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Portraitaufnahme der beiden Chat-Experten
Legende: Prof. Roland von Känel und Dr. Raphael Koller SRF

Krankes Herz und Psyche «Wie merke ich, ob Schmerzen psychisch bedingt sind?»

Roland von Känel und Raphael Koller haben Ihre Fragen im «Puls»-Chat beantwortet.

Fachpersonen im «Puls»-Chat und am Telefon

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Prof. Roland von Känel

Internist und Psychosomatiker

Klinik Barmelweid

Dr. Raphael Koller

Kardiologe

Herzteam Wil

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lic. phil. Johannes Grolimund

Psychokardiologe

Inselspital Bern

Dr. Roman Sieber

Kardiologe

St. Gallen

Dr. phil. Stefanie Stauber

Psychotherapeutin

Inselspital Bern

Chatprotokoll

Als Depressionspatient fühle ich mich bezüglich Herzgesundheit vor ein Dilemma gestellt. Die Depression stellt einen Risikofaktor dar. Hinzu kommen Antidepressiva, die ihrerseits zusätzlich nicht gesundheitsfördernd sind. Ist es aus rein kardiologischer Sicht nicht vorzuziehen - sofern irgendwie möglich - eine Depression ohne Antidepressiva (dafür bspw. mit Sport) auszuhalten bzw. zu überwinden? Besten Dank

Raphael Koller: Es gibt unterschiedliche Antidepressiva, viele moderne und gut verträgliche Medikamente schädigen das Herz an sich nicht. Falls nötig, können Sie diese schon einnehmen. Wenn es ohne Medikamente geht - umso besser! Ich denke, sie müssen das individuell mit ihrem Arzt besprechen.

Burnout oder Herzinfarkt. Wie hängen die beiden Krankheitsbilder zusammen?

Raphael Koller: Menschen mit einem Burnout oder auch einer Depression haben statistisch ein höheres Risiko für einen Herzinfarkt. Die Gründe dafür sind, dass Menschen die ein burnout entwickeln häufig keine Zeit für einen herzgesunden Lebensstil finden und sich z.B. ungesund ernähren oder zu wenig Zeit für Bewegung finden. Vielleicht gibt es auch andere Gründe. Auch umgekehrt besteht ein Zusammenhang, d.h. etwa 30 % der Patienten nach einem Herzinfarkt entwickeln eine depressive Verstimmung.

Ich erlitt vor zwei Jahren in Lübeck einen Herzstillstand. Dank dem sofortigen Eingriff mit einem Defibrilator durch die Johanniter-Sanitäter, die einen Parcours für einen Wettkampf aufbauten, konnte mein Herz wieder in Gang gebracht werden. Seit dem hat sich meine Einstellung grundlegend verändert. Mich interessiert vieles nicht mehr, was nicht begriffen wird. Ich selber freue mich an jedem Tag und dem Naheliegenden, sei es die Familie oder die Natur. Bin ich mit meiner Einstellung nun falsch?

Raphael Koller: Nein, da liegen Sie sicher nicht falsch. Viele Menschen, die eine lebensbedrohliche Krankheit überlebt haben, leben nachher bewusster und erkennen, dass Gesundheit nicht selbstverständlich ist und geniessen den "geschenkten" 2. Teil des Lebens intensiver und gehen mit mehr Freude in den Alltag. Und gewisse Probleme des Alltags geht man da mit mehr Gelassenheit an.

Guten Abend ich hatte vor 4 Jahren eine Herzoperation, Mitralklappe wurde repariert. Es ging alles sehr gut, doch ab und zu habe ich ein beklemmendes Gefühl auf der linken Brustseite, es strahlt teilweise in den linken Arm aus und hält sich 2 Tage oder mehr. Dabei fühle ich mich müde, apathisch und auf Nadeln. Ich fühle mich jedoch sonst fit, mache Sport und bin sehr schlank, war schon immer so. Vielen Dank für Ihre Antwort.

