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Digitale Revolution Verändern Quantencomputer unser Leben?

Wir sind noch kaum im digitalen Zeitalter, schon kommt die nächste Revolution: Verändert der Quantencomputer unser Leben?

Wir sind noch kaum im digitalen Zeitalter angelangt, da kommt eine völlig neue Computergeneration auf uns zu, der Quantencomputer. Er funktioniert nach den speziellen Gesetzen der kleinsten Teilchen und kann theoretisch so viel Informationsmengen gleichzeitig bearbeiten, dass ein klassischer Computer dafür mehr Bits haben müsste, als es Atome im Universum gibt.

Was das bedeutet? Ein Quantenphysiker und eine Programmiererin von Quantencomputern geben Einblicke in eine Welt, die die Grenzen der Vorstellungskraft überschreiten.

Meine Hoffnung: Quantencomputer können Dinge berechnen, an denen heute die besten Supercomputer scheitern.
Autor: Elisa Bäumer Quanteninformatikerin

Elisa Bäumer

Quanteninformatikerin

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Die 29-Jährige ist eine der wenigen, die wirklich verstehen, wie man einen Quantencomputer programmiert. Sie promovierte in Quanteninformationstheorie an der ETH. Heute forscht sie bei IBM in Zürich an den Algorithmen, die die Quantencomputer überhaupt erst funktionstüchtig machen. Daneben organisiert sie Workshops und Hackathons für Forscherinnen, Programmierer, Studentinnen und Schüler.

«Die Quantenwelt ist total kontraintuitiv zu allem, was wir sonst kennen – die Naturgesetze, die dort gelten, erleben wir in unserem Alltag nicht. Aber ihre Schönheit ist, dass wir diese Welt mathematisch ausdrücken können.

Das macht sie zwar für viele Menschen unzugänglich – gleichzeitig könnten dadurch eines Tages praktische Anwendungen für unseren Alltag möglich werden.

Kleine Einführung in die Welt der Quanten

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SRF Wissen: Renato Renner, worum handelt es sich bei Quanten?

Renato Renner: Ein «Quant» an sich gibt es nicht. Das Wort kommt von «quantisieren». Dinge können nicht beliebig zerstückelt werden. Stattdessen erreicht man irgendwann eine kleinste Einheit, die nicht mehr teilbar ist. Es gibt also kein Kontinuum.

Nehmen wir als Beispiel Licht. Man könnte denken, dass man Licht beliebig schwächer machen kann, indem man zum Beispiel einen Raum immer mehr abdunkelt. Aber irgendwann erreichen wir eine kleinste Einheit. Dann ist entweder diese minimale Einheit, das «Quantum» an Licht, da, oder eben gar nichts. Dazwischen gibt es nichts. Dieses Konzept bildet die Grundlage für das Verständnis aller physikalischen Objekte dieser Welt.

Ist das nicht die Chemie?

Chemiker lernen: Wenn ich Wasserstoff und Sauerstoff zusammenbringe, gibt es eine bestimmte Reaktion. Dieses Wissen reicht bereits, um interessante Experimente durchzuführen. Möchte man jedoch wissen, wieso genau diese Reaktion stattfindet, benötigt es die Quantenphysik. Ein Quantenphysiker erforscht also die Naturgesetze, auf denen die Chemie basiert. Was passiert auf Ebene der atomaren und subatomaren Teilchen? All diese Fragen führen am Ende immer zur Quantenphysik. Sie liefert die letzte Antwort auf all diese Fragen.

In der Quantenwelt herrschen ganz eigene physikalische Gesetze – worin unterscheiden sie sich von unserer Alltagswelt?

Das Wichtigste: Obwohl diese Gesetze allem zugrunde liegen, haben sie keine Analogie in unserer vertrauten Welt – wir können sie nur mathematisch beschreiben. Dafür müssen wir unsere gelernten Vorstellungen von der Welt ablegen. Es ist, als würden wir als Kind in eine Welt mit anderen Gesetzen geboren. Unsere Vorstellungen sind letztlich geprägt von unseren Alltagserfahrungen. Würden wir in einer Welt aufwachsen, in der alles schwerelos ist, so wäre zum Beispiel die Schwerkraft ähnlich rätselhaft wie die Quantenphysik. Wir wären wohl sehr erstaunt darüber, dass Dinge herunterfallen können.

Konkreter?

Betrachten wir das berühmte Doppelspaltexperiment. Dort wird ein Teilchen auf eine Wand geschossen, die zwei kleine Spalten hat, und man erforscht, durch welches der Spalten das Teilchen geht. Doch dann findet man heraus: Es geht weder durch den einen noch durch den anderen Spalt, sondern in einer Art Überlagerung – man spricht von Superposition – durch beide. Aber auch hier gilt, dass es keine Analogie in unserer vertrauten Welt gibt, welches dieses Phänomen gut fasst. Die Vorstellung, dass es durch beide Spalten ging, ist also auch nicht wirklich korrekt. Das Teilchen weiss am Ende einfach irgendwie von der Existenz von beiden Spalten.

