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Genschere CRISPR Ein mächtiges Werkzeug, das «Tippfehler» im Erbgut korrigiert

Mit der Genschere CRISPR wollen ETH-Forscher bestimmte Erbkrankheiten heilen. Bei Mäusen funktioniert die Methode schon.

Lukas Villiger klickt sich durch die Ablage auf seinem Computer. Es erscheint ein wildes Gewirr aus Schleifen und Spiralen auf dem Bildschirm. Wie ein Knäuel gebrauchtes Geschenkband sieht das aus.

Das also ist eine «Genschere». Mit ihr hat sich Lukas Villiger, Doktorand am Institut für molekulare Gesundheitswissenschaften an der ETH Zürich, die letzten drei Jahre intensiv beschäftigt.

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Die Genschere CRISPR/Cas9 in Aktion
aus Wissenschaftsmagazin vom 13.10.2018. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 7 Minuten 26 Sekunden.

Er ist nicht der Einzige: «Es gibt weltweit so viele Labore und Menschen, die mit diesem Protein arbeiten – ich finde das super spannend.»

Den Bakterien abgeschaut

CRISPR/Cas – wie die Genschere-Methode heisst – verwenden Forschende, um Erbgut zu «reparieren».

So funktioniert die «Genschere»

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CRISPR/Cas9 ist eine einfache Methode, mit der Forscher das Erbgut beliebig verändern können. Die Methode schauten sich Forschende von bestimmten Bakterien ab. Wenn diese Bakterien von einem Virus befallen werden, benutzen sie ein Protein namens Cas, um sich davor zu schützen.

Das Cas-Protein schneidet das Erbgut der Bakterien an bestimmten Stellen auseinander und baut sie anschliessend mit Hilfe eines neuen DNA-Flickens wieder zusammen. Das Viren-Erbgut wird dadurch unschädlich gemacht und die Infektion ist abgewehrt.

2012 entdeckten Forschende, dass sie diesen Reparatur-Mechanismus auf sehr einfache Art und Weise auch ausserhalb von Bakterienzellen einsetzen können. Seither lassen sich die Gene und ihre Funktionen so einfach untersuchen wie nie zuvor.

Das Akronym CRISPR steht übrigens für «Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats».

Lukas Villiger arbeitet bereits mit einer weiterentwickelten Version von CRISPR: «Bei unserer Version schneidet das Cas-Protein die DNA nicht mehr auseinander, sondern entwindet den Doppelstrang der DNA an einer bestimmten Stelle. Dort werden dann einzelne DNA-Bausteine ausgetauscht.»

«Tippfehler» im Genom korrigieren

Der Übername «Genschere» stimmt für diese verfeinerte CRISPR-Methode also nicht mehr: Statt die DNA auseinanderzuschneiden, ändert sie gezielt DNA-Bausteine ­– korrigiert also quasi «Tippfehler» im genetischen Code.

Solche Tippfehler können weitreichende Konsequenzen haben. Verschiedene Erbkrankheiten beruhen auf einem einzigen falschen Buchstaben.

Die Erbkrankheit Phenylketonurie

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Phenylketonurie ist eine Erbkrankheit, bei der ein Stoffwechselschritt in der Leber nicht mehr richtig funktioniert. Als Folge davon reichert sich im Blut Phenylalanin an. Das stört die geistige Entwicklung von Neugeborenen und kann zu Epilepsie führen.

In der Schweiz kommt etwa eines von 8'000 Kindern mit dieser Krankheit zur Welt. In Schweizer Spitälern werden Neugeborene auf Phenylketonurie getestet. Ist der Befund positiv, müssen sich Betroffene ein Leben lang speziell ernähren.

Ein Beispiel ist Phenylketonurie, bei der ein Stoffwechselschritt in der Leber nicht mehr richtig funktioniert. Die Krankheit wird von nur einem Tippfehler im Erbgut der Leberzellen verursacht.

Diesen will Lukas Villiger korrigieren. Dafür braucht er zum einen die genetische Bauanleitung für das verfeinerte CRISPR-Werkzeug. Und zum anderen eine Art «DNA-Adresszettel», die dem CRISPR-Werkzeug den genauen Ort angibt, wo es das Erbgut korrigieren soll.

Virus als trojanisches Pferd

Aber wie gelangen die CRISPR-Anleitung und die DNA-Adresse in die Leberzellen? Die Lösung dafür lagert tiefgekühlt bei minus 80 Grad Celsius im Raum nebenan.

Eine mit einer Eisschicht überzogene Schubladenbox
Legende: Im Labor-Kühlschrank werden die Viren bei minus 80 Grad gelagert. SRF

Lukas Villiger öffnet den Tiefkühler und zieht eine Schublade heraus: «Hier drin sind die Viren, mit denen ich arbeite. Sie befallen besonders gern die Zellen in der Leber – und sind drum ein gutes Vehikel, um meine Anleitung einzuschmuggeln.»

Villiger packt die genetische Anleitung in diese Viren und spritzt sie Mäusen, die an einer Mäuse-Form von Phenylketonurie leiden.

Erfolgreiche Versuche mit Mäusen

Und tatsächlich, der Versuch hat Erfolg: «Schon nach vier bis fünf Wochen geht die Menge des schädlichen Stoffwechselproduktes bei den Mäusen zurück.»

Vom Prinzip her funktioniert die CRISPR-Therapie also – zumindest bei Mäusen. Bevor die Therapie aber beim Menschen getestet wird, müssen Villiger und sein Chef, der Mikrobiologe Gerald Schwank, sicher sein, dass die Methode präzise ist.

«Wenn das verfeinerte CRISPR-Werkzeug unerwünschte Veränderungen im Erbgut hervorruft, die zu Tumoren führen, wäre das ein grosses Problem», erklärt Gerald Schwank.

Und dennoch: Gerade jene Erbkrankheiten, die auf einem einzigen «Tippfehler» im Erbgut basieren, sind ein besonders vielversprechendes Anwendungsgebiet für CRISPR.

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