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Die Fachrunde des PULS-Chats
Legende: Juliane Ball, Lorena Eisenegger, Angela Häne und Christine Poppe srf

Zwangsstörungen «Ab welchem Alter werden Zwangsstörungen diagnostiziert?»

Juliane Ball, Lorena Eisenegger, Angela Häne und Christine Poppe haben Ihre Fragen im «Puls»-Chat beantwortet.

Fachpersonen im «Puls»-Chat

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Dr. Juliana Ball
Eidg. anerkannte Psychotherapeutin FSP
Leitende Psychologin / Leitung der Spezialsprechstunde Tic & Zwangsstörung
Psychiatrische Universitätsklinik Zürich

Dr. Lorena Eisenegger
Eidg. anerkannte Psychotherapeutin / Fachpsychologin für Psychotherapie FSP
Klaus-Grawe-Institut für Psychologische Therapie

Dr. Angela Häne
Eidg. anerkannte Psychotherapeutin / KVT-Supervisorin FSP
Die Psychologinnen Praxis für Psychotherapie

Dr. Christine Poppe
Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie FMH
Leitende Ärztin & Bereichsleiterin
Ambulante Psychiatrie Wil

Chat-Protokoll

1. Welche Medikamente empfehlen Sie? 2. Ich bin auf der Suche nach einem Spezialisten. Ich bin seit über 20 Jahren ziemlich erfolglos in Therapie und habe viele Medikamente ausprobiert. Können Sie mir einen Therapeuten/In in Bern oder der näheren Umgebung empfehlen, der/die wirklich spezialisiert ist? 3. Mein IV-Gutachter stellte die Diagnose paranoide Schizophrenie, obwohl alle meine bisherigen Therapeuten von einer Zwangsstörung sprechen. Ist eine solche Fehldiagnose medizinisch überhaupt theoretisch möglich? Vielen Dank zum Voraus!

Christine Poppe: Guten Abend. Im Rahmen von schizophrenen Erkrankungen können auch Zwangssymptome auftreten. Aus der Ferne lässt sich dies nicht diagnostizieren. Abhängig von der Diagnose werden Medikamente eingesetzt. Bei Zwängen geben wir zunächst Serotoninwiederaufnahmer, welche bei unzureichender Wirkung mit einem Antipsychotikum kombiniert werden können. Gemäss Leitlinien werden Risperidon, Aripiprazol, Quetiapin oder auch Amisulprid empfohlen. Bei der Therapeutensuche kann Ihnen die SGZ behilflich sein unter www.zwaenge.ch

Guten Abend Mein Sohn (15) leidet seit 4 Jahren an einer starken Zwangsstörung und bis jetzt haben wir leider noch keine wirklich hilfreiche Therapieform gefunden. Ich habe eine Sendung über die vielversprechende Wirkung von psychedelischen Pilzen gesehen, die unter ärztlicher Aufsicht bei Zwangsstörungen und Depressionen grosses Potential haben könnten. (Es wird daran geforscht.) Was halten Sie davon? Kennen Sie weiterführende Adressen in der Schweiz dazu?

Juliane Ball: Im Bereich des Kindes- und Jugendalters sind mir entsprechende Studien und weiterführende Adresse nicht bekannt. Weder die deutschsprachigen, noch die internationalen Leitlinien zur Behandlung von Zwangsstörungen bei Kinder- und Jugendlichen sehen einen solchen Behandlungsansatz vor. Ich kann davon nur abraten.

Ich leide seit Jahren unter Zwängen. Ich habe das Problem Dinge/Sachen/ innerlich (in meinem Kopf) festhalten zu müssen und es nicht loslassen zu können. Z.B. im Restaurant nochmals nachfragen zu müssen ob das Hahnenburgerwasser wirklich nichts kostet. Ich bringe es nicht fertig einfach loszulassen auch wenn ich die Antwort bekommen habe. Unter Umständen schleppe ich dies Wochen-Monate lang mit mir herum ohne es loslassen zu können. Woran liegt das? Wo könnte die Ursache dafür sein? Und wie komme ich davon los? Ich halte das so fest, wie ein Hund seinen Knochen. Danke für die Antwort.

Lorena Eisenegger: Sie leiden unter gedanklichen Zwangshandlungen, Antworten gedanklich «festhalten zu müssen» um diese nicht zu verlieren. Es loszulassen löst Anspannung aus, weshalb es sehr schwer fällt, dies einfach zu unterlassen, das ist genau ein Definitionskriterium für eine Zwangsstörung. Bezüglich Ursachen geht von einem Bio-Psycho-Sozialen Modell aus, das heisst eine biologische Vulnerabilität kann eine Rolle spielen, psychische Faktoren wie z.B. Selbstunsicherheit und soziale Faktoren wie z.B. eine belastende Lebenssituation bei Beginn der Zwangsstörung. Eine spezialisierte psychotherapeutische Behandlung bringt gute Chancen, dass Sie Ihre Zwänge verringern können. Medikamente können bei Bedarf unterstützend wirken.

Unsere Tochter (10) stellt uns seit kurzem immer während und nach dem zu Bett gehen ganz viele «komische» Fragen, zu denen sie die Antworten eigentlich selbst kennt. Letztens fragte sie uns z.B. ob ein Blatt Papier anfangen kann zu brennen weil sie am Nachmittag eine Geschichte darauf geschrieben hat in der das Wort «Feuer» vor kommt. Oder z.B. ob es gefährlich ist das ihr Fuss das innere ihrer Unterwäsche beim Umziehen berührt hat. Ist das nur eine «Phase» (Zeit bis ins Bett hinauszögern z.B.) oder sollen wir etwas unternehmen?