Für den Quantencomputer ist das Prinizip der Überlagerung entscheidend...

Dank dieses Prinzips, dass ein Atom in einer Überlagerung von zwei Zuständen sein kann, kann ein Quantencomputer eine viel grössere Anzahl von Zuständen gleichzeitig erforschen und Probleme lösen, die ein herkömmlicher Computer niemals lösen könnte.

Immer wieder stolpere ich dabei über die Hoffnung, dass die Quantentechnologie uns den grossen Traum der Teleportation erlauben wird, weil kleinste Teilchen auf der subatomaren Ebene diese Eigenart haben, dass sie sich miteinander verschränken können.

Menschen teleportieren? Leider nicht.
Autor: Elisa Bäumer Quanteninformatikerin

Wenn ich zwei miteinander verschränkte Photonen habe, also Lichtteilchen – eins hier und eins auf dem Mond –, dann verändert das Photon auf dem Mond seinen Zustand, sobald ich den Zustand des Photons auf der Erde ändere.

Durch dieses Phänomen können tatsächlich Quantenzustände teleportiert werden, auch für die Zukunft der Verschlüsselungstechnologie ist das enorm wichtig. Aber Menschen zu teleportieren? Leider nicht. Mit makroskopischen Objekten funktioniert das nicht.

Auf dem Bild ist eine Quantenteleportation zu sehen.
Legende: Quantenteleportation auf den Kanaren: 2012 übertrug ein Team um Nobelpreisträger Anton Zeilinger verschränkte Quantenzustände über 143 Kilometer von La Palma nach Teneriffa. IQOQI / VIENNA

Ich muss hier auch mal richtigstellen, dass der Quantencomputer ja nicht alles schneller machen wird, sondern nur für bestimmte Arten von Problemen einen Vorteil bieten kann. Er wird also nie den klassischen Computer ersetzen.

Viel eher werden wir hybrid arbeiten: Wir werden zum Beispiel etwas auf einem klassischen Laptop berechnen und dann wird ein Teil des Programms via Cloud auf einen Quantencomputer geschickt, weil dieser dort schneller berechnet werden kann. Das Ergebnis läuft dann wieder auf meinen Laptop, wo ich damit weiterarbeiten kann.

Beschleunigte Navigation

Die Routenoptimierung ist so ein klassisches Beispiel: Um mir den schnellsten, nachhaltigsten, ruhigsten Weg noch schneller zu finden, wird meine App vielleicht einst auf einen Quantencomputer zurückgreifen. Der würde dann eben nicht einen Weg nach dem anderen analysieren, wie das heute passiert, sondern er würde alle Routen gleichzeitig durchgehen, wodurch er viel schneller ist. Als Anwenderin werde ich das gar nicht merken.

Aber das ist Zukunftsmusik. Woran ich derzeit vor allem forsche, ist, überhaupt Algorithmen zu entwickeln, die auf Quantencomputern laufen können. Ich entwickele zum Beispiel Algorithmen, die die Fehleranfälligkeit der Hardware herausrechnen. Unsere Computer laufen bei vier bis 15 Millikelvin – das ist kurz über dem absoluten Nullpunkt, also sehr, sehr kalt.

Schon durch die allerkleinste Temperaturschwankung wird das System instabil und es entstehen Rechenfehler. Unser Ziel umschreiben wir mit dem Label «Quantum Advantage» – dass die Quantencomputer einst Sachen schneller, genauer oder energieeffizienter berechnen können, als es selbst auf den leistungsfähigsten klassischen Computern möglich wäre.

Programmcode
Legende: Kryptisch? Das ist der Code, der einer Quantenteleportation zugrunde liegt. Die Basis: Qiskit, eine Python-basierte Programmiersprache. IBM, Elisa Bäumer

Aber so wichtig die Gesetze der Quantenphysik für diese Berechnungen sind – unser Weltbild wird das nicht verändern. Mir wurde durch das Physikstudium klar, dass wir von der Welt nicht so viel verstehen.

Alles, was wir tun können, um sie besser zu verstehen, ist, Modelle zu entwickeln – die aber immer eine Vereinfachung sind. Und leider wird uns auch der Quantencomputer nicht die Weltformel ausspucken.»

Ein Quantencomputer könnte unsere komplette Wirtschaft zusammenbrechen lassen.
Autor: Renato Renner Quantenphysiker

Renato Renner

Quantenphysiker

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Der Professor für theoretische Physik an der ETH Zürich ist einer der führenden Köpfe der Schweizer Quantenforschung. Neben der Quantenmechanik ist eines seiner Hauptforschungsgebiete die Quantenkryptografie – mit dem Ziel Verfahren zu finden, dass unsere Daten auch im Zeitalter der Quantentechnologie sicher bleiben.


