Pater Ivo Martini gab sein Leben für eine Statue der heiligen Jungfrau. Ein Erdbeben hatte seine Gemeindekirche im italienischen Rovereto schwer beschädigt. Neun Tage später, am 29. Mai 2012, betrat der Pfarrer zusammen mit einem Feuerwehrmann das Einsturz gefährdete Gotteshaus, um die Marienstatue zu bergen. Da bebte die Erde ein zweites Mal. Herunterfallendes Mauerwerk erschlug Pater Martini.
Das Doppelbeben in der norditalienischen Region Emilia Romagna zerstörte eine grosse Zahl von Kirchen, Palästen und anderen Baudenkmälern. Jedes Nachbeben beschädigte weitere historische Gebäude. «Es ist, wie wenn ich eine tägliche Liste von Kriegsopfern erhalten würde», sagte Carla di Francesco in den Bebentagen der «New York Times». Di Francesco ist die Leiterin der Denkmalpflege in der Region. Zusammen mit anderen Fachleuten musste sie in den Monaten nach der Katastrophe Übersicht schaffen über zerstörte, beschädigte oder gefährdete Kunstwerke. Eine traurige Arbeit – und eine gefährliche.
Darum erhielt ein Wissenschaftlerteam der römischen Universität La Sapienzia im Frühsommer 2012 einen Anruf: Ob die Forscher ihre Roboter zusammenpacken, damit in die Emilia Romagna reisen und im Städtchen Mirandola helfen könnten, den Schaden abzuschätzen? Gleich zwei Gotteshäuser der Stadt, der Dom mit seiner Kuppel und die Kirche San Francesco, waren zum grossen Teil eingestürzt. Niemand durfte die Ruinen betreten, die Gefahr eines Kollapses war zu gross. Stattdessen sollten nun die Roboter des Forscherteams diese Aufgabe übernehmen.
«Als wir dort ankamen, waren die lokalen Feuerwehrleute skeptisch», erzählt der Roboterforscher Geert-Jan Kruijff. Die seltsame Crew aus Wissenschaftlern, kleinen Raupenfahrzeugen und Flugmaschinen schien ihnen eher suspekt. Die Zweifel waren allerdings bald zerstreut. In wenigen Tagen lieferten die Roboter wertvolle Videoaufnahmen vom Innern der beiden Ruinen. Sie zeigten das genaue Ausmass der Zerstörung und gaben Anhaltspunkte, wie die Kunstrettungstrupps vorgehen könnten. Laserscanner auf den Robotern vermassen die Umgebung und lieferten die Daten für 3D-Modelle der Ruinen-Innenräume.
Praxiseinsatz bei Feuerwehren als Ziel
Das Team, das in Mirandola aktiv war, gehört zum europäischen Roboterforschungsprojekt Nifti ( Natural human-robot cooperation in dynamic environments ) . Bei Nifti macht auch das Labor für autonome Systeme der ETH Zürich mit und die Lausanner Roboterschmiede Bluebotics , die Absolem gebaut hat. Die Nifti-Forscher entwickeln Roboter, die sich im Katastrophenfall möglichst nahtlos in menschliche Einsatzteams einfügen sollen.
In Fällen wie im Erdbebengebiet Emilia Romagna, aber auch bei Chemie-Unfällen können die Maschinen die Vorhut übernehmen, um eine erste Übersicht zu liefern. Das Leben der Einsatzkräfte wird so geschont. Regelmässig trainieren Forscher, Roboter und die Feuerwehr Dortmund zusammen auf einem Übungsgelände in Dortmund. In acht bis zehn Jahren, glaubt Geert-Jan Kruijff, werden die Roboter fähig und günstig genug sein für die Praxis bei einer ganz gewöhnlichen Feuerwehr.