«Meissel frei» schallte es heute durch die frühe Morgenluft, dann wurde in St. Gallen die seit Monaten vorbereitete und mit Spannung erwartete Bohrung nach heissem Wasser begonnen. Wenn alles nach Plan läuft, soll dereinst ein Erdwärme-Kraftwerk die Hälfte der Häuser in der Stadt umweltfreundlich versorgen – mit Erdwärme aus dem Sittertobel. Ausserdem soll das Kraftwerk Strom produzieren.
In einer Tiefe von 4000 bis 5000 Metern erwarten die Geologen eine Gesteinsschicht mit 140 Grad heissem Wasser. Gewissheit werden erst die nächsten Wochen bringen. 100 Tage wird es etwa dauern, bis die Tiefe von 4000 Metern erreicht wird. Dafür arbeitet die Mannschaft rund um die Uhr, sieben Tage die Woche, um die Kosten klein zu halten und die Sicherheit des Bohrlochs zu gewährleisten. Für den ersten Tag sind 50 Meter Vortrieb geplant.
Keine Erdbebengefahr
2006 hatte Basel Schlagzeilen geschrieben, weil Geothermiebohrungen wegen kleiner, aber spürbarer Erdbeben abgebrochen werden mussten. Ausgelöst wurden sie, weil undurchlässige Gesteinsschichten mit dem sogenannten Fracking aufgesprengt worden waren, um die Wasserdurchlässigkeit zu erhöhen. In St. Gallen soll dies laut Experten nicht passieren, da hier bereits bestehende wasserführende Gesteinsschicht angebohrt werden. Noch dazu hat der Schweizerische Erdbebendienst sechs neue Erdbeben-Messstellen in der Umgebung installiert.
Die Stadt setzt grosse Hoffnungen in dieses Pilotprojekt und in die Zukunft der natürlichen Wärme in der Region. 2010 hiessen die Stimmbürger mit grossem Mehr einen 160-Millionen-Kredit gut. Etwa die Hälfte davon kosten die Tiefenbohrung und der Bau des Geothermie-Kraftwerks. Mit ersten Resultaten wird Ende Juli gerechnet.