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Technik Herschel geht in Rente

Herschel wird‘s zu warm. Das Weltraumteleskop hat all seine Kühlmittel aufgebraucht. Nun geht das Hightech-Gerät der europäischen Raumfahrtagentur ESA in Rente. Doch Astronomen und Kosmologen werden noch Jahre an der Auswertung der Daten arbeiten.

Herschel driftet ab. Bald schon verlässt das ausrangierte Weltraumobservatorium den Langrange-Punkt 2 (siehe Infobox), um künftigen Teleskopen Platz zu machen. In den vergangenen vier Jahren ist das Spiegelteleskop im Schatten der Erde um die Sonne gekreist und hat Sternengeburten beobachtet. Nun wird Herschel langsam Richtung Sonne schweben und sie dann wie ein kleiner Planet umkreisen.

Ein Fenster ins All – mit Tiefkühlung

Am Lagrange-Punkt 2:

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Das Herschel-Teleskop hat sich während seiner Mission am Lagrange-Punkt 2 (L2) aufgehalten. An diesem Punkt wirken die Kräfte von Sonne und Erde so auf das Teleskop, dass es synchron mit der Erde um die Sonne kreist. Auf diese Weise konnte Herschel bei konstanten Temperaturen und unverstellter Sicht aufs All arbeiten.

Ähnlich wie ein kosmisches Babyphon hat Herschel während seiner aktiven Zeit die Signale von Sternenwiegen zur Erde gesendet und damit den Astronomen und Kosmologen ein neues Fenster ins All geöffnet. Denn das super-sensible Hightech-Gerät der europäischen Raumfahrtagenur ESA ist das bisher einzige Weltraum-Observatorium, das seine Fühler im fernen Infrarot- und Submilliter-Bereich ausgestreckt hat. Ein Wellenbereich, der jene dichten kosmischen Wolken durchdringt, hinter denen neue Sterne und Planeten entstehen.

Damit Herschel die Wärmestrahlung dieser bitterkalten Orte überhaupt erkennen konnte, mussten seine eigenen Instrumente noch kälter sein. Mit 2‘300 Litern flüssigem Helium wurde Herschel in den vergangenen vier Jahren auf minus 272 Grad Celsius gekühlt. Seine Detektoren arbeiteten also bei einer Temperatur, die lediglich 1 Grad über dem absoluten Nullpunkt liegt.

Moleküle vorhergesagt – und gefunden

Nun sind Herschels Kühlmittel zu Ende – nicht aber die Mission. Denn die Daten des Weltraumteleskops werden die Wissenschaft noch über Jahre beschäftigen. Der am Herschel-Projekt beteiligte Astronom Arnold Benz von der ETH Zürich wird mit seiner Forschungsgruppe mindestens ein Jahr lang weiter Daten auswerten. Sein Team hat sich mit der Chemie in den Gebieten befasst, in denen Sterne entstehen.

Die Zürcher sagten zunächst mit Modellen die Existenz gewisser Moleküle voraus, wühlten sich dann durch Herschels Datenberg und suchten nach entsprechenden Signalen: «Wir haben zwar mit neuartigen Molekülen gerechnet, da in diesem Wellenbereich zuvor noch nie gemessen wurde», sagt Benz, «als wir dann aber an einem einzigen Tag gerade drei der von uns prognostizierten Moleküle entdeckten, war das wirklich ein einmaliger Höhepunkt. Wir haben den Champagner rausgeholt und gefestet.»

Rätselraten über die Sternenwiegen

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Das Herschel-Teleskop ist nach dem Astronomen Wilhelm Herschel benannt. Der britisch-deutsche Wissenschaftler entdeckte im 18. Jahrhundert die Infrarotstrahlung und errichtete die ersten, teils gigantischen Spiegelteleskope. Zusammen mit seiner Schwester Caroline Herschel entwickelte er die modernen mathematischen Grundlagen der Astronomie.

Entdeckt haben die Forschenden insbesondere auch ionisierte Moleküle – Moleküle also, die elektrisch geladen sind und unter starker Bestrahlung entstehen. «Wir haben vermutet, dass es im Bereich junger Sterne extreme Strahlung hat», so Benz. Aber dank Herschel haben wir jetzt tatsächlich den Beweis dafür. Wir haben zum Beispiel ionisiertes Wasser gefunden: H2O+. Solche ionisierten Moleküle sind chemisch extrem aktiv und reagieren schnell.»

Sternenwiegen und Planetenkinderstuben sind also äusserst bewegte Regionen. Doch die Forschenden verstehen noch immer nicht genau, was sich im Innern dieser dichten Gaswolken im Detail abspielt. «Da sind wir immer noch am Raten», sagt der emeritierte ETH-Astronom.

Die Beobachtungen schlüssig erklären

Die Zürcher hatten es insbesondere auf Wasser abgesehen. Wasser ist ein wichtiges Kühlmittel, damit sich Gaswolken zu Sternen zusammenziehen können. Arnold Benz und sein Team entdeckten Wasser in weit grösseren Mengen und in anderen Phasen der Sternentstehung als erwartet. «Wir waren sehr überrascht, dass es bereits sehr viel Wasser gibt – und zwar schon, bevor Sterne entstehen, und lange, bevor es Wasser auf der Erde gab.»

Nach der Publikations-Euphorie der ersten Herschel-Daten machen sich die Forschenden jetzt an die Knochenarbeit. Sie müssen Modelle erstellen, die erklären können, warum die beobachteten Moleküle – etwa Wasser, Kohlenmonoxid, Kohlendioxid, Ammoniak oder Methanol – in den vorgefundenen Mengen und in den beobachteten Mengenverhältnissen vorhanden sind. Diese Modelle sollen dereinst Rückschlüsse auf die physikalischen Vorgänge im Innern der kosmischen Kinderzimmer erlauben. Eine Chronologie der Ereignisse, die vor allem eines braucht: viel Zeit.

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