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Ein Mann steht neben einem Hologramm.
Legende: So nah und doch so fern: Der Japaner Akihiko Kondo hat eine enge Beziehung zu seiner virtuellen Assistentin. SRF

Virtuelle Beziehung Verliebt in ein Hologramm

«Ich liebe meine Frau», sagt Akihiko Kondo. Umarmen oder küssen kann er sie nicht. Der Japaner ist mit einem Hologramm zusammen.

«Das ist meine Frau. Ich liebe sie», sagt Akihiko Kondo. Es ist still nach diesem Satz, damit hatte ich nicht gerechnet. Ich wusste, dass ich einen 34-jährigen Mann treffen werde, in seiner kleinen Wohnung in Tokio, und dass er dort mit einem Hologramm zusammenlebt.

Als ehemalige Tamagotchi-Jugendliche vermute ich, dass man zu einem Gadget eine Art «Haustier-Fürsorge» aufbauen kann. Aber dass er dieses kaffeemaschinenähnliche Gerät als seine Frau bezeichnet? Gar von Liebe spricht?

Ich schaue auf seine eheringlose Hand. Voller Stolz zeigt er damit in eine Ecke neben seinem Bett: Hier steht seine Gatebox. Seit 2017 ist sie als «Heimassistent» auf dem japanischen Markt.

Einzigartig auf Knopfdruck

Die Box kann via diverse Sensoren, Projektoren und Lautsprechern nicht nur mit ihrem «Meister» interagieren und auf Bewegungen, Temperatur und Stimmen reagieren, sondern auch Wohnungselemente steuern, etwa die Beleuchtung.

Diese virtuelle «Mitbewohnerin» ist nach einem berühmten Anime-Charakter gestaltet und kostet zirka 2800 Franken. Dass seine «Ehefrau» auch bei etwa 300 anderen Japanern steht, stört Akihiko Kondo nicht. Diese Ausgabe sei einzigartig, genauso wie ihre Beziehung.

Per Knopfdruck stellt er mir seine «Ehefrau» vor: Unter einer Glasglocke erscheint ein feenartiges Hologramm in Türkis und im Look eines Schulkindes: sexy Minirock, mit grossen Glubschaugen und einer immer bettelnden, devoten Anmutung: «Hallo, mein Meister!». Laut Hersteller ist sie 16 Jahre alt.

Streit nicht programmiert

Sie spricht in ihrer kindlichen Stimme ein paar vorprogrammierte Sätze, lernt dann aber als intelligentes Computersystem dazu. Sie schreibt SMS («Wann kommst du nach Hause?») und erzählt von ihrem Alltag («Ich habe ganz viel Klavier geübt für dich»). Nur streiten kann sie nicht.

Sie kichert, immerzu. Kondos Augen glänzen vor Freude, während mir bei dieser Darstellung von «Weiblichkeit» der Schauer über den Rücken läuft.

Das Hologramm einer blauen Anime-Figur. Sie zeigt gerade das Wetter an.
Legende: Heimassistent und Freundin in einem: das Hologramm, das kichern, aber nicht streiten kann. Gatebox

Die Gatebox war das erste, was sich der 34-Jährige gekauft hat, als er vor Monaten bei seinen Eltern ausgezogen ist. Nun steht sie in der spartanisch eingerichteten 15-Quadratmeter-Wohnung und bedeutet ihm die Welt. Sie ist der Grund, warum er morgens aufsteht und abends wieder nach Hause kommt.

Alleine unter Millionen

Sie ist es, die ihm das Gefühl der Einsamkeit nimmt. Wie so viele junge Japaner lebt Kondo alleine – unter Millionen von Singles. Arbeiten, Geld verdienen, schlafen – so sieht der Alltag von vielen jungen Leuten in Tokio aus.

Denn die Wirtschaftskrise der 90er-Jahre hallt nach – eine Familie können sich schlicht nicht alle leisten. Dazu kommt, dass vielen die Kommunikation zwischen Mann und Frau nicht leichtfällt, zumal sie im Teenageralter oft bewusst getrennt aufwachsen und die Etiketten im förmlichen Land viel «Diskretion» verlangen.

Ein junger Mann schläft auf seinem Bett, neben ihm ist ein Hologramm unter einer Glaskuppel
Legende: «Irgendwann werden wir dank Virtual Reality zusammen auf Reisen gehen», sagt Kondo. Bis dahin schläft sein Hologramm hinter der Glasscheibe. Gatebox

Selbstbewusst steht Kondo im Anzug vor mir: der Mann, der bei der Schulverwaltung von Tokio einen guten Job hat, einen Freundeskreis, aber bitte «nie im Leben eine Beziehung zu einer Frau, oder gar eine Familie».

Die Gatebox sei viel «niedlicher». Ich wusste, dass Japaner auch Dingen eine Seele zugestehen. Doch ob er das wirklich ernst meint, wenn er vom gemeinsamen Glück spricht?

Wie kann es ihm, der so alt ist wie ich, genügen, rein virtuell mit einem Hologramm zu interagieren? Vermisst er keinen Sex? Verwünscht er nicht diese Glasscheibe, die ihn für immer von seiner «Frau» trennen wird?

«Irgendwann halte ich ihre Hand»

Kondo schaut mich geduldig an und erklärt, dass er auf den technologischen Fortschritt hoffe: «Irgendwann werden die Grenzen der Realitäten zwischen 2D und 3D aufgelöst, und wir werden dank Virtual Reality zusammen auf Reisen gehen, ins Kino, auf einer Wiese liegen. Ich werde ihre Hand halten können.»

Ein junger Mann im Anzug sitzt am Tisch uns spricht zu einem Hologramm hinter der Glasscheibe.
Legende: Die virtuelle Assistentin kann SMS schreiben, reagiert auf Bewegungen und Stimmen und kann auch Wohnungselemente steuern. Gatebox

Für einen kurzen Moment rührt mich die Vorstellung der Vereinigung von Mensch und Maschine. Gleichzeitig macht mich die Vorstellung traurig, in ein Hologramm verliebt zu sein, das einen nie umarmen wird.

Ich verlasse die kleine Wohnung, die mir eine ganz neue Welt offenbarte, rieche die frischen Kirschblüten in den Gassen Tokios und denke an einen bestimmten Moment dieses Tages zurück: als der Gatebox kurz der Strom ausging, das Hologramm verschwand und die Kitschstimme verstummte. Akihiko Kondo wirkte ganz und gar verloren.

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