Juliane Ball: Gerade vor dem Einschlafen kommen viele Gedanken über den Tag, was passiert ist, oder was hätte passieren können. Sie können bei solchen Fragen, von denen Sie denken, dass Ihre Tochter die Antwort kennt, auch eine Rückfrage stellen «Was denkst du?» Zeigen Sie ihr, dass Sie es gut finden, dass Sie die Antwort kennt und auch auf sich und Ihre Antwort vertrauen kann. Achten Sie darauf, dass Sie nicht zusätzlich eine Rückversicherung geben (im Sinne von «Da kann nichts passieren» oder «Das macht nichts»). Lenken Sie die Aufmerksamkeit auf schöne gemeinsame Dinge am Abend. Sollte dies nicht helfen, suchen Sie professionelle Hilfe auf.

Wäre es möglich, dass (leichte) Zwangsstörungen erst im höheren Alter (> 80 Jahren) in Erscheinung treten? – Wenn vom Partnern verlangt wird, Hände zu waschen nach Benützen von eigenen Zeitungen. – Wenn ebenfalls nach Benützung von Leim oder anderen Stoffen/Materialien (beim Basteln , die die Luft etwas verunreinigen) extrem reagiert wird. – Wenn sehr empfindlich gegen etwas Mundgeruch nach entsprechenden Speisen reagiert wird. Vielen Dank für ihren Kommentar.

Christine Poppe: Es ist eher ungewöhnlich, dass Zwangsstörungen in diesem Alter neu auftreten. Manchmal treten dann jedoch gewisse Marotten und Eigenheiten zu Tage. Ebenso kann es sein, dass unter einem wie auch immer gearteten psychischen Stress, gewisse Ereignisse im Umfeld weniger gut toleriert werden können als früher. Dann könnte es hilfreich sein, nachzufragen, wie das allgemeine Befinden ist, körperlich und psychisch, dass Sie sich Sorgen machen

Ich denke ständig, sogar in Situationen wo ich mich gerne auf ein Gespräch konzentrieren möchte. Ich hatte auch Gedanken wie „Da kommst du nicht mehr heraus“ die zwar meine Eigenen waren aber mir extreme Angst gemacht haben. Ich ständig denken ohne den Fokus auf ein Gespräch lenken zu können oder auf einen TV-Film konzentrieren geht nicht, obwohl ich das will! Ist das auch eine Form einer Zwangsstörung?

Christine Poppe: Das müsste man genauer abklären. Es gibt Zwangsgedanken, welche sich dem Bewusstseinsstrom aufdrängen, die der Betroffene versucht zu verdrängen. Davon Abgrenzen muss am eine Aufmerksamkeitsstörung, bei der Schwierigkeiten vorhanden sind, die Aufmerksamkeit über längere Zeit zu fokussieren und sich nicht ablenken zu lassen. Eine genauere Untersuchung wäre sicher gut.

Guten Abend Mit Interesse habe ich die Sendung Puls zum Thema «Zwangsstörung» gesehen. Hierzu habe ich eine Frage resp. möchte ich gerne eine aktuelle Situation schildern. Mein Sohn, 11 Jahre, hat seit Wochen das Gefühl, er könnte jemanden etwas angetan haben. Der Auslöser hierzu war eine Geschichte die er gehört hatte, in welchen ein Verbrechen geschildert wurde. In diesem wurde jemand ermordet und im Garten vergraben. Nun plagen ihn (für uns Eltern irrationale) Gedanken und Sorgen, er könnte das auch getan haben. Verschiedene Gespräche und Zusicherungen, dass alles in Ordnung sei erzielen nicht die Gewünschte Wirkung. Er ist seit Tagen merklich in der Stimmung gehemmt und macht einen unglücklichen / angespannten Eindruck. Wir fragen uns aktuell wie wir mit dieser Situation umgehen sollen und können nicht ausschliessen, dass sich das Gefühl noch verstärken könnte. Seine Tendenz ist seit längerem sich in ein (negatives) Gedankenkarussell zu verstricken. Vielen Dank für Ihre Einschätzung.

Juliane Ball: Guten Abend, vielen Dank für Ihre Frage. Kinder, die in ihrem Wesen oft sehr korrekt und genau sind, können durch solche Geschichten stark verunsichert sein und sich fragen, ob sie auch in der Lage wären, so etwas zu tun. Rückversicherungen, so wie Sie es gemacht haben, sind ebenfalls typische Elternreaktionen, die aber nur kurzfristig helfen und meist längerfristig zur Aufrechterhaltung der Ängste beitragen. Gehen Sie im Gespräch auf seine Ängste ein, dass man sich so etwas fragen kann und dass solche Fragen Angst machen und geben Sie ihm das Vertrauen, dass er mit der Angst umgehen kann. Sollte er sich weiter zurückziehen und traurig sein, sollten Sie professionelle Hilfe aufsuchen.

unser 19 jähriger Sohn leidet seit 20Monaten an einem schweren Waschzwangsstörung. Er hatte über ein halbes Jahre eine ambulante Therapie und jetzt einen 8wöchigen Aufenthalt in der Klink Kilchberg. Leider hat er nach der Rückkehr nach Hause alle alten Gewohnheiten wieder aufgenommen und seine Absicht im Herbst sein Studium aufzunehmen scheint unrealistisch zu sein. Wir als Eltern sind an unsere Grenzen gestossen und wissen, dass wir ihm nicht helfen können. Er wehrt sich aber strikte gegen einen Auszug von zu Hause in eine eigene Wohnung. Was haben wir für Optionen? Bringt eine Gefährdungsmeldung an die Kesb etwas – was könnten wir tun um eine Veränderung mit seinem Einverständnis zu bewirken? Herzlichen Dank für ihre Stellungnahme

Christine Poppe: Das ist eine schwierige Situation für Sie als Eltern. Falls Ihr Sohn sich weiterhin in ambulanter Therapie befindet, würde ich ihn darum bitten, dass Sie ein gemeinsames Gespräch mit dem Therapeuten planen, um in diesem Rahmen Ihre Grenzen und Belastungen aufzuzeigen. Eine Gefährdungsmeldung bei der KESB wird in der Regel nur dann weiterverfolgt, wenn die betroffene Person sich nicht mehr selbständig versorgen kann, Verwahrlosung und somit eine ernsthafte Selbstgefährdung droht.

