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Technik Der Segen aus dem Tal des Teufels

Vielleicht sprudelt doch noch heisses Wasser aus dem St.Galler Geothermie-Bohrloch. Jüngste Tests lassen hoffen – doch Geothermie-Strom ist in der Schweiz noch eine Vision. Ganz anders weiter südlich: Italien zapft diese saubere Energie einfach an – frei von Erdbeben und schon seit 100 Jahren.

Das älteste Geothermiekraftwerk der Welt liegt in der Toscana: in Larderello, rund 70 Kilometer südlich von Pisa. Nicht von ungefähr heisst die Gegend «Valle del Diavolo», zu deutsch: «Tal des Teufels». Glühend-heisses Magma dringt hier nah an die Erdoberfläche. In der sanft-hügeligen Landschaft blubbern heisse Quellen, und zuweilen schiessen Dampffontänen in die Höhe, auf italienisch «Soffioni».

Heute sind die meisten «Soffioni» allerdings angezapft. Der Dampf steigt stattdessen aus Kühltürmen in die Höhe und fliesst in Pipelines durch die Landschaft – von einem Geothermie-Kraftwerk zum anderen.

Beginn mit fünf Glühbirnen

Die Gegend von Larderello ist heute Italiens Hotspot für Geothermiestrom. Begonnen hat diese Entwicklung vor rund hundert Jahren mit einem Versuch von Prinz Piero Ginori Conti. Der Spross einer florentinischen Adelsfamilie leitete die Chemiewerke von Larderello, die aus dem heissen Thermalwasser der Region Borsäure gewannen.

1904 versuchte der Chemiedirektor etwas Neues: Er nutzte den Dampf aus der Tiefe, um einen kleinen Dynamo anzutreiben und brachte so fünf Glühbirnen zum Leuchten. Auf diesen Erfolg im Kleinen folgte der Bau des ersten Geothermie-Kraftwerks der Region. 1913 lieferte es erstmals Geothermiestrom an die öffentlichen Netze der Umgebung. Seine Leistung war mit 250 Kilowattstunden immerhin etwa so gross wie heute die Leistung eines grösseren Windrads in der Schweiz.

Die Kühltürme rings um Larderello gehören nicht zu AKWs, sondern zu Geothermie-Kraftwerken.
Legende: Geothermie als Branche: Die Kühltürme rings um Larderello gehören nicht zu AKWs, sondern zu Geothermie-Kraftwerken. Wikipedia / Janericloebe

Strom für ein Viertel der Toskana

Mit den Jahren wurden die Geothermie-Anlagen in und um Larderello ausgebaut. Aus immer mehr und immer tieferen Dampfbohrstätten, heute teils über 4000 Meter tief, holte man zusätzliche Energie aus dem Boden. Seit den 60er-Jahren betreibt Italiens grösster Stromversorger Enel die Geothermie-Anlagen im «Valle del Diavolo». Und seit den 80er-Jahren geschieht die Dampfförderung laut der Tochterfirma «Enel Green Power» nachhaltig, Das bedeutet: Ein Teil des verdampften Wassers wird wieder zurück in den Boden gepumpt.

Heute stehen 34 Geothermie-Kraftwerke in Larderello und drei weiteren Fördergebieten in den Provinzen Pisa, Siena und Grosseto. Sie produzieren etwas Heizenergie, doch vor allem Elektrizität. Dieser Geothermie-Strom reicht für zwei Millionen Haushalte, was einem Viertel des Strombedarfs in der Toscana entspricht.

Andere Förderung als in der Schweiz

Die heisse Energie aus dem Tal des Teufels wurde also zum Segen für Italien – gerade weil der Untergrund heisser ist als anderswo. Probleme mit Geothermie-Beben sind in Italien nicht bekannt. Hier sind die meisten Bohrlöcher schliesslich deutlich weniger tief als in nicht-vulkanischen Ländern wie der Schweiz.

Deshalb müssen die Ingenieure im toskanischen Untergrund – anders als in der Schweiz – auch kein heisses Wasser aus dem Boden pumpen, um es später in den Kraftwerksturbinen zu verdampfen. Sondern sie erhalten den extrem heissen Dampf direkt aus dem Bohrloch – was viel effizienter ist.

Des Teufels Pferdefuss

Italien ist heute Europas grösster Produzent von Geothermiestrom. Dennoch bleibt diese Energie auch im Land des Ätna und Stromboli beschränkt. Damit sich die Förderung von Geothermiestrom nämlich wirtschaftlich lohnt, muss der Untergrund über dem Magma eine ganz bestimmte Kombination von wasserdurchlässigen und -undurchlässigen Gesteinsschichten aufweisen. Und diese besondere Geologie findet sich auch nach hundert Jahren nur in der Toscana.

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