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Kathrin Altwegg im Interview
Legende: Anlass zum Straheln: Kathrin Altwegg entwickelte das Massenspektrometer Rosina mit, das seit August auf der Rosetta wichtige Daten sammelt. SRF

Technik «Mein Ziel ist, mit Rosetta zusammen in Pension zu gehen»

18 Jahre lang hat Kathrin Altwegg die Kometen-Mission Rosetta begleitet. Denn mit an Bord der Raumsonde ist das Massenspektrometer Rosina, das sie mitentwickelt hat. Im Interview erzählt Altwegg, was das Projekt ihr bedeutet und warum sie und Rosina noch einen gemeinsamen Weg vor sich haben.

Im Jahr 2004 begab sich die Raumsonde Rosetta auf den Weg zum Kometen 67P/Churyumov–Gerasimenko, kurz Chury, um Daten über ihn zu sammeln. Als Teil der Mission entwickelte ein Team der Uni Bern unter Leitung von Kathrin Altwegg das Massenspektrometer Rosina. Seit August wird die Zusammensetzung des Kometen-Schweifes mithilfe der Rosina-Daten analysiert.

SRF: Frau Altwegg, Sie haben mal in einem Interview gesagt, Rosina sei wie ihr drittes Kind. Warum das?

Kathrin Altwegg: Ich habe so viel Energie in dieses Projekt gesteckt. Genau so, wie man das auch bei einem Kind macht. Rosina war 2004 sogar das erste meiner drei Kinder, das ausgeflogen ist. Dieses Abschied-Nehmen und Gehen-Lassen, das hab ich dann bei meinen beiden Töchtern auch erlebt. Und jetzt ist es sehr schön zu sehen, dass Rosina das macht, was man sich von ihr erhofft hat! Das ist wie bei einem wohlgeratenen Kind, auf das man stolz ist.

Das Projekt liefert tolle Ergebnisse, Sie sind bestimmt stolz. Gab es auch Krisen, die Sie durchstehen mussten?

Auf jeden Fall, wir hatten mehrere Tiefpunkte. Das Projekt war ein Auf und Ab. Die schlimmste Situation kam etwa ein halbes Jahr nach dem Start, als wir Rosina getestet haben. An diesen Tag kann ich mich noch gut erinnern, da ging am Schluss gar nichts mehr. Das Massenspektrometer hat nur noch Probleme gemacht. Irgendwann mussten wir aufgeben und nach Hause gehen. Das war der Tiefpunkt – die Angst, dass das Projekt vielleicht nicht klappt. Dass der Vogel fliegt, aber ohne das eigene Instrument. Oder dass unser Instrument zwar mitfliegt, aber keine Messergebnisse liefert.

Wie haben Sie diesen Tiefpunkt überwunden?

Wir haben eine exakte Kopie von Rosina in unserem Labor. An dieser Kopie haben wir Tests durchgeführt. So sind wir dem Problem langsam auf die Spur gekommen und konnten ein paar Monate später testen, ob alles funktioniert. Das waren lange Monate bis dahin, aber danach wussten wir genau, was wir machen müssen. So hat es dann nachher doch noch funktioniert.

Die Technik, die für Rosina verwendet wurde, ist ja von schon ziemlich alt. Wäre die heutige Technologie besser?

Heute könnte man die Geräte noch leichter bauen. Unser Instrument wiegt 35 Kilogramm, das ist eigentlich wahnsinnig schwer für ein Weltraum-Experiment. Ich glaube, heute könnte man das mit der Hälfte des Gewichts herstellen. Der Computer wäre sicher auch anders. Ein bisschen einfacher, schneller und mit mehr Speicherkapazität. Das Betriebssystem ist weder Windows noch Mac aber es funktioniert und leistet, was es leisten muss. Ansonsten sind die Geräte, die wir oben haben, nach wie vor die besten, die es gibt. In diesem Sinne sind wir auf der Höhe der Technik.

Was haben Sie von der Rosetta-Mission gelernt?

Die lehrreichste Zeit ist jetzt. Das Projekt geht mir Tag und Nacht nach. Es steht im Moment im Zentrum meines Lebens – da habe ich Glück, dass mein Mann Physiker ist und ich alle Probleme mit ihm besprechen kann. Er versteht, dass es eine intensive Zeit ist. Auf der anderen Seite hat mir Rosina auch eine neue Welt eröffnet – die Kometen, das Weltall, in dem die geschichtlichen Dimensionen Milliarden von Jahren gross sind. Das war und ist sehr bereichernd.

Wie sind sie zu dem Projekt gekommen? Mussten Sie sich durchsetzen?

Nein, eigentlich bin ich fast wie Maria zum Kind gekommen. Es war sehr viel Zufall dabei. Ich habe Astronomie gar nicht studiert, sondern Festkörperphysik. Mein Mann und ich waren in Amerika und als wir zurückgekommen sind, haben wir geographisch am gleichen Ort eine Stelle gesucht. Zufälligerweise habe ich etwas an der Uni Bern gefunden und bin dann in die Kometen-Forschung rein gekommen. Alles ging irgendwie auf. Ich hatte Kinder und habe mein Arbeitspensum reduziert, und als ich dann wieder mehr Freiheiten und schon ein gewisses Alter hatte, fing gerade das Rosetta-Projekt an. Da hat mein damaliger Chef Professor Balsiger mich gefragt, ob ich die Projektleitung für Rosina übernehmen möchte.

Zur Person

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Kathrin Altwegg studierte an der Universität Basel und promovierte in Experimentalphysik. Bis 1995 war sie Assistentin in der Abteilung Weltraumforschung und Planetologie an der Universität Bern. Seit 1996 ist sie Leiterin des Rosina-Projektes.

Haben Sie auch mal daran gedacht, alles hinzuschmeissen?

Nein, nein überhaupt nicht. Seit ich 1996 angefangen habe, gab es keinen Moment, an dem ich etwas bereut habe oder sagen wollte: Jetzt macht das Zeug doch selbst.

Die Mission wird Ende 2015 abgeschlossen sein, nachdem Rosetta mit dem Kometen der Sonne am nächsten gekommen ist. Haben Sie Pläne für die Zeit danach?

Das Gute ist, dass Rosetta und ich gleichzeitig pensioniert werden. Die Mission hört Ende 2015 offiziell auf, und ich werde im Dezember des gleichen Jahres 64. Auf Ende Semester werde ich von der Uni pensioniert, also im Januar 2016. Eventuell wird das Rosetta-Projekt verlängert, und dann kann ich wahrscheinlich auch noch ein paar Monate länger arbeiten. Mein Ziel ist, mit Rosetta zusammen in Pension zu gehen.

Was werden Sie mit Ihrer freien Zeit anstellen?

Also erstens kann ich ja weiter machen, wenn ich möchte. Wir haben jetzt schon Daten, die uns sicher die nächsten 20 Jahre beschäftigen werden. Das kann ich auch weiterverfolgen, wenn ich nicht mehr angestellt bin. Und auf der anderen Seite gibt es ja noch so viele andere Dinge auf der Welt. Ich werde meine Freizeit wieder mehr geniessen – mehr reiten, wandern und reisen.

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