Raphael Koller: Ich denke, Sie sollten sich primär an Ihren Hausarzt bzw. an Ihren Kardiologen wenden. Der sollte abklären, ob eine somatische Ursache für Ihre Beschwerden gefunden werden kann. Falls eine organische Ursache am Herzen ausgeschlossen werden kann, ist es sehr wohl möglich, dass es sich um psychosomatische Beschwerden handelt - vielleicht um eine noch nicht abgeschlossene Krankheitsverarbeitung oder Aengste. In diesem Fall wäre dann eine psychosomatische oder psychotherapeutische Therapie angezeigt.

Mein Hausarzt bezweifelt, dass die Depression an sich ein Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen sei. Vielmehr sei dafür die damit verbundene Lebensweise (mangelnde Bewegung, Stimulantien, Ernährung, gestörtes Schlafverhalten, Medikamente, Isolation) verantwortlich. Geben Sie ihm recht? Besten Dank

Roland von Känel: Die Depression führt tatsächlich dazu, dass man sich allgemein ungesünder ernährt, weniger bewegt, mehr raucht etc. Andererseits ist das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen mit einer Depression auch dann erhöht, wenn man statistisch für das Gesundheitsverhalten kontrolliert. Gründe dafür sind z.B. eine erhöhte Entzündungsaktivität und Blutgerinnung.

Vor kürzerer Zeit wurde mein Herz mit 24h-EKG und Ultraschall getestet. Das Resultat zarte Herzklappen, dünne Wände, alles soweit ok. Heisst das, das auch die Kranzgefässe noch gut sind. Meine Bauchaorta weist einige Verdickungen auf. Bin w, 73 Jahre. Vielen Dank.

Raphael Koller: Mit einem 24-h-EKG und einem Herzultraschall können nur bedingt Aussagen zum Zustand der Herzkranzgefässe gemacht werden. Dazu ist ein Belastungstest besser geeignet, z.B. ein Belastungs-EKG (Fahrradergometrie) oder ein Herzultraschall mit medikamentöser oder zusätzlicher Belastung auf dem Velo oder Laufband (sogen. Stress-Echokardiografie). Haben Sie denn Beschwerden, die an eine Durchblutungsstörung am Herzen denken lassen, also z.B. streng belastungsabhängige Brustschmerzen oder belastungsabhängige Atemnot?

Brustschmerzen: wie lerne ich zu unterscheiden obs durchblutungsbedingt oder angstbedingt ist? Danke

Roland von Känel: Eine sehr gute Frage. Es gibt keine absolute Sicherheit, aber doch Hinweise. Brustschmerzen bei Anstrengung sind eher durchblutungsbedingt. In Ruhe eher angstbedingt, vor allem wenn sie dabei noch Angst verspüren und evtl. Hyperventilieren. Im Zweifelsfall sollten sie sich beim Hausarzt melden und heraus finden, allenfalls mit einem Psychokardiologen, wie sie die Beschwerden besser unterscheiden können.

Ich hatte einen Schlaganfall vor 3 Jahren und war dann eine Woche im Spital und noch zwei Wochen krank gexhrieben. Danach ging ich wieder arbeiten. Ich merkte bald, dass mich der Arbeitsalltag als Pädagogin sehr anstrengte und meine Konzentration massiv nach liess. Schliesslich geriet ich in eine posttraumatische Belastungsstörung welche sich in einer Depression und mit Panikattacken bemerkbar machte. Ich würde dringend empfehlen, dass auch bei Schlaganfällen die Psyche gut betreut werden müsste

Roland von Känel: Da haben sie absolut Recht. Nach Hirnschlag scheint die Häufigkeit für eine PTBS mindestens gleich häufig, wie nach Herzinfarkt. Dies wurde aber vergleichsweise noch viel weniger untersucht. Auch Depressionen sind häufig nach Hirnschlag (20-40%), ähnlich wie bei Herzinfarkt.

