«Am Anfang haben mich viele als Spinner bezeichnet» sagt Martin Stucki mit einem breiten Grinsen. In der Schweiz einen Helikopter zu bauen, stempelten viele als Hirngespinst ab. Doch Stucki liess sich nicht beirren und verfolgte konsequent seine Idee. Es war ein langer Weg mit vielen Hindernissen. Doch jetzt ist das Ziel in greifbarer Nähe: Im nächsten Jahr soll der erste Schweizer Helikopter an die Kunden ausgeliefert werden.
Skizzen von Helikoptern hat Martin Stucki bereits in der Sekundarschule gezeichnet. Endgültig vom Fliegervirus erfasst wurde er mit 20, als ihm seine Mutter zur bestandenen Lehrabschlussprüfung einen Schnupperflug schenkte. Noch bevor er in die Rekrutenschule einrückte, hatte er bereits die Privatpiloten-Lizenz erlangt. Und seiner Freundin legte er bald darauf die ersten Konstruktionspläne für einen eigenen Helikopter vor, denn Martin Stucki war überzeugt, man könne bessere Hubschrauber bauen. Mit besser meint er ökonomischer, ökologischer – vor allem aus leichteren Werkstoffen, beispielsweise aus Carbon und nicht aus Aluminium.
«Alle Experten rieten mir ab»
Der gelernte Maschinenmechaniker bildete sich am Technikum in Rapperswil zum Maschineningenieur weiter. 1997 gründete er dann seine eigene Firma: die Marenco Swisshelicopter AG. Als Firmensitz dient noch heute das Haus seiner Eltern in Pfäffikon, eine ehemalige Mosterei. Fünf Jahre später legte Stucki bei Venture, einer Start-up-Plattform von McKinsey und der ETH, einen Businessplan für den Bau eines Schweizer Helikopters vor. Die Reaktionen waren vernichtend: «Alle Experten rieten mir von diesem Vorhaben ab», erinnert sich Stucki, «doch ich machte weiter, ich war überzeugt von meiner Idee». Doch die Überzeugung alleine reichte nicht.
Er brauchte einen Investor. In der Schweiz sei es schwierig bis unmöglich, für visionäre Projekte Geld zu bekommen, so Stucki. Dass er bei Schweizer Investoren auf Ablehnung stiess, ärgert ihn noch heute. Alle klagten immer über Deindustrialisierung, aber niemand unterstütze ein konkretes Projekt. Sieben Jahre dauerte es, bis Martin Stucki einen Investor gefunden hatte, der ihn langfristig unterstützte. Mit um die 50 Millionen Franken schlugen die Entwicklungskosten zu Buche. Heute sind bei Marenco etwa 100 Personen mit der Entwicklung des Helikopters beschäftigt. Wenn er in Serie gehen wird, sollen es doppelt so viele Mitarbeiter sein.
Ein typisches Schweizer Produkt
Am Sitz in Pfäffikon arbeiten die Ingenieure an den Entwicklungsplänen und führen die technischen Berechnungen durch. Der Helikopter selbst wird im glarnerischen Möllis gebaut und auf dem dortigen Flugplatz getestet. Von aussen ist der Hangar unspektakulär, auch im Inneren ist nichts glamourös. Der Testhelikopter steht abgeschirmt hinter grauen Planen. Er ist mehr ein technisches Fluggerät, vollgestopft mit Messgeräten, als ein eleganter Hubschrauber.
Erst im hinteren Teil der Halle bekommt der Besucher eine Vorstellung, wie der erste Schweizer Helikopter tatsächlich aussehen wird: Hier steht das Modell. Über 100 Zulieferer sind an der Herstellung des Hightech-Helis beteiligt, der Anteil aus der Schweiz beträgt 80 Prozent. «Grosse Präzision, kleine Serien, hohe Wertschöpfung – ein typisch schweizerisches Produkt», sagt Stucki.
Der Hubschrauber aus Schweizer Produktion soll leiser sein als herkömmliche Modelle. Zum Konzept gehört ein grosser Laderaum und Sitze, die sich mit wenigen Handgriffen ein- und ausbauen lassen. Dazu kommen Sichtfenster im Boden. Ein Helikopter müsse vielseitig einsetzbar sein, sonst rentiere er nicht, erläutert Martin Stucki.
Bereits jetzt gibt es über 70 Kaufabsichtserklärungen. Kommerzielle Heli-Taxi-Anbieter gehörten genau so zu den Interessenten wie Charter- und Rundflugspezialisten oder Privatpersonen – Anfragen kämmen gleichermassen aus den USA, Europa und Asien. 3 Millionen Franken werden die Käufer für einen Swisshelicopter berappen müssen. Die Produktion soll mit zehn Maschinen pro Jahr starten, doch längerfristig rechnet Stucki mit 100 Helis pro Jahr.
Der Kampf mit der Bürokratie
Die ersten Testflüge im letzten Herbst verliefen zufriedenstellend – in einem Jahr sollen die ersten Hubschrauber ausgeliefert werden. Dass Marenco damit rund ein Jahr hinter dem ursprünglichen Zeitplan zurück liegt, hat laut Stucki vor allem mit den gesetzlichen Bestimmungen zu tun. «Ich habe mit einer grossen Bürokratie gerechnet, aber zum Teil wurden meine schlimmsten Befürchtungen noch übertroffen.»
Die behördlichen Auflagen, die damit verbundene Bürokratie und die daraus entstehenden Kosten bringen ihn teilweise an Grenzen. Und noch dazu hatte er mit dem riesigen Regelwerk der Agentur für Flugsicherheit (EASA) zu kämpfen. Das Schweizer Luftfahrtgesetz sei fünf Zentimeter dick, kritisiert er, aber seit letztem Oktober gelten in der Schweiz die Bestimmungen der EASA – und die füllen ausgedruckt mehrere Bundesordner. Doch einen Visionär wie Martin Stucki wird auch das nicht aufhalten.