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Qualifizierte Verlierer Wie gewinnt man trotz Exzellenz keinen Nobelpreis?

Die Wissenschaftsnobelpreise teilen die Forscher der Welt in Gewinner und Verlierer. Die Vergabekriterien sind fragwürdig.

Wer einen Nobelpreis in Medizin, Physik oder Chemie erhält, gehört zum wissenschaftlichen Hochadel. Wer trotz Spitzenforschung leer ausgeht, sollte dies nicht persönlich nehmen, sagt Nils Hansson. Der Medizin-Historiker hat das Nobelpreisarchiv in Stockholm nach Quellen zu den Verlierern durchforstet.

Nils Hansson

Historiker

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Dr. Nils Hansson forscht an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf im Institut für Geschichte, Theorie und Medizin. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Geschichte des Nobelpreises, Krieg und Medizin sowie die Geschichte der Chirurgie und der Eugenik.

SRF: Ihr Interesse liegt nicht bei den Nobelpreis-Gewinnern, sondern bei jenen Forschenden, die den Preis nicht erhalten. Sie sprechen von den «qualifizierten Verlierern». Wer muss sich dazu zählen?

Nils Hansson: Qualifizierte Verlierer sind Wissenschaftler, die über viele Jahre hinweg mehrmals für den Nobelpreis nominiert werden, aber jedes Mal leer ausgehen. Mich interessieren die Mechanismen hinter diesem Phänomen. Wie kommt es, dass man trotz herausragender Forschung nicht gewählt wird?

Welche Antworten haben Sie gefunden?

Das «falsche» Geschlecht und eine «falsche» Herkunft sind die wichtigsten Kriterien, um keinen Nobelpreis zu erhalten. Im Nobelpreisarchiv in Stockholm gibt es viele Daten über die Gewinner, aber wenige über diejenigen, die den Preis letztlich doch nicht bekommen haben.

Leisten viele Forscher im selben Gebiet Bahnbrechendes, gehen meist alle leer aus.

Wenn man sich nun die Gewinner anschaut, fällt auf, dass vor allem Europäer und US-Forscher mit dem Preis ausgezeichnet werden. Zudem sind die Frauen unterrepräsentiert.

So haben in der über 100-jährigen Geschichte des Preises bisher lediglich zwölf Frauen den Medizin-Nobelpreis erhalten. In den Sparten Physik und Chemie sind es seit diesem Jahr drei beziehungsweise fünf Frauen.

Nobelpreisgewinnerin Donna Strickland in ihrem Labor.
Legende: Sie ist nach Marie Curie und Maria Goeppert-Mayer die dritte Frau mit einem Nobelpreis in Physik: Donna Strickland. Keystone / Warren Toda

Gibt es weitere Faktoren, die Forschende zu Verlierern machen können?

Zum Beispiel das «falsche» Forschungsgebiet. Beim Medizinnobelpreis etwa werden Forscher bevorzugt, die im Labor Grundlagenforschung betreiben. Mediziner, die ebenso erfolgreich klinische Forschung mit Patienten durchführen, bekommen den Nobelpreis jedoch nur selten.

Ein weiteres Problem ist, wenn sehr viele Forscher gleichzeitig im selben Gebiet Bahnbrechendes leisten. Dann gehen in der Regel alle leer aus. In den 1940er- und 50er-Jahren wurden beispielsweise sehr viele Herzchirurgen nominiert.

Das Nobelpreiskomitee konnte sich ob all der Vorschläge nicht für zwei oder drei entscheiden und folglich wurde niemand aus diesem boomenden Bereich mit dem Preis geehrt.

Die NobelpreisgewinnerInnen von 2018

Wo haben Sie weitere Gründe gefunden?

Wenn preiswürdige Forscher zu Verlierern werden, wurden sie meist schlecht verkauft. Schaut man sich die Nominierungen der nicht Gewählten an, stellt man oft fest: Da sind die Nominatoren schuld.

Nicht das Lebenswerk wird geehrt, sondern eine spezifische bahnbrechende Entdeckung.

Das Nobelkomitee lädt jedes Jahr mehrere Hundert Forscher ein, Kollegen zu nominieren. Viele Nominatoren fokussieren dann in ihrer Empfehlung nicht auf eine Entdeckung, sondern auf mehrere Errungenschaften oder gar die ganze Forschungskarriere.

Es ist aber gerade der Kern des Nobelpreises, dass eine spezifische bahnbrechende Entdeckung belohnt werden soll. Für sein Lebenswerk bekommt man keinen Nobelpreis.

In Anbetracht all dieser Faktoren: Was muss sich ändern?

Die Nobelstiftung in Stockholm geht ja offensiv mit dieser Kritik um. Vor ein paar Wochen hat die Stiftung kommuniziert, man wolle künftig mehr Frauen unter den Nominatoren haben.

Zudem hat das Gremium die Nominatoren aufgefordert, bei ihren Vorschlägen auch an Forscherinnen zu denken. Die Stiftung bemüht sich auch, den Preis internationaler zu machen und die Bevorzugung von Europäern und US-Amerikanern damit abzubauen.

Was ist mit der vorgeschriebenen Anzahl der Gewinner?

Dieses Problem bleibt. Die Wissenschaftsnobelpreise dürfen pro Sparte jeweils an höchstens drei Personen vergeben werden. Die Jurys müssen also aus meist riesigen Forschungsteams zwei, drei Köpfe auswählen.

Das ist schon seit vielen Jahren ein Kritikpunkt. Forschung wird heute nicht mehr von Einzelnen betrieben. Entdeckungen basieren meist auf der Arbeit Vieler.

Während beim Friedensnobelpreis ganze Teams ausgezeichnet werden dürfen, hält das Nobel-Komitee bei den Preisen für Medizin, Physik und Chemie immer noch an dieser Beschränkung fest. Das ist ein grosses Problem und wird in den kommenden Jahren für Diskussionen sorgen.

Das Gespräch führte Katharina Bochsler.

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