Bei mir wurde vor einem Monat eine Katheter Ablation am Herzen gemacht wegen Vorhofflimmern. Habe vor 12 Jahren einen Herzinfarkt gehabt mit Einsetzung von 4 Stents. Die Ablation habe ich gut ueberstanden. Mache mir aber etwas Sorgen weil sich bei der Einstichstelle am rechten Oberschenkel ein Knoten gebildet hat der etwas schmerzt. Vielleicht ein Infekt. Sollte ich dies mal in der Uniklinik Zuerich wo ich operiert wurde mal zeigen im Notfall? Kann dies gefaehrlich werden? Danke fuer eine Antwort.

Raphael Koller: Wahrscheinlich ist es ein - harmloses - kleines Hämatom (ein innerlicher Bluterguss, der sich abkapselt und in den nächsten Wochen wieder auflösen wird). Zeigen Sie das primär Ihrem Hausarzt, der Sie beruhigen oder - falls nötig- allenfalls ans Unispital zur genaueren Untersuchung überweisen wann.

Guten Abend Ich habe eine Frage welche nicht in erster Linie mit einem Infarkt zu tun hat, und vieleicht etwas peinlich ist. Kann man von eiem staken psychischen Schreck einen Herzinfarkt bekommen?

Roland von Känel: Absolut. Beispiele sind akute Herzinfarkte während man am Fernsehen Fussballs schaut (und sich enorm ärgert, dass die eigene Mannschaft an der WM ausscheidet). Oder nach Terrorangriffen (Bsp. WTC 9/11) stieg die Anzahl der Herzinfarkte akut an.

Nach verschiedenen Eingriffen und Spitalaufenthalten hatte ich letzten Herbst auch noch einen Herzinfarkt. Dabei wurde ein Linksschenkelblock festgestellt.Meine"Herzkraft" ist bei ca 49%. Was wäre denn "normal" ? ich bin 65 Jahre alt und sehr depressiv weil mir niemand meine Fragen beantworten will

Raphael Koller: Ich nehme an, dass die Auswurfleistung (sogenannte Ejektionsfraktion) der linken Herzkammer 49% beträgt. Normal ist über 55%, das heisst, in diesem Fall wäre ihre Herzfunktion nur leicht eingeschränkt (was Sie im Alltag nicht eieinträchtigen sollte). Ich denke, Sie sollten diese Frage und auch die Tatsache, dass Sie sich depressiv fühlen, mit einem Arzt Ihres Vertrauens besprechen, damit man Ihre Aengste und Unsicherheiten abbauen und auch die Depression behandeln kann. Ich wünsche Ihnen alles Gute.

Vor 2,5 Jahren Aorta-Klappenersatz mittels Sternotomie. Seither depressive Phasen, die mit Rebalance nivelliert werden sollten. Symptome: Agrressivität, Traurigkeit, Versagerängste. Hausarzt ist der Meinung, dass ich keine psychischen Kollateralschäden davon getragen habe. Soll ich das so akzeptieren und auf bess're Zeiten warten?

Roland von Känel: Auf keinen Fall! Sie sind der Gradmesser und nicht der Hausarzt. In jedem Fall leidet Ihre Lebensqualität darunter. Wir haben die Sendung auf den Infarkt ausgerichtet. Natürlich sieht man gleiche psychische Reaktionen nach Herz-Operationen (z.B. Bypass, Herzklappen und Transplantation). Rebalance ist evtl. nicht das richtige Medikament für Sie und es braucht ein anderes Antidepressivum. Zumindest könnten sie von ihrem HA verlangen, dass er sie an einen Psychotherapeuten verweist oder wenden sie sich an den Kardiologen.

Danke für Ihre Antwort. Ich hatte zeitweise Rhytmusstörunen und habe Bedenken wegen der belegten Bauchaorta. Ich nehme an, dass dann andere Gefässe auch beschädigt sind.

Raphael Koller: Das muss keineswegs so sein. Die Artherosklerose, also Ablagerungen an den Gefässen, können gerade im Frühstadium nur einzelne Gefässe betreffen. Wenn Sie solche Plaques an der Aorta haben und keine Beschwerden, ist es erst einmal wichtig, allfällige Gefässrisikofaktoren auszuschalten oder zu behandeln, also Bluthochdruck, zu hohe Cholesterinwerte, Verzicht aufs Rauchen, gesunde Ernährung, regelmässige Bewegung. Und allenfalls - je nach Gesamtsituation Ihrer Risikofaktoren oder bei allfälligen Beschwerden - ist eine erweiterte kardiologische Abklärung mit einem Belastungstest nötig.