Warum und wie kann aus einem unbehandelten ADS eine Zwangsstörung entstehen?

Juliane Ball: Bei 10-15% der ADHS Patienten kann komorbid eine Zwangsstörung auftreten. Manchmal können die Zwänge eine Funktion haben, Defizite oder Schwierigkeiten der ADHS / ADS auszugleichen. Z.B. fange ich an, mehr zu kontrollieren, weil ich auch in der Tat mehr verliere. Welche Zusammenhänge gegeben sind, und welche Funktion der Zwang hat, ist immer ein Thema der individuellen Therapie.

Guten Abend zusammen Ich habe oft Gedanken das mir verschiedene Formen von Gewalt (sexueller, körperlicher, psychologischer Natur) angetan wird, dies erregt mich. Ist dies Besorgniserregend, muss ich dagegen etwas tun? Danke für Ihre Bemühungen.

Christine Poppe: Zwangsgedanken werden mit unangenehmen Gefühlen von Angst, Anspannung, Ekel erlebt, nicht mit einem angenehmen Gefühl. Die Betroffenen erleben diese als störend und lästig. Um die von Ihnen geschilderten Symptome diagnostisch besser zu verstehen, rate ich Ihnen einen Facharzt aufzusuchen

Mein Bruder 59 leidet seit der Pubertät an Zwangsstörungen: Wusch sich extrem oft die Hände, konnte Türklinken nicht anfassen, öffnete Türen immer mit den Füssen, wickelte persönliche Dinge in Zeitungspapier ein, damit sie sauber «blieben», gab niemandem die Hand zur Begrüssung und mied jede körperliche Berührung mit Menschen etc. . Diese Zwangsstörung wurde nie von jemandem thematisiert. Er kommt irgendwie durch das Leben. Er lebt allein und übt seinen Beruf überaus zuverlässig aus. Nach meiner Einschätzung haben sich die Zwangsstörungen verändert, sind weniger ausgeprägt. Es fällt mir auf, dass er Menschen, die ihn gut kennen (Familienmitglieder) nicht gerne trifft, sie nicht berührt, wenn es nicht anders geht, gibt er ihnen zur Begrüssung ganz steif die Hand. Unsere Mutter besucht er nie im Altersheim. Er ruft sie jedoch täglich an. Anderen Menschen gegenüber verhält er sich fast normal, lediglich körperlichen Berührungen weicht er aus. Unsere Mutter leidet sehr darunter, dass er sie nie besucht, weiss aber nicht, warum. Wie könnte ich ihm wohl helfen?

Lorena Eisenegger: Sie nehmen die Verhaltensweisen Ihres Bruders sehr aufmerksam wahr. Es ist häufig so, dass sich der Inhalt oder die Art der Zwänge über die Zeit etwas verändert. Der erste Schritt wäre wohl vorsichtig ein Gespräch mit ihm zu suchen. Wenn Sie bisher, wenn ich Sie richtig verstanden habe, kaum über die Zwangsstörung gesprochen haben, kann es auch gut sein, dass Ihr Bruder das ablehnt oder abweisend/verschlossen reagiert. Sie könnten z.B. Themen ansprechen wie, wie es ihm geht, wie stark er sich durch seine Zwangsstörung belastet fühlt, ob er sich je überlegt hat eine Behandlung in Anspruch zu nehmen, oder das vielleicht auch bereits probiert hat. Wenn er ablehnend reagiert, bringt es aber wenig ihn zu einem Gespräch zu drängen.

Seit meinem 17. Lebensjahr reisse ich mir zwanghaft meine Augenbrauen und Wimpern aus, ich denke es ist Trychotillomanie. Ich bin jetzt 50 Jahre alt und habe es mit Hypnose und Cranio Sacral Therapie, NLP.. versucht, ohne dauernden Erfolg. Gibt es eine greifende Therapie?

Christine Poppe: Bei Trichotillomanie gibt es eine Methode, welche sich Habitual Reversal Training nennt. Dabei geht es darum, alternative Handlungen auszuführen, wenn der Druck zu stark wird, sich die haare auszureissen.

Ich habe seit längerer Zeit einen Kontrollzwang. Ich muss zB. morgens jeweils 5 Minuten kontrollieren ob der Herd effektiv ausgeschaltet ist. Zusätzlich mache ich jeweils ein Foto vom Schalter. Was gibt es für Empfehlungen um sich davon zu befreien?

Angela Häne: Wenn dieses Kontrollieren – das mit 5 Minuten zeitlich machbar ist – aber mit Belastung oder Leidensdruck verbunden ist, rate ich als erstes zu einem Selbsthilfebuch z.B. «Tyrannen in meinem Kopf. Zwangsgedanken überwinden», ein Selbsthilfebuch von Sally M. Winston und Martin N. Seif. Darin enthalten sind Informationen, Erklärungen und aber auch Strategien zum eigenständigen Verändern / Abbauen von Zwangshandlungen. Sollte das auf Dauer nicht genügen, lohnt sich die Abklärung bei einem Spezialisten. Zwänge neigen zur schnellen Chronifizierung, je schneller Sie professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, umso besser.

Guten Abend Was können Auslöser für Trichotillomanie sein? Und welche Sofortmassnahmen sind am Meisten erprobt?

Juliane Ball: Auslöser können intraindividuell sehr verschieden sein. Das Haare Ausreissen kann beispielsweise als angenehm empfunden werden, weil es ein unangenehmes inneres Gefühl verdrängt. Es kann aber auch passieren, dass das Haare Ausreissen in entspannten Situationen wie Fernsehen oder Lesen auftritt. Es lohnt sich, das eigene Verhalten sowie die Situationen davor und danach genau zu beobachten, um Ansatzpunkte zur Veränderung zu finden.

