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Roboter in der Landwirtschaft Wenn der Traktor von alleine fährt

Roboter sollen die Landwirtschaft revolutionieren. Doch die Äcker und Felder erweisen sich als schwieriges Terrain.

Florian Gut schiebt das Tor seiner Scheune auf und ein grosser, ganz normaler grüner Traktor taucht vor mir auf – so scheint es auf den ersten Blick. «Von aussen sieht man nicht viel», gibt Florian Gut zu und deutet auf das Dach des Traktors. Dort oben sitzt eine grün-gelbe Box, etwa so gross wie eine Schuhschachtel.

«Dieses Teil empfängt mit zwei Antennen die GPS-Standortangaben», erklärt der Landwirt. «Das Besondere daran ist, dass es die Position auf zwei Zentimeter genau erkennt.» Das gelingt, weil die GPS-Angabe durch das lokale Handynetz verfeinert wird.

Ein Traktor, auf dem Dach ist eine grün-gelbe GPS-Box mit zwei Antennen montiert.
Legende: Die grün-gelbe Box auf dem Traktordach empfängt Positionsangaben via GPS und Handynetz und kann die Position des Fahrzeugs so auf zwei Zentimeter genau orten. SRF / Cathrin Caprez

Unscheinbarer Helfer

Florian Gut ist gelernter Landmaschinenmechaniker und hat vor einigen Jahren den Hof seiner Eltern übernommen: 35 Hektaren Land im Zürcher Weinland, wo er nebst Wein auch Kartoffeln, Zuckerrüben und Mais anbaut.

Ich bin hier, um mir Florian Guts neuste Errungenschaft anzuschauen, in die er zusammen mit einem Kollegen investiert hat: «Parallelfahrsystem» heisst die unspektakuläre Box auf dem Traktordach mit dazugehörigem Rechner und Bildschirm in der Führerkabine.

Sechs Tonnen auf zwei Zentimeter genau

Florian Gut führt mir gleich vor, wie dieses System funktioniert. Er fährt den Traktor aus der Scheune, ich klettere in die Führerkabine hoch – und Florian Gut fragt mich: «Wollen Sie fahren?»

Diese Gelegenheit will ich mir nicht entgehen lassen. Zu meiner Überraschung ist es überhaupt nicht schwierig, das sechs Tonnen schwere Gerät über den schmalen Feldweg zu steuern.

Sparsam dank Präzision

Doch dann drückt Florian Gut einen Knopf seitlich am Lenkrad und deutet mir, das Lenkrad loszulassen. Ein Steuerungsmotor, gekoppelt mit dem Empfänger auf dem Dach des Traktors, übernimmt das Lenken. Auf dem Bildschirm neben mir erscheinen die im System gespeicherten Fahrspuren.

Blick aus dem inneren eines computerassistierten Traktors. Man sieht einen kleinen Bildschirm, auf dem digital die Spuren zu sehen sind, denen der Traktor automatisch folgt.
Legende: Der Traktor folgt automatisch den gespeicherten Fahrspuren. So lässt sich ein Feld sehr effizient bearbeiten. SRF / Cathrin Caprez

Das Parallelfahrsystem lenkt den Traktor nun mit hoher Genauigkeit entlang dieser Spuren. Florian Gut kann sein Feld dadurch effizienter bearbeiten. Er legt eine Fahrspur ganz genau neben die nächste. Mit einem normal gesteuerten Traktor hingegen arbeiten die Bauern mit Überlappungen, damit auf dem Feld auch sicher jede Fläche bearbeitet wird.

Mit Bedacht in die Zukunft

«Das System spart Benzin, Saatgut, Pestizide – und ich steige abends weniger müde vom Traktor», sagt Florian Gut. Zusammen mit seinem Kollegen Mathias Nägeli denkt er bereits weiter: Sie planen den Kauf einer Einzelkornsämaschine, die ganz genau aussäen kann.

Diese Maschine, in Kombination mit einem automatischen Hackgerät, könnte ihnen bis zu 60 Prozent an Pestiziden einsparen. Das spart Geld und schont die Umwelt.

Zwei Männer und ein Hund stehen auf einem Feld.
Legende: Nicht alle haben den Mut und die Geduld, eine neue Technik auszuprobieren. Zu zweit ist es aber einfacher: Florian Gut und Mathias Nägeli. SRF / Cathrin Caprez

Dennoch: Jede Anschaffung will genau überlegt sein. Im Milchkuhstall stehen Roboter bereits auf vielfältige Art und Weise im Einsatz. Sie melken, misten und füttern. Auf den Feldern und Äckern hingegen sieht es anders aus.

Zwar tüfteln Hochschulen und Start-ups an Jätrobotern mit Solarantrieb, an Drohnen mit automatischer Bilderkennung, an Sensoren, die automatisch den Nährstoffbedarf von Pflanzen erkennen – wirklich marktreif und bezahlbar ist bis heute aber kaum etwas davon.

Die wachsamen Blicke der Berufskollegen

27'000 Franken haben die beiden Bauern in die neue Anschaffung investiert. Bei der Inbetriebnahme und Einarbeitung unterstützt sie der Kanton Zürich mit einem Ressourcenprogramm.

Neben dem finanziellen Risiko gibt es noch einen anderen Stolperstein: die wachsamen Blicke der Berufskollegen. «Es braucht jeweils Mut, eine neue Technik auszuprobieren. Wenn die sich nicht als gut erweist, ist man halt der Loser», sagt Mathias Nägeli.

Und so sind sich Florian Gut und Mathias Nägeli nicht nur gegenseitig Stellvertretung – auch gegen allfällige Sticheleien der Kollegen seien sie zu zweit besser gerüstet.

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