Die Ausgangslage ist schrecklich: Ein Virus hat den Grossteil der Menschheit dahin gerafft. Nur 10'000 Menschen haben überlebt – eine kleine Gemeinschaft, die nun den Neuanfang wagen muss. So beginnt Lewis Dartnell sein Gedankenexperiment in «The Knowledge», einem Buch, das vor kurzem unter dem Titel «Das Handbuch für den Neustart der Welt» auf Deutsch erschienen ist.
Der Start ist also ungünstig. Die Supermärkte und Benzintanks sind geleert. Alles Essen ist verrottet, es gibt kein sauberes Wasser mehr und keine Medikamente. Doch ab dann geht es in dem Buch nur noch aufwärts. Seite um Seite erklärt Dartnell die wichtigsten Techniken, die es fürs Überleben braucht: für Nahrung, Unterkunft und Gesundheit.
Eine Flasche Bier, bitte!
Wie zum Beispiel macht man Nahrungsmittel haltbar, ohne Tiefkühlschrank und ohne Lebensmittel-Technologen? Der Autor weiss Rat: zum Beispiel mit Salz, den man aus Meerwasser gewinnt. Oder mit Essig, der sich bildet, wenn Alkohol mit Luft in Kontakt kommt. Doch wo kriegt man den Alkohol her? Ganz einfach, meint Lewis Dartnell: Man schnappt sich nach der Apokalypse möglichst schnell eine Flasche Bier.
Da geht es nicht ums Bier selbst, sondern um den Satz am Boden der Bierflasche. Daraus kann man nämlich Hefezellen züchten. Gibt man denen zuckerhaltige Speisen zu futtern, verwandeln sie den Zucker in Kohlendioxid und Alkohol. Wie das genau geht, beschreibt Dartnell in seinem Buch – zwar nicht in allen Einzelheiten, aber genau genug, dass man sich nach der Lektüre zutraut, diesen Überlebenstrick selbst anzuwenden.
Die Hefe aus der Bierflasche ist nur einer von vielen Tipps, mit dem der Autor uns fürs Überleben fit machen will. Dartnell erklärt unter anderem auch, wie man Seife herstellt, wie man eine effiziente Mühle baut, wie man ein Feld sinnvoll bewirtschaftet oder wie man mit der Kraft des Sonnenlichts Wasser reinigen kann.
Das eine oder andere davon mag man schon gehört haben; vielleicht weiss man es von den Grosseltern oder man kennt es von Hobby und Beruf. Aber kein einziger Mensch auf der Welt kennt heute all die technischen Grundlagen der Gesellschaft und kann sie auch nachbauen.
Respekt für die erfinderischen Vorfahren
Lewis Dartnells Buch sammelt all diese Schlüsseltechniken. Er klappert sie aber nicht trocken ab, sondern beschreibt anschaulich, wie wichtig eine Technik ist und wie man sie nach der Apokalypse quasi «neu erfinden» kann. Immer wieder staunt man bei der Lektüre darüber, was die Menschheit in den vergangenen Jahrtausenden durch Versuch und Irrtum schon so alles herausgefunden hat.
Viele Techniken in dem Buch sind «low-tech», also mit ganz einfachen Mitteln zu realisieren, wie man das auch aus der Entwicklungshilfe kennt. Viele Techniken sind ausserdem sehr «grün» – gezwungenermassen, weil nach der Apokalypse kein Erdöl mehr gefördert wird und kein Atomkraftwerk mehr läuft. Auch das Recycling wird in der post-apokalyptischen Gesellschaft von Lewis Dartnell gross geschrieben.
Es geht ihm aber nicht darum, sich eine neue «grünere» Gesellschaftsordnung auszudenken. Gesellschaftliche Bedingungen kommen in dem Buch nur ganz am Rande vor. Dartnell konzentriert sich ganz explizit auf die Technik. Das ist sehr unterhaltsam. Es weckt den Do-it-yourself-Geist. Manches möchte man nach der Lektüre gleich ausprobieren, natürlich ohne vorher eine Apokalypse durchzustehen.
«Das Handbuch für den Neustart der Welt» ist ein Gedankenexperiment, das mit der Apokalypse beginnt, aber nie zynisch wird. Im Gegenteil: Es macht Mut, an den Erfindergeist der Menschen zu glauben.