Guten Abend Ich bin ständig am zählen von irgend etwas, das können Muster eines Vorhanges sein, parkierte Autos, Plattenbeläge, Lampen etc. etc. Ich bin 67, somit pensioniert. Die Zwangsstörung hatte ich früher schon, die letzten Jahre weniger, jetzt aber wieder viel mehr. Ich bin auch tagsüber sehr viel müde, habe keine Energie, einen Grund dafür finden die Ärzte nicht. Könnte mir Yoga ev helfen, oder was kann ich selber dagegen unternehmen. Besten Dank für eine Antwort

Christine Poppe: Es gibt ein paar Untersuchungen, welche eine positive Wirkung von Yoga auf das Ausmass von Zwängen zeigen. Die Wirkung geht dabei von der allgemeinen Senkung des Anspannungsniveaus aus. Müdigkeit und wenig Energie könnten Hinweise auf eine Depression sein. Wenn die Stimmung schlecht ist, kann es sein, dass sich Zwangssymptome verschlechtern. Unabhängig davon, könnte es sinnvoll sein, eine bildgebende Untersuchung mit Ct oder MRI vornehmen zu lassen, wenn Zwänge sich in einem bestimmten Alter verstärken.

Guten Abend Was für Therapien würden Sie mir nach gescheiterter Stationärer und Medikamentöser Behandlung empfehlen? Ich habe eine Studie über den Einsatz von Psilocybine gsehen, welche vielversprechende Resultate vorzuweisen hatte. Wie sieht es in der Schweiz mit solchen Therapien aus?

Christine Poppe: In einem ersten Schritt würde ich überprüfen, ob es sich bei der stationären Therapie um eine Behandlung in einem spezialisierten Setting gehandelt hat oder nicht. Es gibt unterschiedliche Angebote: Kognitive Verhaltenstherapie und Acceptance und Commitment Therapie. manchmal hilft das andere Verfahren, wenn es mit dem ersten nicht weiterging. Psilocybine wird aktuell in der Schweiz standardmässig nicht eingesetzt. Wenn eine Behandlung mit Antidperessiva keine ausreichende Wirkung zeigt, kann eine Kombination mit einem niedrig dosierten Antipsychotikum erwogen werden. Oder dann, wie in der Sendung erwähnt, die Tiefenhirnstimulation .

Ich habe vermehrt angefangen, den Herd zu kontrollieren ob etwas noch angeschaltet ist. Wie kann ich dies im Keim ersticken bevor es stärker wird?

Lorena Eisenegger: Probieren Sie, ob es Ihnen gelingt, die Handlungen bewusst zu unterlassen und den Herd jeweils zügig (nicht hastig) auszuschalten ohne weitere Kontrollen. Es wird dann vermutlich eine Anspannung aufkommen. Wenn es gelingt, die Kontrolle trotz Anspannung zu unterlassen, wird die Anspannung mit der Zeit nachlassen und weniger werden. Sie werden rasch merken, ob Ihnen die Veränderung gelingt oder ob der Drang nach Kontrolle zu stark ist, sodass es ohne externe Hilfe schwer fällt, Ihr Verhalten zu ändern.

Grad heute Nachmittag eröffnete mir mein jüngster sohn ( 32 jährig) dass er unter zwangsstörungen leidet. Mir ist schon lange aufgefallen, dass er sein leben nicht mehr wie gewohnt, unter Kontrolle hat. Ich habe ihn damals direkt behutsam angesprochen. Er wollte sich dazu nicht äussern. Heute habe ich ihn erneut angesprochen. Er sei, ohne unser wissen, seit längerem in psychologischer betreuung. Er hat mir heute in einem sehr guten offenen gespräch viel erzählt. Im Bewusstsein, dass er erwachsen ist, frage ich sie nun: Wie und wie tief können wir, Ich als mutter und seine beiden brüder, ihn begleiten und unterstützen? Wir haben alle eine gute , offene Beziehung untereinander. Der vater geht aussen vor..... Herzlichen dank für eine inhaltsvolle antwort.....

Angela Häne: Guten Abend, Es ist ein Zeichen von grossem Vertrauen, dass Ihr Sohn sich Ihnen anvertraut hat. Und es ist sehr gut zu wissen, dass er professionelle Hilfe annimmt. Sie als Angehörige können Ihn ermutigen, wenn es in der Behandlung vielleicht einmal mühsam oder «anstrengend» wird, für Ihn da sein. Ihn bestärken, wenn er Fortschritte erzielt und seinen Handlungsspielraum wieder vergrössert. Ich empfehle auch immer ein Gespräch, wo der Betroffene gefragt wird «was wünschst du dir von mir/uns?».

Guten Abend. Ich finde Schmuck und besonders Armbanduhren sehr ekelerregend. Ich kann Schmuck nicht anfassen und wenn Leute viel Schmuck tragen ekle ich mich vor ihnen. Ist das eher eine Zwangsstörung oder geht das Richtung Phobie?

Christine Poppe: Das Phänomen, dass bestimmte Situationen aufgrund von Ekelgefühlen vermieden werden, rechnen wir zu den Zwangsstörungen

Ich bin schon beim Psychiater. Ich habe Depressionen und angefangen hat alles mit Zwängen. Angst vor Atomunfällen (ich war 15 als Tchrrnobyl war), vor Chemieunfällen, Flugzeugabsturzes. Dann kam Fukushima und ich ging regelmässig mit zwei der Grünen an eine Mahnwache. Ich hatte angefangen, viel Gin zu trinken. Zum Glück ging das nach 2 Jahren vorbei mit dem Trinken. Dafür hatte sich mein Mann von mir scheiden lassen (er ging von heute auf Morgen, obschon 2 Kinder. Ich bin daraufhin zusammengebrochen) und deshalb zum Psychiater. Ich nehme Unmengen von Psyhomarka. Mit 16 hatte ich Magersucht, wenig später war ich polytoxicoman (Heroin usw.). Ich habe das mit der Schrift, muss viele Buchstaben überfahren. Oft. Dann ist die Sache mit dem Herd. Es macht mich unglücklich. Zufrieden nicht mit zählen. Was raten Sie mir?