Unsere Mutter wurde von 40 Jahren am Herzen operiert. Wir Kinder waren damals zwischen 6 und 12-jährig. Wir haben alle unter ihrer psychischen Situation gelitten. Unser Vater hat sich immer sehr um sie gesorgt und keiner möchte ihnen Vorwürfe machen. Ich muss sagen, dass ich mich heute emotional als "behindert" bezeichnen fühle. Auch meine beiden Geschwister sind da nicht verschont geblieben. Gerne würde ich mich einmal aussprechen. Können Sie mir eine Adresse in unserer Nähe empfehlen?

Roland von Känel: In ihrer Nähe wäre wohl der Psychiatrische Dienst am Spital Thun am nächsten? Persönlich kann ich Ihnen in der Gegend leider niemanden nennen.

Guten Abend, mein Vater hatte im November einen Herzstillstand und wurde von der Sanität mittels Defibrilator wieder zurückgeholt. Im Spital erhielt er einen Herzschrittmacher und wurde kurz danach entlassen. Seit ein paar Wochen hat er immer wieder Momente, wo es ihm schwindlig wird, er sich kraftlos fühlt, ein enges Atemgefühl hat und eine enorme Leere im Kopf verspürt. Sind das typische Angsterscheinungen oder kann das auch mit dem Herzschrittmacher zu tun haben?

Raphael Koller: Nein, das sind für mich keine typischen Angsterscheinungen. Ihr Vater soll sich den Schrittmacher diese Woche noch kontrollieren lassen (üblicherweise macht man das ohnehin etwa 3 Monate, nachdem er implantiert wurde, das wäre ja ejtzt dann sowieso fällig). Vielleicht muss man die Programmierung des Schrittmachers anpassen, vielleicht muss man auch die Medikamente überprüfen.

Guten Abend Ich habe manchmal auch Atemnot und ein Gefühl einer eingängter Brust. Kann ich als Laie festellen ob es physisch oder psychisch ist? Und wann Wie?

Roland von Känel: Nicht zwingend. Wenden Sie sich in jedem Fall an Ihren Hausarzt. Er kann ein Belastungs-EKG machen, um herauszufinden, ob die Beschwerden vom Herzen kommen. Haben sie die Beschwerden in Ruhe, sind sie allgemein eher nicht vom Herzen.

Bei mir wurde letzte woche eine Katheterablation wegen Extrasystolen durchgeführt. Es ist anscheinend alles gut gegangen und ich habe seit dem her keine Rythmusstörungen gespürt. Das Problem ist, dass mein Blutdruck jetzt höher ist als vor der Ablation. Ich habe Bluthochdruck, habe aber immer gute Werte dank 1/2 Pemzek Plus am Abend gehabt. Jetzt kann der Druck auf 160/95 gehen, ja sogar höher wenn ich mich wg dem hohen Druck aufrege. Habe Sie eine Erklärung?

Roland von Känel: Möglich ist, dass der psychische und körperliche Stress nach der OP auch den Blutdruck erhöht und es nur eine Frage der Zeit ist, bis der BD sich normalisiert. Heftige, vor allem negative Gefühle, wie Ärger, können den BD zusätzlich hochtreiben, das ist gut bekannt. Mit ihrem Hausarzt zusammen sollten sie den BD beobachten und er wird nach Bedarf weitere Massnahmen einleiten.

Guten Abend, eine meiner Kolleginnen musste sich einer Herztransplantation unterziehen. Seit des Eingriff, von dem sie sehr grosse Angst hatte, hat sie sich sehr verändert. Sie hat zum Teil ganz andere Vorlieben als vorher, sie verhält sich auch ganz verändert. Ist diese Veränderung Psychisch bedingt?

Roland von Känel: Das ist möglich und müsste in einem Gespräch mit einer Fachperson evaluiert werden. Ich rate ihrer Kollegin sich an den Hausarzt zu wenden.

