Zum Inhalt springen

Header

Inhalt

Technik Das gerechte Smartphone

Handys sind nicht mehr wegzudenken. Aber viele beschleicht ein ungutes Gefühl: Stecken da nicht Rohstoffe drin aus Bürgerkriegsgebieten? Auch schlechte Arbeitsbedingungen in chinesischen Montagefabriken waren schon oft Thema. Viel tun konnte man bisher nicht. Die Firma Fairphone will dies ändern.

Am Anfang dieser Geschichte steht das schlechte Gewissen des Bas van Abel. Um ihm zu entrinnen, engagierte sich der Holländer in einer Aufklärungskampagne, die über die Probleme bei der Herstellung von Handys aufklärte. Doch dann wurde ihm bewusst, dass die Konsumenten gar keine Wahl hatten: Es gab nämlich gar kein gerechtes Gerät zu kaufen.

So gründete van Abel Fairphone – und merkte: Eine gerechte Alternative zu bauen, ist kaum möglich, wie Gabriel Sebastian, der Marketingleiter des Start-ups, erzählt: «Man muss unheimlich viele Probleme lösen. Zu viele für eine kleine Firma wie uns.» Darum habe sich Fairphone vorgenommen, Schritt für Schritt vorzugehen, statt das Unmögliche zu versuchen und die ganze Branche auf einen Schlag zu verändern.

Metalle aus umkämpften Kriegsgebieten

Um ein faires Handy zu bauen, müsse man vier Aspekte berücksichtigen, sagt Sebastian: Die Rohstoffe müssten aus guten Quellen stammen, der Zusammenbau des Geräts unter guten Arbeitsbedingungen stattfinden, und auch die Bedürfnisse von Umwelt und Käufer müssten berücksichtigt werden.

Ein Arbeiter der Shinkolobwe-Kobaltmine im Kongo auf dem Weg zum Einsatz.
Legende: Prekäre Arbeitsumgebung: Ein Arbeiter der Shinkolobwe-Kobaltmine im Kongo auf dem Weg zum Einsatz. Keystone

An manchen Rohmaterialien, die Handys enthalten, klebt Blut. Rund 30 Metalle stecken in jedem Smartphone – und manche davon, wie Tantal oder Kobalt gibt es im Kongo, wo in Teilen des Landes ein Bürgerkrieg herrscht. Viele Milizen beschaffen sich ihr Geld in den Minen.

Ungeahnte Folgen beim Rohstoff-Kauf

Darum beziehen viele Elektronikfirmen die Rohstoffe nun anderswo. Vor allem auch, weil ein Gesetz der USA sie dazu verpflichtet, nachzuweisen, dass die verwendeten Rohstoffe nicht die Kriegskasse von Rebellen füllen. Für Gabriel Sebastian ist dieser Defacto-Boykott Kongos keine Lösung: «Einfach nicht mehr dort einzukaufen, ist die einfachste Massnahme. Aber dann verlieren die Minenarbeiter ihre Jobs.» Und dies in einem Land, das von einem Bürgerkrieg heimgesucht werde. Unter diesen Umständen bliebe vielen Arbeitern als Alternative nur, selbst bei den Milizen anzuheuern.

Fairphone hat stattdessen Minen im Kongo gesucht, die nicht von den Rebellen kontrolliert werden. Doch selbst dann ist das reine Gewissen nicht garantiert: Zum Beispiel arbeiten in vielen Minen Kinder. Für viele Familien sei dieses Einkommen lebensnotwendig, sagt Sebastian. Fairphone baue zwar Projekte auf, die Arbeit und Schule ermöglichen – aber man könne niemanden zwingen, dieses Angebot anzunehmen.

Montage – auch ein ethisches Problem

Johanna Kusch von der NGO Germanwatch setzt sich mit dem Umgang von Unternehmen mit Gerechtigkeit auseinander. Sie bewertet den Ansatz positiv, die Arbeitsbedingungen schrittweise zu verbessern: «Wenn man das mit einer Initiative wie Fairphone ein Stück weit ermöglicht, dann würde ich das unterstützen. Auch wenn man nach wie vor auf Probleme stösst.»

Ein faires Handy – keine einfache Sache also. Selbst wenn alle 30 Metalle darin fair wären – Fairphone ist aktuell mit vier soweit –, ist man nicht am Ziel. Auch beim Zusammenbau hapert es. Vielen dürften noch die Schlagzeilen um die miserablen Arbeitsbedingungen bei den chinesischen Fabrikanten des iPhones im Gedächtnis sein. Auch diesen Problemen weicht Fairphone nicht aus; die Firma lässt in China produzieren. Aber statt billigster Konditionen verlangt sie bessere Arbeitsbedingungen, sagt Marketingleiter Gabriel Sebastian.

Schon 10'000 potentielle Käufer

Über 10'000 Interessenten für ein Fairphone haben sich auf der Website der Firma registriert. Ab Mai können sie das Handy bestellen, danach wird es in China hergestellt. Ganze zwei Tage lang wird der Auftrag die Fabrik beschäftigen: Fairphone ist ein kleiner Fisch, aber gerade das sieht Gabriel Sebastian als Chance: «Wir sind klein und beweglich und können alles von Grund auf ausprobieren. Grosse Firmen möchten zwar gerechtere Handys anbieten, aber sie sind unflexibel und scheuen das Risiko, ihre Prozesse umzukrempeln.»

Ob die Grossen dank dem Beispiel des Kleinen irgendwann handeln werden, bleibt offen. Aber zumindest wird eine längst fällige Debatte angestossen, indem Fairphone zeigt, wie schwierig es ist, gerechte Handys herzustellen, sagt Johanna Kusch von Germanwatch: «Das zeigt der Öffentlichkeit: viele Leute wollen zwar ein Fairphone haben, aber es bringt auch in die Öffentlichkeit: oh, das ist schwieriger als gedacht – wir brauchen noch mehr Unterstützung.»

Interesse bei grossen Herstellern

Einige grosse Telekom-Anbieter überlegen sich ein Engagement. So werden 1000 der ersten Fairphones in den Läden des niederländischen Netzbetreibers KPN zu kaufen sein. Auch Vodafone zeigt sich interessiert – schreckt aber noch zurück, weil ihm ein Detail am Fairphone missfällt, das die Crew um Gabriel Sebastian und Bas van Abel als gerechtes Zeichen gegenüber den Konsumenten ins Telefon einbauen will: Es soll zwei Steckplätze für Sim-Karten geben, damit die Nutzer frei in der Wahl des Netzanbieters sind und damit sie für den Büro- und Privatgebrauch nur ein Gerät benötigen. Das spart Kosten und schont die Umwelt.

Meistgelesene Artikel