«Die derzeit am besten vorhersagbare Anwendung eines Quantencomputers ist leider auch die grösste Gefahr:  Er könnte die meisten der heute verwendeten Verschlüsselungsmethoden brechen. Das wäre eine Revolution – leider im negativen Sinn.

Das ganze Geld ist heute elektronisch, alle Banken wären unsicher. Wenn das zu plötzlich passiert, würde unsere komplette Wirtschaft zusammenbrechen.

Wie gross die Gefahr tatsächlich ist, hängt davon ab, wie schnell es einen wirklich grossen Quantencomputer geben wird – der schneller mehr Kombinationen durchrechnen kann, als wir es uns heute vorstellen können. Ich rede hier von einer Leistungsstärke von einer Million Qubits – derzeit sind wir bei 433 Qubits.

Nehmen wir an, China schaffe es in zehn Jahren, diesen Computer zu bauen – und das ist nicht unrealistisch – dann könnten sie von dem Tag an jegliche verschlüsselte Information weltweit lesen.

Auch alles, was in der Vergangenheit verschlüsselt wurde. E-Banking, Krankenakten – alles würde offen liegen. Der erste potente Quantencomputer wird also die Kryptografie nutzlos machen, die wir heute haben.

Eine Möglichkeit, dem zu begegnen, ist ein Verschlüsselungsprogramm zu entwickeln, das selbst auf der Quantentechnologie beruht. Daran arbeiten wir mit Hochdruck, auch hier an der ETH – in der Quantenkryptografie sind wir in der Schweiz führend.

Wir könnten mal eben selbst ein Röntgenbild erstellen, um zu schauen, ob noch alles in Ordnung ist.
Autor: Renato Renner Quantenphysiker

Aber es sind auch positive Seiten vorhersehbar: Die Quantentechnologie ist nicht nur gut, um neuartige Computer zu bauen, sondern auch andere Dinge, wie zum Beispiel Sensoren. So ist denkbar, dass wir einst Sensoren haben, die eine medizinische Revolution auslösen. Ein Beispiel?

Heute ist es mit Aufwand und Strahlenbelastung verbunden, jemanden zu röntgen. Aber mit neuartigen Sensoren wäre es möglich, jeden Tag mal eben selbst ein Röntgenbild von sich zu erstellen, um zu schauen, ob noch alles in Ordnung ist.

Vielleicht hat man dafür ein kleines Gerät zu Hause – die Quantentechnologie wäre in den Sensoren drin. Auch daran wird schon geforscht, denn Messen ist etwas, worin die Quantentechnologie extrem gut ist.

Wir haben nur ein Problem: Die Software existiert noch nicht.
Autor: Renato Renner Quantenphysiker

Daneben liegen auch im Computing grosse Chancen: Es gibt viele Prozesse, bei denen wir extrem viel ausprobieren müssen, um dann mit Glück die Lösung zu finden. Ein Quantencomputer hingegen könnte die Lösung ohne Ausprobieren finden und das Ergebnis direkt liefern: Welches ist beispielsweise das beste aerodynamische Design eines Autos?

Das müssten wir nicht mehr ausprobieren in einem Windkanal oder mit einer Simulation. Der Quantencomputer liefert uns die Antwort innert kürzester Zeit. Hier liegt enormes Potenzial. Wir haben nur ein Problem: Die Software existiert noch nicht.

Ein klassischer Computer führt Befehle aus – das sind alles Dinge, die wir rein theoretisch auch selbst von Hand tun könnten. Hingegen beim Quantencomputer geben wir einer Maschine Befehle, die wir nicht selbst erledigen könnten und für die wir viel weniger Intuition haben.

Wir brauchen Leute, die das können – die müssen sowohl Informatik als auch Quantenphysik sehr gut verstehen. Von diesen Leuten gibt es derzeit noch sehr wenige. Doch ohne sie wird der beste Quantencomputer keinen grossen Nutzen haben.

Wer weiss, zum Schluss programmiert vielleicht die KI einen Quantencomputer.
Autor: Renato Renner Quantenphysiker

Hier könnte das Zusammenspiel mit einer anderen Schlüsseltechnologie spannend werden: mit der Künstlichen Intelligenz. Wer weiss, zum Schluss programmiert vielleicht die Künstliche Intelligenz einen Quantencomputer, weil wir Menschen doch zu wenig Intuition haben.

Das wahre Potenzial des Quantencomputers können wir erst nutzen, wenn wir verstehen, wie wir ihn wirklich clever programmieren. Ich bin überzeugt, dass wir das irgendwann schaffen. Aber ich würde nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, dass wir bereits in den nächsten Jahrzehnten mit einem Quantencomputer Dinge tun können, die absolut revolutionär sind.»

Redaktioneller Hinweis

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Dieser Artikel wurde 2023 erstmals publiziert und aus Anlass der SRF Themenwoche «KI und wir» aktualisiert.

SRF 1, Einstein, 26.01.2023, 21:05 Uhr

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