Christine Poppe: Guten Abend. Sie beschreiben eine komplexe Situation, welche so einfach nicht zu beantworten ist und eine genaue Analyse der Situation erfordert. Falls Sie noch keine spezifische Verhaltenstherapie mit Expositionstraining gemacht haben, könnten Sie diesen Ansatz mit Ihrem Psychiater diskutieren. Gute Erfahrungen gibt es auch mit dem Ansatz der Acceptance und Commitment Therapie.

Was ist bei einer Psychotherapie von Zwängen ein erfolgreicher Ansatz? Insbesondere wenn die Zwangsgedanken und Handlungen schon lange Teil des Alltags und so «gut» integriert sind, dass der Alltag zwar gut bewältigt werden kann, man sich aber in seiner Lebensqualität eingeschränkt fühlt. Würden Sie zudem die Konfrontationstherapie bei Zwängen empfehlen?

Lorena Eisenegger: Kognitive Verhaltenstherapie mit Exposition, also Konfrontationstherapie, ist der bisher am besten evaluierte Therapieansatz. Wenn dieser Behandlungsansatz bisher nicht ausprobiert wurde, würde ich das auf jeden Fall empfehlen.

Ab welchem Alter werden Zwangsstörungen diagnostiziert? Können Zwangsstörungen wechseldes Verhalten hervor rufen? oder ist es dann es eher ein Tick?

Juliane Ball: Zwangsstörungen können bereits im Kindes- und Jugendalter auftreten. Die frühsten Zwangsstörungen sind ab einem Alter von 3-4 Jahren bekannt. Die Diagnose kann bereits in diesem Alter gestellt werden. Typischerweise tritt der erste Erkrankungsgipfel mit 11-12 Jahren und der Zweite mit 21-22 Jahren auf. Zu unterscheiden von Zwangsstörungen sind Ticstörungen, bei denen es sich um unwillkürliche motorische Bewegungen oder vokale Äusserungen handelt, die aber nicht durch Angst oder Ekel hervorgerufen werden. Sprachlich sprechen viele Menschen von Ticks oder Mödeli und meinen dann Zwangsstörungen.

Guten Abend Wie hoch ist die übliche Dosis von z.B Sertralin bei Zwangsstörungen?

Christine Poppe: In der Behandlung von Zwängen wird üblicherweise eine Dosis von 150 – 200 mg eingesetzt. Die Dosis wird an die Wirkung und die Verträglichkeit angepasst

Guten Abend meine Tochter 21 Jahre alt hat schon seit langer Zeit immer das Gefühl das irgendetwas körperlich nicht stimmt. Sie wurde schon ganz viel ärztlich abgeklärt und nichts wurde gefunden. Nun hat sie vor ca 7 Wochen ihren re Fuss so stark unterkühlt mit einem Cold päck das ihr der re Unterschenkel amputiert werden musste. Die Ärzte äusserten dan das ihre Erzählungen über Den Unfallhergang nicht stimmen können u das sie sich evtl selber so stark verletzt hätte. Könnte das eine Zwangsstörung sein? Wir sind sehr hilflos u können es überhaupt nicht verstehen meine Tochter verneint das auch ganz klar. Danke

Lorena Eisenegger: Guten Abend. Das klingt nach einer psychischen Störung aber nicht nach einer Zwangsstörung. Aus Ihren Schilderungen könnte es z.B. eine Angsterkrankung oder auch eine körperdysmorphe Störung sein – oder natürlich auch noch etwas ganz anderes. Auf jeden Fall würde ich versuchen Ihre Tochter dazu zu motivieren, mit einer psychologisch/psychiatrischen Fachperson zu sprechen, damit sie eine diagnostische Einschätzung bekommen und Ihre Tochter die nötige Unterstützung bekommt.

Ich habe schon seit längerem eine Diagnose generalisierte Angststörung. Seit Beginn von Corona hat sich die Angst sehr verstärkt und Fokussiert auf eine mögliche Ansteckung. Nun brauche ich seither sehr viel Händedesinfektion. In der Sendung habe ich jetzt die Beispiele von Zwangsstörung gesehen und frage mich ob ich das auch habe da ich mich darin erkenne.

Christine Poppe: Im Zusammenhang mit der Covid-Pandemie haben wir wiederholt, Patienten gesehen, welche durch die Hygienevorschriften stark verunsichert waren und das rechte Mass dabei verloren haben. Die Symptome, welche Sie beschreiben, könnten in diese Richtung gehen. daher rate ich Ihnen, dies spezifisch, mit einem Spezialisten abzuklären.

Ich habe den Zwang, vor und nach Besuch (auch von meinen erwachsenen Kindern sowie meinem Partner, der nur am Wochenende bei mir ist) das WC sofort zu putzen und die Handtücher zu wechseln. Es schränkt mich zwar im täglichen Leben nicht komplett ein, aber ich merke, dass ich dadurch manchmal keine Lust mehr auf viel Besuch habe, da ich vor- und nachher immer in den Stress komme, wenn ich das WC nicht gleich reinigen und die Tücher nicht grad wechseln kann. Wie kann ich dies 'abschütteln'?

