Die Vision klingt bestechend: Öde Wüsten erblühen und bringen Tomaten und Gurken hervor, gleichzeitig wird klimaschädliches Kohlendioxidgas (CO2) aus der Atmosphäre entfernt und dazu noch Strom produziert. Dies alles wollen die Wissenschaftler und Manager des Sahara Forest Projects (SFP) erreichen. Sie nutzen dafür Technologien, die alle schon länger bekannt sind – aber noch nie zusammen in einem System verwendet wurden.
Wie die Anlage funktioniert
Im Golfstaat Katar, in der Mesaieed Industrial City, ist vor kurzem die erste Pilotanlage eröffnet worden. So funktioniert sie:
1. Gewächshaus: Meerwasser wird in porösen Wänden aus Karton verdunstet. Dies kühlt die heisse Wüstenluft im Gewächshaus, in dem Gemüse wie Tomaten und Gurken gezogen wird.
2. Sonnenwärmekraftwerk: Produziert Wärme und Elektrizität. Der Strom speist eine Entsalzungsanlage für Meerwasser. Das Süsswasser wird für die Pflanzen im Gewächshaus verwendet.
3. Algenzucht: Bevor das vom nahen Meer herangepumpte Salzwasser das Gewächshaus kühlt, werden darin Algen gezüchtet. Sie werden zu Biotreibstoff verarbeitet.
4. Wuchsbeet für Salz liebende Pflanzen: Sie werden mit dem Meerwasser gegossen. Der Rest des Wassers wird aufgefangen und zur Gewächshauskühlung weitergeleitet. Die Pflanzen dienen als Viehfutter.
5. Gekühlte Aussenbeete für Rucola, Gerste oder Gräser: Was nach der Kühlung des Gewächshauses an Meerwasser übrigbleibt, wird zur Kühlung dieser Aussenbeete verwendet. Das funktioniert nach demselben Prinzip.
6. Verdunstungsbecken: Hier landet der Rest des immer konzentrierteren Salzwassers. Die Sonnenwärme verdunstet alle Feuchtigkeit. Zurück bleibt Salz.
7. Büro- und Laborcontainer mit Fotovoltaikzellen zur Stromproduktion .
8. Die grösste Düngerfabrik der Welt: Hier wird aus Erdgas Harnstoff und Ammoniak hergestellt. Dabei fallen riesige Mengen an klimaschädlichem CO2 an. Statt das Treibhausgas in die Luft zu blasen, könnte es als Dünger für die Gewächshäuser verwendet werden. In der Pilotanlage wird dies allerdings noch nicht gemacht.
Noch ist das System nicht perfekt. In der Pilotanlage erforschen die Wissenschaftler zum Beispiel, welche Pflanzen am besten für die High-Tech-Oasen geeignet sind oder wie die verschiedenen Kreisläufe optimal aufeinander abgestimmt werden können.
Florian Kraxner vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse ist angetan vom Projekt in der Wüste Katars: «Eine beeindruckende Anlage – das Wichtigste ist, dass den Worten nun Taten gefolgt sind.» Denn Ideen, die Wüsten urbar zu machen, gibt es schon länger.
Neue Jobs in der Wüste
Ob der Ansatz des SFP im grösseren Massstab funktioniert, wird sich weisen müssen. Als nächstes plant die Organisation aus Norwegen eine erste grosse Anlage in Jordanien, am Rand des Roten Meers. Sie soll 20 Hektaren umfassen und würde etwa 50 bis 100 Millionen Franken kosten – eine teure Technologie.
Als Vision schweben Joakim Hauge, dem SFP-Chef, gar Anlagen von 4000 Hektaren vor – so gross wie der Kanton Basel-Stadt. Solche Gross-Oasen würden etwa 20'000 Jobs in der Wüste bieten, pro Jahr 190'000 Tonnen Tomaten und Melonen produzieren und etwa 50'000 Tonnen des Klimagases CO2 unschädlich machen.
Noch viele Fragen offen
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Doch bis dahin ist es ein weiter Weg, sagt der Systemforscher Florian Kraxner, der nicht an SFP beteiligt ist: Neben manchen technischen Problemen, die gelöst werden müssen, stellen sich auch gesellschaftliche und soziale Fragen: Viele Wüstengebiete liegen in politisch instabilen Ländern – es müssten sich erst Grossinvestoren finden lassen, die trotzdem bis zu dreistellige Millionenbeträge in die Begrünungs-Technologie investieren wollen.
Kraxner kann sich deshalb vorstellen, dass das Prinzip zuerst im trockenen Südspanien Fuss fassen könnte. Ein Gebiet, aus dem viel Gemüse in den Schweizer Läden stammt. Vielleicht essen wir also dereinst Tomaten und Melonen, die in Hightech-Oasen gezogen wurden.