Berner Inselspital, Operationssaal Nr. 5: Chefarzt Ralph A. Schmid hantiert im Inneren einer Lunge, doch seinen Patienten berührt er dabei kein einziges Mal. Er führt die Operationsinstrumente mithilfe einer Computer-Konsole. Hochkonzentriert schaut er auf einen Bildschirm, der ihm den Lungenbereich des Patienten als Film in Echtzeit zeigt. Mit den Händen bewegt er zwei hochempfindliche Joysticks, die zwei Greifarme in der Lunge steuern. So wird jede Geste simultan im Innern des Patienten in dreifacher Verkleinerung ausgeführt – und ein golfballgrosser Tumor Schritt für Schritt vom linken Lungenflügel entfernt.
Nach jahrelanger Entwicklung und zahllosen Versuchen sind virtuelle Technologien in der Chirurgie Alltag. Die Vorteile des roboter-gestützten Systems da Vinci liegen für Schmid im Wortsinn auf der Hand. «Wir können genauer operieren», sagt er, «das natürliche Zittern der menschlichen Hand wird eliminiert. Der Roboter führt meine Handgriffe mit einer bis zu sechsfachen Untersetzung aus und ist damit hochpräzise.»
Handarbeit mit virtueller Anleitung
Im Operationssaal neben an ist die Technologie schon einen Schritt weiter, wie der Eingriff an einer Leber zeigt. Über dem Operationstisch ist ein grosser Bildschirm montiert. Doch er zeigt kein Kamerabild aus dem Körper des Patienten, sondern eine dreidimensionale Grafik: ein Modell der Leber, das im Vorfeld mit Hilfe bildgebender Verfahren berechnet wurde – mitsamt millimeter-grossen Tumoren, die der Chirurg bei einem herkömmlichen Eingriff mit dem Auge nicht erkennen könnte.
Was nun folgt, gleicht einem Computerspiel. Die Operationsinstrumente, mit denen der Chirurg im Körper hantiert, dringen in die Leber ein und werden zeitgleich auch auf dem Monitor mit dem virtuellen Modell sichtbar. Von dieser virtuellen Realität geleitet und geführt, steuert der Chirurg nun langsam auf die einzelnen Tumore zu – und zerstört sie mit hochpräzisen Stromstössen.
Verfahren für Lebereingriffe angepasst
Dieses 3-D-Verfahren wurde weltweit zunächst für Operation am Schädel erprobt. Doch die Chirurgen in Bern haben es mit Ingenieuren für weiche Organe wie die Leber weiter entwickelt. Es ist bereits an spezialisierten Kliniken in anderen Ländern im Einsatz – und wird kontinuierlich an die Praxis angepasst.
„Wir haben ein Institut mit 80 Ingenieuren in der Medizinischen Fakultät“, sagt Daniel Candinas, Chefarzt der Viszeralen Chirurgie, „diese Leute sind täglich im Operationssaal und erhalten direkt von uns Chirurgen wichtige Informationen für die Weiterentwicklung.“ Der Arzt und die Maschinen – die chirurgische Zukunft hat eben erst begonnen.