Noch vor einem Jahr wäre die Zerstörungsaktion in diesem Rahmen nicht möglich gewesen. Verfahren wie die Verbrennung von chemischen Kampfstoffen oder die Vernichtung per Hydrolyse (siehe Box unten) gibt es schon seit vielen Jahren, doch noch nie zerstörte man chemische Kampfstoffe auf einem fahrenden Frachtschiff. Normalerweise findet die Vernichtung immer dort statt, wo die Waffen lagern oder hergestellt wurden – auf festem Boden und in spezialisierten Fabriken.
Doch in Syrien ist alles anders. Die äusserst schwierige Situation im Bürgerkriegsland zwang die UNO-Mission, neue Wege zu gehen. Wegen des Krieges gibt es keine Möglichkeit die Vernichtung in Syrien voran zu treiben und kein anderes Land ist bereit, die Kampfstoffe aus Syrien aufzunehmen.
Den Amerikanern ist es zu verdanken, dass man jetzt die Kampfstoffe des Assad-Regimes auf der «Cape Ray» in internationalen Gewässern neutralisieren kann. Sie entwickelten im Frühling 2013 in kürzester Zeit das erste mobile Hydrolyse-System. Gebaut wurde es am Edgewood Chemical Biological Center im Bundesstaat Maryland.
Keine Erfahrung
Bei der Operation auf dem Schiff sind die Spezialisten besonders gefordert, denn auf hoher See bestehen nicht die gleichen Voraussetzungen wie in einer Fabrik. Zwar wurde das fünf Millionen teure Hydrolyse-System schon mehrmals an Land auf Herz und Nieren getestet, doch mit den Bedingungen auf dem offenen Meer hat man noch keine Erfahrung.
Was, wenn schlechte Wetterbedingungen herrschen und hohe Wellen für unruhige Gewässer sorgen? Der Kapitän des 200 Meter langen Schiffes, Rick Jordan, sagte an eine Pressekonferenz: «Am Schiff sind Stabilisatoren montiert, die wir bei unruhiger See ausfahren können. Zudem habe ich kein festgelegtes Ziel.» Theoretisch kann er sich dort aufhalten, wo gute Wetterbedingungen herrschen – und falls es trotzdem Probleme gibt, kann die Mannschaft den Zerstörungsprozess jederzeit stoppen.
Massenweise Container
Es sind dann auch diese Zerstörungsprozesse, die die Crew vor logistische Herausforderungen stellt. Frank Kendall vom US-Verteidigungsministerium sagt: «Wir erwarten rund 700 Tonnen chemische Kampfstoffe. Die Kapazität des Schiffes reicht für diese Menge». Die Organisation für das Verbot von chemischen Waffen (OPCW) rechnet damit, dass aus den 700 Tonnen Kampfstoffe rund sechs Millionen Liter chemischer Abfall hervorgehen werde.
Die Industrieabfälle entstehen beim Zerstören des Kampfstoffes durch die Hydrolyse. Beim Prozess vervielfacht sich die Menge stark wie in der Grafik zu sehen ist. Die Crew muss die tonnenschweren Abfälle in Containern sammeln – und das alles auf einem Schiff mit engen Platzverhältnissen. Die Abfälle, die so genannten Hydrolysate, sollen später in Öfen für chemischen Sondermüll verbrannt und damit endgültig vernichtet werden – unter anderem vielleicht auch in der Schweiz .
Warten auf den Einsatz
Noch ankert die «Cape Ray» im amerikanischen Hafen von Norfolk. Wann der Befehl zum Auslaufen kommt ist nicht bekannt. Wenn dann die Mission startet, wird das spezielle Frachtschiff nach rund zehn Tagen im italienischen Hafen von Gioia Tauro erwartet. Dort ist vorgesehen, dass die Container mit den Kampfstoffen, die momentan aus Syrien geschafft werden, auf das amerikanische Schiff umzuladen.