Lorena Eisenegger: Sie könnten ausprobieren, wie es ist, wenn Sie beim nächsten Besuch etwas Kleines davon weglassen, z.B. gewisse Schritte beim Putzen weglassen oder nicht alle Handtücher wechseln und beobachten, ob dies für Sie möglich ist oder nicht. Sie werden rasch erkennen, ob Sie selber in der Lage sind, Ihr Verhalten anzupassen oder ob Sie dazu Unterstützung von Aussen benötigen. Falls kleine Veränderungen gelingen, können Sie Schritt für Schritt Ihr Reinigungsverhalten reduzieren. Falls es nicht so leicht geht und Sie es verändern möchten, müssten Sie sich externe Unterstützung suchen.

Guten Abend Ich habe folgende Frage: Ich lebe in meiner Eigentumswohnung und habe einen Nachbar vis à vis in seiner Wohnung. Auf unserer Etage hat es ein Fenster. Das Problem ist, dass ich dieses nie aufmachen kann zum Lüften, ohne dass mein Nachbar, 38 jährig, dieses sogleich schliesst. Als mir das auffiel versuchte ich das Fenster zu verschiedenen Zeiten (z.B. um Mitternacht oder 5 Uhr am Morgen) aufzumachen, kaum war ich zurück in meiner Wohnung, schloss er dieses. Ich suchte das Gespräch mit ihm, er antwortete mir nicht? Handelt es sich hier um eine Zwangsstörung? Wie soll ich mich verhalten? Besten Dank und einen schönen Abend.

Angela Häne: Guten Abend, Das Verhalten Ihres Nachbarn kann ganz unterschiedliche Gründe haben, ich empfehle Ihnen, das direkte Gespräch mit ihm zu suchen und ihn zu fragen, warum das Fenster nicht offen sein kann zum Lüften.

Meine Tochter (7) ekelt sich vor Urin/Kot. – Beim Urin nutzt sie deshalb kein Wc-Papier. Kot abputzen kann sie, aber nur sehr ungern. Auch beim Duschen, will sie sich intim nicht berühren. (Mit etwa 4J hatten wir eine Phase, wo sie sogar Panik hatte das nach dem Händewaschen berührt zu haben). – sonst hat sie keine Angst vor Dreck. Frage: wie kann/soll ich sie dazu bringen, Wc Papier zu nutzen, korrekt zu duschen?

Juliane Ball: Ekelgefühle sind für alle sehr unangenehm. Es ist wichtig, dass Sie die Tätigkeiten für Ihre Tochter nicht übernehmen (Abputzen am WC oder Waschen). Benennen Sie das ungenehme Gefühl (Ekel; grausiges Gefühl) und trauen Sie Ihr zu, dass sie mit dem unangenehmen Gefühl umgehen kann. «Ich weiss, dass du das ganz unangenehm / eklig findest, und ich bin sicher, dass du mit dem Gefühl umgehen kannst.»

Unsere Tochter (7 Jahre) hat einen Zwang zur Asymmetrie bei Kleidungstücken; ein Socke wird nicht richtig hoch gezogen, ein Schuh muss immer offen sein, die Badehose muss schräg sitzen, der Träger vom Badeanzug wird bei einer Schulter runter gezogen, die Kappe wird schräg aufgesetzt … Sie kann uns den Grund dafür nicht erklären. Was empfehlen Sie uns?

Juliane Ball: Für Kinder ist es sehr schwer, zu sagen, was der Grund für ein solches Verhalten ist. Manchmal ist es einfach ein ungutes Gefühl oder etwas muss solange gemacht werden, bis genau ein gutes Gefühl entsteht. Wenn Sie wieder sehen, dass Ihre Tochter eine Asymmetrie herstellt, benennen Sie zunächst, dass Sie sehen, dass es ihr unwohl ist. Und ermutigen Sie Ihre Tochter, das unangenehme Gefühl auszuhalten. Trauen Sie Ihr offen zu, dass Sie das unangenehme Gefühl bewältigen kann. Bei Fortbestehen der Symptomatik mit entsprechenden Einschränkungen im Alltag würde ich zunächst mit dem Kinderarzt sprechen oder psychologische Hilfe aufsuchen.

Guten Abend Welche Medikamente können gegen Zwänge helfen? Vielen Dank!

Christine Poppe: Guten Abend. In der Behandlung von Zwängen werden moderne Antidepressiva aus der Gruppe der Serotoninwiederaufnahmehemmer eingesetzt. Dabei werden die Medikamente höher dosiert, als es in der Behandlung von Depressionen üblich ist. in der Regel wirken die Medikamente nach etwa 6-8 Wochen, d. h. die Betroffenen erleben weniger Ängste, können sich leichter von dem inneren Drang, den Zwang auszuführen, distanzieren. Auch Stimmung und Lebensqualität können sich verbessern. Wichtig ist, dass die einnähme der Medikamente therapeutisch begleitet wird, um die Selbsthilfekräfte zu stärken. Ohne Therapie kann es ansonsten nach dem Absetzen zu einem Rückfall kommen.

Soll ich den leeren Seifenspender immer wieder auffüllen oder besser leer lassen?

Lorena Eisenegger: Ich nehme an, Sie leben mit einer von Waschzwängen betroffenen Person zusammen. Je nachdem in welchem Alter die Person ist, ob Sie Seife überhaupt selber nachfüllen kann (bei einem Kind vielleicht nicht der Fall) würde ich die Seife nicht absichtlich leer lassen, ohne dies mit Ihrem Kind oder einer Behandlerin abzusprechen. Wenn aber die Seife üblicherweise bisher von der betroffenen Person aufgefüllt wurde, sollten Sie dies auch nicht einfach so noch zusätzlich übernehmen. Wenn es aber z.B. bereits der Fall ist, dass Sie auf drängen der betroffenen Person diese Hilfestellung übernommen haben (vielleicht fällt das Auffüllen z.B. schwer), dann sollten Sie eingespielte Hilfestellungen auch nicht ohne Absprache einfach wieder weglassen.

