Lisa Pathfinder ist auf dem Weg Richtung Sonne. Die Esa-Sonde wurde heute morgen mit einem Tag Verspätung vom europäischen Raumflughafen in Französisch-Guyana ins All geschickt. In etwa 1,5 Millionen Kilometern Entfernung von der Erde soll sie 12 Monate lang hochempfindliche Mess-Instrumente testen.
Lisa Pathfinder ist eine Wegbereiterin. Denn wenn die Instrumente an Bord so funktionieren, wie geplant, soll mit ihnen der Gravitationswellen-Detektor eLisa (evolved Laser Interferometer Space Antenna) ausgerüstet werden, der sich um das Jahr 2034 auf die Jagd nach Gravitationswellen machen soll.
Einstein sagte Gravitationswellen voraus
Die Existenz von Gravitationswellen behauptete Albert Einstein vor 100 Jahren in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie – doch bis heute konnten sie nicht nachgewiesen werden.
Sie entstehen, wenn im Weltraum grosse Massen bewegt werden – ein Stern explodiert oder sich zwei schwarze Löcher vereinen. Ähnlich wie Wellen auf einem See, rasen die Gravitationswellen mit Lichtgeschwindigkeit durchs Universum und dehnen und stauchen dabei den Raum. Das müsste – so die Theorie – auch den Abstand zwischen zwei Objekten kurzzeitig stauchen oder dehnen.
Wie zwei Bojen im See
Um diesen Abstand zu messen, befinden sich im Inneren von Lisa Pathfinder zwei etwa fünf Zentimeter grosse und zwei Kilogramm schwere Würfel aus einer Gold-Platin-Legierung. Sie schweben 38 Zentimeter entfernt voneinander in je einem Vakuumbehälter. Zwischen ihnen rast ein Laserstrahl hin und her und misst die Distanz.
«Es ist wie mit zwei Bojen im See», erklärt ETH-Professor Domenico Giardini gegenüber SRF, «wenn eine Welle kommt, bewegen sich die beiden Bojen». Giardini hat die Elektronik entwickelt, die sicherstellt, dass die Testwürfel ohne Störung frei im Raum gehalten werden.
Es handelt sich um eine hochsensible Apparatur, denn Gravitationswellen durchdringen zwar Weltraum und Erde – doch sie sind extrem schwach. Der Laserstrahl muss Distanzänderungen zwischen den beiden Würfeln messen können, die sich im Pikobereich bewegen. Das ist weniger als der Durchmesser eines Atoms. «Wenn wir das schaffen, sind wir in der Lage, in der Zukunft Gravitationswellen zu messen», sagt Giardini.
Riesendetektor im All
Mit Messgeräten auf der Erde ist es bis heute nicht gelungen, Gravitationswellen nachzuweisen. Deswegen erhoffen sich die Forscher nun mehr Glück im All. Dort ist es ruhiger, unerwünschte Störungen wie Bodenvibrationen sind ausgeschlossen – und ausserdem gibt es dort sehr viel mehr Patz.
Den Platz braucht es für den Grossdetektor eLisa, in das die jetzt getesteten Apparaturen einst eingebaut werden sollen. eLisa wird aus drei zusammengeschalteten Satelliten bestehen, die in einer Million Kilometer Entfernung voneinander in Dreiecksformation durchs All rasen.
In jedem Satelliten wird ein Gold-Platin-Würfel schweben. Auch hier werden Laserstrahlen zwischen ihnen hin- und herflitzen, um winzigste Änderungen in ihrer Position zu bestimmen. Nur sind die Laserstrahlen nicht 38 Zentimeter, sondern eine Million Kilometer lang. Diese Distanz erhöht die Erfolgsaussichten, Gravitationswellen aufzuspüren.
Ein neues Fenster ins Universum
«Das ist unsere grosse Hoffnung, endlich Gravitationswellen zu entdecken», sagt Astrophysiker Philippe Jetzer von der Uni Zürich, der die Mission wissenschaftlich begleitet. Denn damit wäre Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie endgültig bewiesen.
Andererseit öffnen die Gravitationswellen ein ganz neues Fenster für die Erforschung des Universums. Bisher beobachten Astronomen die Himmelskörper mithilfe elektromagnetischer Strahlung – von Radiowellen über Infarot und sichtbares Licht bis zur Gammastrahlung. Gravitationswellen würden es jedoch ermöglichen, Ereignisse zu beobachten, die sich vor allem «im Dunkeln» abspielen, Neutronensterne zum Beispiel oder die Enstehung schwarzer Löcher.
«Es ist so», sagt Jetzer, «als würden die Astronomen bisher mit verschlossenen Ohren durch den Urwald gehen. Dank der Gravitationswellen werden wir plötzlich die Vögel singen und die Blätter rauschen hören».