werden können.
Es ist unsinnig, die Umwelt und die Wirtschaft einer ganzen Region aufs Spiel zu setzen, nur um die Gewinnmargen einiger Erdölfirmen zu steigern.
Die spanische Regierung hat kürzlich die Zone zwischen den Balearen und dem Festland zu einer Schutzzone für Meeressäugetiere eingerichtet – was verändert das?
Wir haben seit drei Jahren für diese Schutzzone gekämpft, sie umfasst mehr als 50’000 Quadratkilometer. Das bedeutet, dass alle Projekte, die jetzt noch hängig sind, definitiv vom Tisch sind. Auch das Projekt «Medsalt».
Das Gespräch führte Christoph Keller.