Guten Abend, ich kenne eine 2jährige, die sich ständig die Hände putzen/waschen will, beispielsweise beim Malen, Backen oder auch im Sandkasten. Ist dieses Verhalten normal? Danke für die Antwort.

Juliane Ball: Guten Abend, Zwangsstörungen können in selten Fällen schon im frühen Kindesalter beginnen (also vor dem Alter von 6 Jahren). Man spricht in diesem Fall von sogenannten early onset Zwangsstörungen. In dem frühen Alter sind aber auch Rituale sehr verbreitet (z.B. am Abend, beim Essen oder Baden) und Kinder haben Freude daran. Die Übergänge können fliessend sein. Es lohnt sich, das Verhalten zu beobachten, aber auch anzuregen, dass das Händewaschen noch aufgeschoben werden kann.

Guten Tag, Was macht man, wenn lautstarke Zwangshandlungen eines Mieters die Nachtruhe der anderen Mieter stören? Hat man als betroffener Nachbar kein Recht bzw. keine Chance auf ungestörten Schlaf? Und wie kann man dem betroffenen Menschen mit Zwangsstörung helfen, wenn er jedes Angebot aggressiv abwehrt. Danke für Ihre Antwort.

Lorena Eisenegger: Ich kann gut verstehen, dass Sie sich von lautstarken Handlungen eines Mieters mitten in der Nacht gestört fühlen. Auch scheint die Kommunikation zwischen Ihnen und Ihrem Nachbarn schwierig zu sein. Es ist sehr schwer von Aussen einer Person mit Schwierigkeiten zu helfen, wenn diese das nicht möchte. Auf der anderen Seite, wenn es sich bei Ihrem Nachbarn tatsächlich um Zwänge handelt, ist es für die betroffene Person sehr schwer bis unmöglich, die Handlungen einfach zu unterlassen.

Guten Abend zusammen. Zu Hause muss für mich immer alles am gleichen Ort stehen und aufgeräumt sein. Das gibt mir einerseits Ruhe, anderseits auch Stress, wenn es nicht so ist. Somit bin ich fast immer am aufräumen, weil ich lebe mit meinem Mann und meiner Tochter zusammen. Meistens verlasse ich erst das Haus oder gehe ins Bett, wenn alles am richtigen Ort ist, und ist Aufräumen das erste was ich mache wenn ich nach Hause komme. Unser Haus ist minimalistisch eingerichtet, weil zu viele Reize mich stören. Hätte ich keine Familie würde es noch weniger Möbel und Krimskrams geben. Ist das eine Zwangsstörung? Wenn ja, was kann ich dagegen machen und woher kommt das? Ich wünschte mir, ich wäre gelassener.

Lorena Eisenegger: Es könnte sein, dass Sie unter Ordnungszwängen leiden. Es könnte aber auch sein, dass Bedürfnis nach Ordnung oder wenig Reize eine andere Ursache hat. Zur genaueren Diagnostik würde ich Ihnen ein Gespräch mit einer Fachperson, einem Psychiater oder Psychotherapeuten, empfehlen.

Mich wuerde interessieren, ob es Studien zum Thema Zwaenge und Menstruationszyklus gibt (z.B. ausgepraegtere Symptome vor der Periode)? Gibt es Ansaetze fuer Zyklus basierte Therapie?

Juliane Ball: Es gibt eine Publikation zu « Psychische Störungen in den reproduktiven Phasen der Frau: Häufigkeiten, Verlauf und Besonderheiten « von Martini, Knappe, Garthus-Niegel & Hoyer, erschienen in Fortschritte der Neurologie Psychiatrie, 2016.

Guten Abend Spricht man bei erhöhtem Händewaschen und öfterem Reinigen während stressigen Zeiten oder Erschöpfungsphasen mit Vergesslichkeit, schneller Überreizung und langsamen Denken auch von Zwängen? ( Waschen ist jeweils einmalig pro Gefühl zu reinigen) In Zeiten wo ich Allem gerecht werde und alles um mich herum im Griff habe, habe ich ein normales Bedürfnis zu reinigen.

Christine Poppe: Guten Abend, eine Zwangsstörung liegt dann vor, wenn die Symptome länger als 2 Wochen anhalten und mehr als 1 Stunde Zeit pro Tag konsumieren, so dass die normale Alltagsbewältigung darunter leidet und der Betroffene emotionalen Stress entwickelt. Ein weiteres Kriterium ist, dass die Flexibilität, sich auch anders zu verhalten verloren geht. Bei manchen Betroffenen ist es so, dass sie in stressreichen Zeiten mehr Symptome haben als sonst, dann möglicherweise sich sogar nicht eingeschränkt fühlen.

Mein Sohn – 20 Jahre – hat Zwänge. Er ist in Behandlung bei einem Psychologen. Mit uns (Familie) will er aber nicht über das Ganze reden. Lassen wir ihn oder sollen wir nachfragen? Wie können wir ihm helfen oder unterstützen? Setzen wir ihn den Situationen welche die Zwänge auslösen aus oder nicht? Besten Dank für Ihre Rückmeldung

Angela Häne: Guten Abend. Wenn der Sohn noch bei Ihnen wohnt, lohnt es sich, sich mit dem Störungsbild auseinanderzusetzen. Ich empfehle häufig das Buch « Der Zwang in meiner Nähe» von M. Rufer und S. Fricke. Um die Frage beantworten zu können, ob und vorallem ab wann Sie ihn den auslösenden Situationen aussetzen sollen ist eine Absprache mit dem behandelnden Psychologen nötig. Einfach so ist das nicht zu empfehlen, da Sie noch keine Anhaltspunkte haben, wo Ihr Sohn steht in der Behandlung. Ich rate daher, mit ihm das Gespräch zu suchen und ihn zu motivieren, Sie für ein Angehörigengespräch in die Behandlung beim Psychologen miteinzubeziehen.

