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Technik Gentech – die Hoffnung für Afrika?

Kann Gentechnologie armen Bauern im Süden helfen? Bis vor kurzem waren viele afrikanische Staaten skeptisch; nur im Pionierland Südafrika ist der breite Einsatz von manipuliertem Saatgut längst üblich. Profitiert haben allerdings vor allem Grossbauern – nicht aber die Kleinbauern.

Im Garten des Bauern Muzizegonia Ngema steht ein Schiffscontainer. Er ist verriegelt, denn was drin lagert, ist wertvoll: 30 Säcke gentechnisch verändertes Mais-Saatgut. Seit einigen Jahren bestellt Ngema sein Feld mit Gentech-Mais. Er agiert auch als Zwischenhändler und verkauft das Saatgut aus seinem Container an die übrigen Bauern in der Region von Hlabisa , einem strukturschwachen Marktflecken im östlichen Südafrika: kaum Jobs, aber eine hohe HIV-Rate.

Ngema ist Selbstversorger. Der Mais ist das wichtigste Lebensmittel für seine Familie. In Form frischer Kolben, verarbeitet zu weissem Brei oder süsslichem Brot, kommt er täglich auf den Tisch. «Der Gentech-Mais macht den Anbau für mich viel leichter», sagt der 72-jährige, «denn ich muss das Unkraut nicht mehr mühselig mit der Hacke entfernen, sondern spritze einfach Herbizide.»

Nicht mehr jäten zu müssen und dafür mehr Zeit zu haben, um Gemüse und Früchte anzubauen, ist für die – mehrheitlich sehr alten – Bauern in Hlabisa derart wichtig, dass sie bereit sind, das teure Saatgut zu kaufen. Dank einer bescheidenen Altersrente verfügen sie über ein wenig Geld, so dass sie sich das Saatgut knapp leisten können.

Gesinnungswandel bei der Gentechnik

Kann Gentechnik also den armen Bauern im Süden helfen? Ja, sagen die Befürworter der Technologie und hoffen, auch Skeptiker zu überzeugen. Im Fokus steht Afrika, wo weltweit prozentual die meisten Menschen leben, die an Mangelernährung leiden. Lange teilte der Kontinent die ablehnende Haltung der meisten europäischen Länder gegenüber der Gentechnik. Sambia und der Sudan wiesen während Hungerkrisen sogar Hilfslieferungen zurück, weil sie annahmen, dass diese Genfood enthielten.

Doch die Haltung ändert sich allmählich: Im Sudan und in Burkina Faso wächst gentechnisch veränderte Baumwolle, viele afrikanische Länder entwickeln eine Gentechnik-Gesetzgebung und Feldversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen sind im Gang. Ausserdem werden Gentech-Pflanzen spezifisch für Afrika entwickelt, darunter Bananen, Maniok und Sorghumhirse .

Südafrika als Pionierstaat

Kann der Kontinent mit dem grössten Hungerproblem und der ineffizientesten Landwirtschaft davon tatsächlich profitieren? In dieser Debatte blicken viele nach Südafrika. Das Land hat die am stärksten entwickelte Landwirtschaft auf dem Kontinent und ist ein Pionierland in Sachen Gentechnik.

Bereits 1998 wurde in Südafrika der erste Gentech-Mais ausgesät, und heute wachsen auf 85 bis 95 Prozent der jeweiligen Anbauflächen Mais, Soja und Baumwolle aus den Genlabors der multinationalen Agrokonzerne wie Monsanto oder Syngenta. Konventioneller Mais etwa wird kaum noch angebaut.

Grosse Gewinne – für Grossfarmer

Der grösste Teil der Ernte in Südafrika wird von wohlhabenden, zumeist weissen Grossbauern eingefahren. Sie haben von der Gentechnik stark profitiert. Laut Marnus Gouse, Ökonom an der Universität von Pretoria, haben sie seit 1998 rund eine Milliarde Dollar Gewinn gemacht: «Ihre Ernten sind höher, und die Bauern sparen Geld, weil ein Teil der Schädlingsbekämpfung wegfällt.»

Nicht profitiert haben hingegen die allermeisten der ein bis zwei Millionen schwarzen Kleinbauern im Land. Das Gentech-Saatgut ist in ihren Gegenden oft gar nicht erhältlich, genauso wenig wie anderes Hochleistungssaatgut.