Ich habe die Sendung über Herz und Psyche mir gerade angeschaut,Sie spricht mir für meinen Vater aus dem Herzen.Vor ca 4 Jahren mussten verschiedene Gefässe mit Stent behandelt werden.Lebt seither nur in grosser Angst, beim kleinsten Druckgefühl wird sofort BD gemessen, den er durch die Angst sehr ansteigen lassen kann.Wie könnte ich Ihm helfen? Wäre eine Selbsthilfegruppe etwas oder Psychologische Hilfe? Ihre Sendung hat mich sehr aufgewüllt,weil ich schon lange sehe,das es Ihm nicht gut geht.

Roland von Känel: Psychologische Hilfe wäre sicher nicht falsch. Ueber den Hausarzt könnten sie an eine geeignete Stelle/Fachperson überwiesen werden. Die Teilnahme an einem kardialen ambulanten Rehabilitationsprogramm (z.B. am Inselspital Bern) oder auch stationär in einer geeigneten Klinik wäre eine gute Option. Der HA müsste ihren Vater dorthin überweisen.

Vor genau zwei Monaten habe ich einen Herzinfarkt erlitten, den zweiten nach 6 Monaten. Nun hat man eine Kathetertherapie mit 3 Stans durchgeführt. Nach zwei Tagen Spitalaufenthalt wurde trotz meinem Wunsch in die stat. Rehab nach Hause geschickt. Vor einem Jahr hatte ich Burnout und in stationärer Behandlung. Zudem habe seit 10 Jahren rheumathoide Polyartritis und seit Ewigkeiten Schlafapnoe. Bin psychisch sehr labil, gehe in die amb. Rehab. Ca jeden 2.3. Tag habe ich Krise, Depressionen.

Raphael Koller: Leider sind die Krankenkassen in der Gewährung von Kostengutsprachen für die stationäre Rehabilitation heute restriktiv. Ich denke, Sie benötigen zusätzlich zur ambulanten Rehabilitation eine psychologische oder psychiatrische Begleitung. Wenden Sie sich an Ihren behandelnden Arzt.

60J. Frau, BMI 22.5, keine Diabetes, Herzinfarkt 2006, Reststenose 2007, Stenose 2011, atypische Symptome, Ungewissheit bei Beschwerden, wann ist \"falsch Alarm\" und wann ist Herz Gefahr. M.R.

Raphael Koller: Das ist eine schwierige Frage, die sich in einem Chat so kurz nicht beantworten lässt..... Häufig sind Patienten nach einem Infarkt durch verschiedenartige Brustschmerzen verunsichert. Wenn es sich um typische Brustschmerzen (Druck, Engegefühl auf der Brust) ausgelöst durch emotionale oder körperliche Belastungen handelt und sich die Beschwerden durch die Einnahme von kurzwirksamem Nitroglycerin rasch und eindeutig verbessern, spricht dies für organische Beschwerden (Angina pectoris) - bei atypischen Beschwerden muss eine erweiterte Diagnostik (Belastungstest) durchgeführt werden. Es ist oft ein langer Weg, wieder Vertrauen in seinen Körper zu finden, lernen verschiedene Brustschmerzen zu unterscheiden. Vielleicht kann ein regelmässiges Training in einer Herzgruppe helfen, vielleicht brauchen Sie andere professionelle Betreuung und Begleitung - ich kann das so nicht entscheiden. Sprechen Sie mit einem Arzt Ihres Vertrauens offen über Ihre Aengste und Verunsicherung.

Vor 3 Jahren war ich bei Ihnen in der Klinik Barmelweid in der Reha nach einer Mitralklappenoperation mit Komplikationen (Aortariss und schwerer Herzinfarkt). Seit der OP im Unispital Basel fühle ich mich mit meinem Schicksal allein gelassen. Es plagen mich Todes-Ängste, ich bin körperlich eingeschränkt, habe deshalb beruflich Probleme und bin auch nicht mehr fähig, sexuell meinen Mann zu stehen. Gerne würde ich bei Ihnen bei einer Studie mitarbeiten.

