«Kluge Köpfe schützen sich.» Der Slogan hat sich auf den Skipisten augenscheinlich durchgesetzt: Behelmte Köpfe dominieren das Bild. Doch der gefühlte Schutz überwiegt den tatsächlichen je nachdem bei weitem.
Schutz mit Grenzen
Auf der Notfallstation des Inselspitals Bern landen viele Opfer von Schneesportunfällen. Chefarzt Aristomenis Exadaktylos hat festgestellt, dass die hohe Helmtrage-Quote keinen Einfluss auf die schweren Verletzungen hat. Schwere Hirnerschütterungen oder Hirnblutungen sind weiterhin ein Thema.
«Studien zeigen, dass ein Helm bei leichten, mittleren und mittelschweren Unfällen sehr wohl nützt.» Bei schweren Unfällen aber – etwa bei hoher Geschwindigkeit und Aufschlag auf Eis oder Felsen – sieht das anders aus. Da kommen andere Faktoren zum Tragen.
Problematische Drehbeschleunigung
Ein weiteres Problemfeld: Drehimpulse, denen der Kopf bei einem Sturz ausgesetzt ist. Othmar Brügger von der Beratungsstelle für Unfallverhütung erklärt, warum: «Bei einer schnellen Rotation wird das Gehirn mitbeschleunigt. Das kann zu Verletzungen mit sehr schwerwiegenden, langwierigen Folgen führen.»
Bei Velohelmen soll eine neue Technologie davor besser schützen: MIPS, das «Multi Directional Impact Protection System». Es hat dieses Jahr auch bei den Skihelmen Einzug gehalten.
Bewegliche Innenschale
Der verbesserte Schutz beruht auf einer beweglichen Innenschale, die die Rotationsbewegung aufnimmt.
Testingenieur Patrick Isler von der DTC Dynamic Test Center AG erklärt: «Trägt man einen MIPS-Helm, bildet das bewegliche System quasi eine zweite Haut zwischen Kopf und Helm. Bei einem Unfall werden die entstehenden Rotationsimpulse nicht direkt auf den Kopf übertragen. Stattdessen kann sich der Helm um den Kopf herum bewegen.» Dadurch wird weniger Drehbewegung auf den Kopf übertragen, was das Verletzungsrisiko beim Unfall verringert.
Die Technologie wurde nun erstmals in der Schweiz unter Laborbedingungen getestet. Dabei wurde ein Aufprall des Kopfs auf eine schräge Fläche simuliert, wie er auch bei einem realen Sturz vorkommt. Was von blossem Auge kaum sichtbar ist, wird von den Messungen belegt: Bei MIPS wirken tatsächlich geringere Kräfte auf Kopf und Hals.
Patrick Islers Fazit: «Mit einer MIPS-Einlage im Helm ist das Verletzungsrisiko fürs Gehirn bis zu 16 Prozent kleiner als ohne.»
Lohnenswerte Investition
Da noch keine repräsentative Anzahl MIPS-Skihelm-Modelle auf dem Markt verfügbar ist, wurden die Tests nur an Velohelmen vorgenommen.
Die Ergebnisse lassen sich grundsätzlich auf Skihelme übertragen. Welche Schneesport-Verletzungen dank MIPS in welchem Mass reduziert werden, weiss man allerdings noch nicht.
Die Beratungsstelle für Unfallverhütung findet dennoch, dass die Technologie den Aufpreis wert ist. «Das ist ein substanzieller Beitrag zur Risikoreduktion», ist Othmar Brügger überzeugt. «Mir sind nicht viele andere Massnahmen bekannt, die ein Risiko im Sport um 16 Prozent vermindern können.»