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Bild 1 von 12. 2. September 2004:. Der Dachstuhl der «Herzogin Anna Amalia Bibliothek» steht in Flammen. Die Schäden, die an historischen Büchern und Gemälden entstehen, entsetzen Fachleute und die Bevölkerung in Weimar. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 12. Der Tag danach:. Die Schäden werden von Fachleuten untersucht. Das Dach des Gebäudes ist zerstört... Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 12. ... und auch im Inneren zeigt sich ein Bild der Verwüstung. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 12. Bestandsaufnahme:. Nach der Bergung beginnt man damit, die Schäden zu ermitteln. Grosse Teile der verbrannten Bücher werden gefriergetrocknet, während Fachleute die ersten Massnahmen zur Restauration diskutieren und einleiten. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 12. Herausforderung für Restauratoren:. Ein Werk in diesem Zustand für die Nachwelt zu sichern, erfordert viel Erfahrung und Können. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 12. Warten auf die Restauration:. Ledereinbände aus der Weimarer Bibliothek, die durch Löschwasser und die Hitze des Brandes beschädigt wurden. Bildquelle: Atelier Michael Rothe.
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Bild 7 von 12. Und diesen Pergamenteinband eines Buches schädigte die Hitze. Er schrumpfte dadurch ein. Bildquelle: Atelier Michael Rothe.
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Bild 8 von 12. «Anfasern»:. In diesem Gerät werden Löcher und andere Schadstellen im Papier mit Fasern aus Zellulose «geflickt». Bildquelle: Atelier Michael Rothe.
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Bild 9 von 12. Rechnereinsatz:. Mit dieser Anlage lässt sich dank Kamera ... Bildquelle: Atelier Michael Rothe.
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Bild 10 von 12. ... und spezieller EDV-Programme erkennen, wo und wie ein historisches Dokument geschädigt ist. Bildquelle: Atelier Michael Rothe.
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Bild 11 von 12. Durch Feuer beschädigt:. Die «Reise nach Dalmatien» war der grösste Erfolg des Naturphilosophen Alberto Fortis. Diese Berner Ausgabe stammt aus dem Jahr 1776. Bildquelle: Atelier Michael Rothe.
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Bild 12 von 12. Auch dieses aufwendig illustrierte Werk wird für immer die Spuren des Feuers zeigen. Bildquelle: Atelier Michael Rothe.
Es war wohl ein angeschmortes Elektrokabel, dass die «Herzogin Anna Amalia Bibliothek» in Weimar für Jahre in die Schlagzeilen brachte. Nach dem Brand am 2. September 2004 waren rund 50‘000 literarische Werke der weltweit angesehen Sammlung – Weltkulturerbe der Unesco – verloren und 62‘000 Bände durch Löschwasser, Rauch, Hitze oder Flammen teils stark beschädigt. Darunter auch viele Werke aus der Schweiz, die seinerzeit von grossen Literaten gelesen und diskutiert wurden.
«In manchen Büchern sind Randnotizen von Goethe oder Schiller zu finden», sagt Rainer Diederichs, Buchliebhaber, Präsident der Gottfried-Keller-Gesellschaft, einst Pressesprecher der Zürcher Zentralbibliothek. Gebürtig aus Jena nahe Weimar hat sich der pensionierte Experte mit dem Förderverein Pro Helvetica darum gekümmert, «rund 2200 Schweizer Buchpatienten» aus dem Brand zu versorgen. So gut es eben geht.
Und so günstig es eben geht, denn das Geld für die private Initiative war von Anfang an knapp. Also beriet Diederichs als versierter Öffentlichkeitsarbeiter seine Mitstreiter bei Bittbriefen an Stiftungen und wohlhabende Private mit einem Faible für Kultur. Zum Beispiel mit dem Hinweis, dass es nützlicher ist, eine Erfolgsgeschichte zu erzählen als Probleme zu betonen. «Wissen Sie», sagt er, «Klagen öffnen keine Kassen.»