Roland von Känel: Danke für Ihre Bereitschaft, bei einer Studie mitzuwirken. Im Moment schliessen wir aber nur Patienten ein, welche einen akuten Herzinfarkt erlitten haben und dann innerhalb von 48 h eine Beratung erhalten. Ich denke aber, dass sie von einer erneuten stationären Rehabilitation, diesmal in der Psychosomatik der Klinik Barmelweid profitieren könnten. Die Kardiologen im Haus werden bei Bedarf immer beigezogen. Ihr Hausarzt kann mit Ihnen besprechen, ob eine Einweisung sinnvoll ist, wobei vorgängig ein sogenanntes Vorgespräch erfolgen würde.

C.B. bis jetzt gesund und normalgewichitg: Seit einiger Zeit beobachte ich folgendes Symptom: In immerwierkehrenden Abständen (3-4Mt) wird es in meiner Brust eng, der Kiefer und die Zähne schmerzen sich sehr stark, der ganze Kopf steht unter einem Druck, der mir Angst macht. Meistens kommt auch noch Atemnot dazu. Das Ganz dauert ca 1 min und flösst mir richtig Angst ein. Da es nur kurz ist, habe ich bis jetzt einen Arztbesuch unterlassen. Was raten sie mir? Kann das Angina Pectoris sein?(bin 58)

Raphael Koller: Kommen diese Epsioden bei körperlichen oder emotionalen Belastungen oder einfach so? Gibt es auslösende Faktoren? Haben Sie Gefässrisikofaktoren (Nikotin, hoher Blutdruck, familiäre Belastung mit Herzkrankheiten, hohes Cholesterin, Diabetes?). Eine Angina pectoris ist nicht ausgeschlossen, aber es kommen auch andere Ursachen in Frage. Ich denke, Sie sollten sich Ihrem Hausarzt vorstellen und dieser wird dann eine Abklärung bei einem Herzspezialisten veranlassen. Da die Beschwerden für Sie bedrohlich sind, muss man rausfinden, was da los ist.

Könnte es sich bei starkem Zittern/Schüttelfrost (inkl. extremem Kältegefühl) am frühen Morgen VOR dem Aufstehen mit einem Engegefühl im Brustbein-Bereich und Atemnot (nach Thrombolyse - Thrombus im Herzen - und Vorhofflimmern) bei meiner Mutter, 86, um ein psychosomatisches Leiden handeln? Anlässlich notfallfmässiger Spital-Einweisung wurde Temesta abgegeben und nun auch vom Hausarzt verschrieben. Die Beschwerden treten z.Zt. täglich am frühen Morgen auf, beängstigen sehr. Ansonsten Cordarone.

Roland von Känel: Schüttelfrost und Kältegefühl sind sehr unwahrscheinlich auf eine Herzkrankheit zurückzuführen. Die Vorgeschichte u.a. mit Temesta (ein angstlösendes Medikament) spricht sehr für eine Angsterkrankung, die fachgerecht behandelt werden sollte. Leider macht Temesta bei einer Einnahmedauer von über 3-4 Wochen abhängig und die Dosis muss häufig erhöht werden. Es gibt geeignetere Psychopharmaka für Angststörungen, die nicht abhängig machen. Unbedingt sollten Gespräche in Form von Psychotherapie mit durchgeführt werden. Bei Cordarone unbedingt auch die Schilddrüsenfunktion prüfen lassen, bei Unterfunktion können ebenso psychische Beschwerden auftreten, allerdings typischerweise Depressionen und weniger Angstzustände. Achtung man kann auch "Flöhe und Läuse" haben, also Angstgefühle psychisch und durch Medikamente bedingt.

Chat-Admin: Der Live-Chat ist beendet - danke für Ihr Interesse! Mehr Informationen zum Thema, den PULS-Schwerpunkt dazu und ein ausführliches Interview mit Prof. Herrmann-Lingen finden Sie auf http://www.srf.ch/gesundheit/gesundheitswesen/herzinfarkt-medizin-mit-herz-und-seele

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