Marketing von Monsanto

Der 72-jährige Ngema und die Bauern von Hlabisa sind die Ausnahme. Nicht ganz zufällig: In dieser Region hatte die US-Saatgutfirma Monsanto im Jahr 2001 für die Bauern Workshops zur Gentechnik durchgeführt und während einer Saison gratis Saatgut abgegeben.

Trotz dieser Werbekampagne dümpelte der Gentech-Anbau in Hlabisa lange vor sich hin. Noch im Jahr 2010 fand Marnus Gouse bei einer Erhebung nur gerade 60 Bauern, die auf Gentech setzten. Der Grund: Der schädlingsresistente Mais, sogenannter Bt-Mais, brachte den Bauern in Hlabisa zu wenig Vorteile. Und: Das Saatgut war in den lokalen Agro-Shops nicht erhältlich.

Erst seitdem der Schiffscontainer in Muzizegonia Ngemas Garten steht – organisiert von Monsanto und der regionalen Landwirtschaftsbehörde –, ist der Gentech-Anbau unter den Kleinbauern en vogue, auch wenn sie die Kosten für das Saatgut nun selbst tragen müssen. Vor allem der Herbizid-tolerante Ht-Mais ist beliebt.

Das Problem ist, dass sich die Mehrheit der Kleinbauer das Saatgut nicht leisten kann.
Autor: Marnus Gouse Ökonom
Ein Kind steht vor einem Behälter auf einer Wiese vor kleinen Häusern in Hlabisa in Südafrika,
Legende: Hlabisa, Südafrika – Arbeitskräfte sind knapp: Die Generation mittleren Alters ist oft auf Jobsuche in Städten. So bleiben häufig die Enkel mit den Grosseltern zurück. SRF

Für den Ökonomen Gouse sind die Kosten der springende Punkt, der darüber entscheiden wird, ob die Gentechnik nicht nur in Südafrika Fuss fassen wird. «Ich glaube, afrikanische Kleinbauern könnten prinzipiell von der Gentechnik profitieren», sagt er, «aber das Problem ist, dass sich die Mehrheit von ihnen das Saatgut nicht leisten kann. Es bräuchte dafür, zumindest anfänglich, Unterstützung durch die Regierungen.»

Das Ganze ist für Gouse ein Huhn-Ei-Problem: Ohne moderne Produktionsmethoden wie Dünger, Pestizide und Hochleistungssaatgut werden arme Bauern nie über das Subsistenz-Niveau herauskommen – also den Status als Selbstversorger, die fast nur für den Eigenbedarf produzieren.

Doch solange sie Subsistenz-Bauern sind, können sie sich all dies nicht leisten: «Damit die Entwicklung des Kontinents vorangeht, müssen wir aber die Leute aus der Subsistenz-Landwirtschaft herausbringen», so Gouse.

Gentechnik gegen Dürre

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Mais ist in Afrika ein wichtiges Grundnahrungsmittel. Doch er benötigt viel Wasser, das knapp ist. Nun entwickelt ein Konsortium einen Dürre-resistenten Gentech-Mais. Feldversuche zeigen, dass er mit weniger Wasser auskommt. Eine Zulassung ist frühestens 2017 zu erwarten, doch Länder entwickeln schon jetzt Gentechnik-Gesetze, um ihn zuzulassen.

Ungewisse Perspektive in Afrika

So sehr sich die Gentech-Diskussion bei uns um die vermeintlichen oder wahrhaftigen Risiken dreht, so sehr steht in Afrika die Frage im Zentrum, ob die Technologie etwas nützt. Für Gentechnik zu sein, bedeutet hier nicht unbedingt, gegen andere Anbauformen zu sein, etwa den biologischen Landbau: «Der Bauer soll wählen können», sagt etwa die Tansanierin Roshan Abdallah, die viele Jahre bei der Biosicherheitsbehörde arbeitete. «Der biologische Landbau hat auch seinen Platz in Tansania, aber es ist wie in Europa eher ein Nischenmarkt.»

In Tansania gelten zurzeit die strengsten Gesetze auf dem Kontinent: Jeder, der eine Gentech-Pflanze auf den Markt bringt, haftet für allfällige Folgeschäden. «Wir führten diese Regelung 2009 ein, weil wir Bedenken hatten wegen der Risiken für die Gesundheit, die Tiere und die Umwelt», sagt Abdallah. Doch heute sei in ihrem Land ein Umdenken im Gange, und sie hoffe, dass die Gentechnik in Tansania sowie in anderen Ländern Afrikas Einzug halte. Auch wenn die Technologie alleine keine Probleme löse.

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