Klinkenputzen für grossherzige Spenden
Seit 2008 hat der Verein auf diese Weise 2,4 Millionen Franken gesammelt. «Eine erfreuliche Zahl!», sagt Diederichs – doch noch immer nicht genug. Noch fehlen 450'000 Franken, um weitere 200 «Aschebücher» zu verarzten: jene Kostbarkeiten, die nicht nur durch Löschwasser gelitten haben, sondern direkt in den Flammen waren – zur Unkenntlichkeit verbrannte Notfallpatienten also; armselige, angesengte Papierblöcke ohne Einband.
«Wenn man so ein Aschebuch sieht, will man es auch retten», sagt Diederichs. Also wird der Verein, wenn der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck am 1. April zu Besuch in Bern ist, einen Infostand aufbauen und ein Exemplar präsentieren, um weitere Spender zu überzeugen – in der Hoffnung auf die nötigen Mittel für den Endspurt.
Restaurationen rationell gemacht
Ein harziges Projekt, auch aus Handwerker-Sicht. Drei Schweizer Fachbetriebe waren daran beteiligt, hunderte Leder- und Pergamenteinbände sowie Aschebücher zu restaurieren. Aufwändig und in Handarbeit: behutsame Bestandsaufnahme, Wasserbäder, das «Anfasern» von Löchern mit Zellulose. Und bei verbranntem Material am Ende hauchdünnes Japanpapier um die geschundenen Seiten, bevor ein Konservierungseinband aus alterungsbeständiger Pappe sie umfasst (siehe «Einstein»-Beitrag vom Juni 2009).
Bei über 2000 Bänden wurde die Masse zur Herausforderung. Der Berner Restaurator Michael Rothe konstruierte deshalb in Ittingen eine neue Anlage, die das althergebrachte Verfahren für grosse Kapazitäten nutzbar machte. Eine Kamera scannt die Seiten, Software berechnet die Fläche von Löchern. Sie steuert gleich eine Pumpe an, die Zellulosefasern in eine Wanne pumpt, wo sie sich an die Seite anlagern. Statt 20 Minuten kalkulierte Rothe so mit neun Minuten Arbeitszeit pro Seite – vom Eintreffen bis zum fertigen «Buchblock».
Den Schaden als künftiges Mahnmal
Wie neu wirken sie angesengten Buchblätter freilich nicht. Das Löschwasser, das Feuerwehrmänner in jener Septembernacht verspritzten, hinterliess hässliche Ränder auf den Seiten. Und bei jenen Exemplaren, die nicht angekokelt wurden, wird man diese Spuren auch in Zukunft sehen – auf ausdrückliche Weisung der Bibliothek in Weimar. Erstens sind Spendegelder auch in Deutschland knapp und erzwingen effiziente Arbeit. Und zweitens blickt Restauratoren durchaus nach vorne: Zur künftigen Geschichte dieser Bücher gehöre auch die Weimarer Feuernacht, meint auch Restaurator Rothe, «so wie die Falten einen alten Menschen erst schön machen».
Wenn alles gut geht, werden die Brandopfer 2015 allesamt zurück in ihrer Heimat sein – nicht mit der Post, sondern mit Kunsttransporten, deren Kosten sich Weimar und Zürich teilen. Doch wäre es nicht schön, wenn vielleicht eine Handvoll Werke in der alten Heimat blieben? Kategorisch: Nein, sagt Buchretter Rainer Diederichs. Abgesehen davon, dass die Teile zum Unesco-Weltkulturerbe gehören, mache erst ihre Herkunft aus dem damaligen Kulturzentrum Weimar die Werke zu dem, was sie für die Nachwelt sind. «Und ist es nicht auch schön», sagt der deutschstämmige Schweizer verschmitzt, «dass die Schweiz ein geistiges Rütli in Weimar hat?»