Holzhäuser sind beliebt: Fast jedes fünfte Einfamilienhaus in der Schweiz besteht aus Holz. Und auch Mehrfamilienhäuser werden zunehmend mit diesem umweltfreundlichen nachwachsenden Rohstoff errichtet, seit im Jahr 2005 die Vorschriften für Holzbauten gelockert wurden. 2015 ist der gesetzliche Spielraum nochmals grösser geworden: Nun sind sogar Hochhäuser aus Holz erlaubt, denn die Holzbautechnik hat in letzter Zeit grosse Fortschritte gemacht.
Holz spielt eine tragende Rolle
Aktuellstes Beispiel für diesen Fortschritt ist das neu eingeweihte «House of Natural Resources» auf dem Campus Hönggerberg der ETH Zürich. Ein Hochhaus ist dieses Gebäude zwar nicht. Überhaupt sieht es von aussen eher unscheinbar aus – wie ein modernes Bürogebäude mit Glasfassade. Das Holz steckt im Innern; es riecht schon angenehm beim Eintreten. Zu sehen ist das Eschen- und Buchenholz in diesem Bau vor allem an den Decken, während die Böden mit Spannteppichen bedeckt und die Wände weiss gestrichen sind.
Auch wenn es nicht zu sehen ist, spielt Laubholz buchstäblich eine tragende Rolle: In allen Trag- und Stützelementen des Hauses steckt nämlich Buchen- und Eschenholz und damit Holz, das bisher kaum verbaut wird. Erstaunlicherweise, muss man sagen, denn das Holz der Buche, Esche oder Eiche gilt als hochwertig. Bisher wird es höchstens für Möbel und Parkett verwendet. Ansonsten werden Laubbäume verheizt oder einfach stehen gelassen. Andrea Frangi, Professor für Baustatik und Konstruktion an der ETH Zürich, erklärt, warum: «Laubholz ist sehr hart. Es ist daher viel schwieriger zu verarbeiten als das weiche Holz der Fichte beziehungsweise Rottanne, des Brotbaums im Baugewerbe.»
So stark wie Stahl und Beton
Es gibt also keine Tradition fürs Bauen mit Laubholz. Für ihren Neubau hat die ETH Zürich daher zusammen mit innovativen Holzfachleuten spezielle neue Techniken entwickelt. In den Versuchshallen und Labors auf dem Campus wurden diese Techniken auf Biegen und Brechen getestet. Dabei zeigte sich: Richtig verarbeitet ist Laubholz genauso stark wie Beton und Stahlträger. Genau darum gehe es auch beim Einsatz dieses neuen Baumaterials: «Laubholz soll nicht das Nadelholz verdrängen, sondern wir sehen es als Alternative für Stahl und Beton», erklärt Andrea Frangi.
Ganz ohne Beton ging es auch im «House of Natural Resources» nicht – doch steckt in diesem Haus nur rund 70 Prozent so viel Beton wie in einem normalen Massivbau. Das Laubholzhaus ist also viel ökologischer als eines aus Beton und Stahl. Und es könnte auch wirtschaftlich attraktiv werden. Davon geht nicht nur der ETH-Professor aus, sondern auch Stefan Vögtli von der Firma «Fagus Jura».
Erste grössere Laubholzfabrik
Das Schweizer Holzbau-Unternehmen hat die Kassettendecke des ETH-Baus geliefert. Stefan Vögtli und seine Mitarbeiter greifen auf langjährige Erfahrung in der Verarbeitung von Laubholz zurück. Bisher liessen sei dieses Holz in der einzigen Laubholzsägerei des Landes, im jurassischen Vendlincourt, zuschneiden und exportieren es dann oft – in Möbelfabriken nach China. Denn eine einheimische Möbelindustrie gibt es heute nicht mehr, und zum Bauen war Laubholz ja eben unattraktiv. Bisher.
Nun plant die «Fagus Jura», eine grössere Fabrik zu bauen, die mit den nötigen starken Maschinen Laubholz zum Bauen verarbeiten kann. Wichtige Investoren seien schon im Boot, so Stefan Vögtli. Ab kommendem Jahr soll die Fabrik jährlich Laubholz für ein paar hundert Bauherren liefern. Attraktiv sei das Bauen mit Laubholz zum Beispiel für mehrgeschossige Mehrfamilienhäuser und für Aufstockungen. Denn weil Laubholz hart und zugleich leicht ist, eignet es sich fürs Bauen in die Höhe.
Auch der Pilotbau auf dem ETH-Campus lässt sich gemäss seinen Konstrukteuren problemlos nach oben erweitern – auf gut und gern zehn Stockwerke. In solchen Dimensionen könnte das Gebäude dereinst auch von aussen zu einem Leuchtturm werden.