«Das ist unser Johnny. 1,50 Meter gross, 50 Kilo schwer.» Fast könnte man meinen, Alexander Stumpf spricht von einem normalen, nur etwas klein geratenen Mitglied seines Forscherteams. Doch Johnny ist ein Roboter – mit seinen zwei Füssen und den beiden Armen ein humanoides, also menschenähnliches Exemplar.
Die schwarz lackierten Metall-Gliedmassen und die beiden Kulleraugen im Kopf lassen den Roboter ein wenig wie ein Spielzeug aussehen. Im Moment hängt er in den Seilen, im wahrsten Sinne des Wortes. Denn um ihn zu montieren, haben ihn die Forscher der Technischen Universität Darmstadt an einem Gestell fixiert.
Webcam und Laserscanner zum «Sehen»
Alexander Stumpf zeigt auf Johnnys Gelenke: Sie sind mit Sensoren gespickt. Das gibt dem Roboter eine Rückmeldung, welche Kräfte an seinen Gliedmassen wirken – wichtig, damit seine Elektromotoren nicht zu stark zupacken. «Damit er sich orientieren kann, haben wir ihm eine Webcam und zwei Laserscanner eingebaut», sagt der Informatiker.
Stur geradeaus laufen kann Johnny recht flüssig, doch komplexere Bewegungen schafft er zumeist nur wie in Zeitlupe – das Erklimmen einer Stufe etwa oder das Aufstehen vom Boden. Da ist der Wettbewerb, für den Johnny derzeit fit gemacht wird, schon eine Herausforderung. Denn Alexander Stumpf gehört zu einem der 25 Teams, die beim Finale der «Darpa Robotics Challenge» antreten, dem grössten Wettbewerb seiner Art. Er wird von der Darpa veranstaltet, der Forschungsagentur der US-Militärs.
Ein Trümmerfeld wie nach Fukushima
Die Idee dafür kam durch eine Katastrophe zustande, das Reaktorunglück von Fukushima: «Hätte ein Roboter in das havarierte Atomkraftwerk eindringen können, hätte man die Kernschmelze wohl verhindern können», sagt Stumpf. «Das hat uns Wissenschaftler angespornt, an besseren Robotik-Lösungen zu arbeiten.»
Vor zwei Jahren startete der Wettbewerb mit Ausscheidungsrunden, bei denen gut 100 Konstrukteurteams antraten. 25 von ihnen erreichten das Finale und sehen sich ab dem 5. Juni in Kalifornien einer anspruchsvollen Aufgabe gegenüber. Ihre Roboter soll einen Parcours bewältigen, in dem es aussieht wie nach einem Erdbeben: eingestürzte Gebäudeteile, Trümmer und Schutt, nichts funktioniert.
Knifflige Aufgabe – und wenig Zeit
«Der Roboter wird ausserhalb der Industrieanlage abgesetzt und muss mit einem Fahrzeug dorthin fahren», erklärt der Darmstädter Forscher. «Dann soll er durch eine Tür gehen und einiges an Schutt wegräumen.» Im Wesentlichen muss Johnny selbstständig agieren. Nur sporadisch können die Forscher eingreifen und ihm per Funk Steuer- und Korrekturbefehle übermitteln.
Hat sich Johnny den Weg durch die Trümmer gebahnt, muss er mit einer Bohrmaschine ein Loch in eine Wand schneiden, um ein dahinter liegendes Ventil zu schliessen. Im Stockwerk darüber erwartet ihn eine Überraschungsaufgabe. Sie soll die Flexibilität der Software unter Beweis stellen.
Kooperation statt Konkurrenz
Nur eine Stunde hat der Roboter Zeit. Eine echte Herausforderung – inbesondere, wenn Johnny mal stolpern sollte und dann Minuten brauchen könnte, um wieder auf die Beine zu kommen.
Für den Gewinner gibt es zwei Millionen Dollar Preisgeld. «Dennoch herrscht keinerlei Konkurrenz», erzählt Stumpf. «Statt dessen tauschen sich die Teams bei solchen Wettbewerben rege aus, jeder hilft jedem.» Das klingt friedlich.Doch was ist mit dem militärischen Nutzen, den solche Maschinen irgendwann haben könnten? Immerhin wird der Wettbewerb vom US-Militär finanziert.
«Davon distanzieren uns klar», sagt Stumpf. «Unsere Forschung zielt ausschliesslich auf humanitäre Einsätze. Für Militärmissionen eignen sich unsere Systeme nicht, dazu wären sie viel zu leicht auszuschalten.»
Das will man gern glauben, wenn man den kleinen Johnny mit seinen Kulleraugen vor sich hat. Nur: Wohin die Entwicklung letztlich führen wird, kann heute kein Experte auch nur halbwegs sicher prophezeien.
Neugierig geworden? Weitere Informationen über das Finale der «Robotics Challenge» gibt es auf dieser Webseite.