Hallo zusammen Ist Hypnose eim geeignetes Mittel gegen Zwangsstörungen? Gibt es Spezialisten, die ihr empfehlen könnt?

Christine Poppe: Guten Abend, Hypnotherapeutische Ansätze können die Behandlung von zwängen unterstützen. Adressen von Therapeuten finden Sie unter www.hypnose.ch

Was ist die beste Therapie-art? Wie lange dauert bis man davon weg kommt?

Angela Häne: Die kognitive Verhaltenstherapie und deren Weiterentwicklungen insb. die Acceptance und Comitment Therapie (ACT) gilt erwiesener Massen als erfolgreichste Therapie bei Zwangsstörungen. Die Dauer einer solchen Behandlung ist abhängig davon, wie lange die Zwangssymptome bei Betroffenen bereits besteht und wie sehr sich die Person aktiv «einlässt» auf die Behandlung. Je nachdem kann eine medikamentöse Begleittherapie zu einer schnelleren Reduktion der Zwänge führen.

Unsere Tochter (39Jahre alt) entwickelte vor 2 Jahren eine starke Zwangstörung. Sie mied alles was mit dem Boden in Kontakt gekommen war und musste somit alles putzen. Sie war zweimal in einer Klinik. Die Krankheit ist noch vorhanden aber nicht mehr vergleichbar mit früher. Sie hat in diesen 2 Jahren sehr stark an Gewicht zugenommen. Sie kann jetzt das Medikament Pantogar absetzen und Aripiprazol-Mepha 5mg im Juli 2023. Hat sie wohl wegen den Medikamenten zugenommen und besteht die Hoffnung, dass sie das Gewicht nach der Absetzung der Medis wieder verlieren kann?

Christine Poppe: Die Gewichtszunahme Ihrer Tochter im Rahmen der Zwangsstörung kann verschiedene Ursachen haben. Medikamente können ein Faktor sein. Vielfach bewegen sich psychisch eingeschränkte Personen weniger, verbrauchen dadurch weniger Kalorien, essen möglicherweise auch bei Stimmungstiefs mehr als sonst. Wenn es Ihrer Tochter besser geht, sie die Medikamente absetzen und wieder aktiver wird, vielleicht auch die Diät anpasst, hat sie gute Chancen an Gewicht abzunehmen

Guten Tag, ich habe Zwangsgedanken in dem Bereich Religion. D.h. negative «schlechte» Gedanken Gott dem Heiligen Geist gegenüber, und fühle mich dadurch schuldig. Es lösst grossen Stress aus. Haben sie Tipps? Bin deswegen in einem Coaching und melde mich zur Selbsthilfe.

Christine Poppe: Guten Abend Religiöse Zwangsgedanken betreffen häufig Menschen, denen die Religion sehr wichtig ist. Um so mehr fühlen Sie sich dadurch betroffen. Diese Gedanken haben überhaupt nichts mit Ihren religiösen Überzeugungen zu tun und bedeuten auch nicht, dass Sie sich irgendwie schuldig machen würden. Mein Tipp: Nehmen Sie Kontakt mit einem in der Behandlung von Zwängen spezialisierten Therapeuten auf. Diese kann mit Ihnen Strategien im Umgang mit den Zwängen erarbeiten

Ein fröhliches, unkompliziertes Kind entwickelt plötzlich eine Zwangsstörung. Was kann ein Auslöser sein? Natürlich orten die Eltern das Problem in der Schule, bzw. bei der Lehrperson, obwohl das Kind gern zur Schule geht und die Lehrperson mag. Nur die Klassenzusammensetzung hat sich verändert. Reicht das als Auslöser aus?

Juliane Ball: Es gibt ganz verschiedene Auslöser, die auch nicht immer für ausstehende Personen verstehbar oder erkennbar sind. Veränderungen und damit verbundener Stress kann durchaus eine Rolle spielen, aber meistens ist das nicht der einzige Faktor.

Hallo liebe alle Bei unserem Sohn (11Jahre) gehen die Zwänge mit lautieren und/oder körperlichen Zuckungen einher. Momentan hat er die neue Tendenz zum häufigen Händewaschen. Wäre es angebracht und sinnvoll psychologisch und/oder auch in Kombination mit Kinesiologie in die Hilfestellung zu gehen (evtl. auch Familentherapeutisch?) damit sich selbiges nicht manifestiert bzw. noch mehr steigert. Das Thema (s)einer Unsicherheit (....stetige Fragestellung ob dies oder jenes tödlich ist und was ist wenn.....betreffend Alltagslapalien) begleitet ihn nun schon ca. 2Jahren (ist aber auch immer wieder mal gänzlich verschwunden) Danke fürs «zulesen» Wir sind schon ganz gespannt auf den TV Input heute Abend! Sonnige Grüsse vom Bodensee

Juliane Ball: Guten Abend, bei den lautierenden und / oder körperlichen Zuckungen kann es sich um sogenannte Tics handeln. Das sind unwillkürliche Lautäusserungen oder körperliche Bewegungen. Tics treten gehäuft mit Zwängen auf, sind aber im Gegensatz zu Zwängen nicht mit Ängsten oder Ekel verbunden. Das Händewaschen ist eher ein klarer Zwang. Ich würde sich dazu anraten, eine psychologische Psychotherapie aufzusuchen und die Familie aktiv einzubeziehen. Während Zwänge selten von allein verschwinden, zeichnen sich Tics durch ein Kommen und Gehen aus.

Guten Tag, Ich habe panische Angst v. meinen Nachbaren. Zwar es gibt Vorgeschichte und einfach so versteckte Machtspielchen. Ich fühle mich echt krank weil ich ständig Gefühl habe, dass meine Wäsche in Waschküche geschädigt werden können oder bei lange Abwesenheit etwas schlimmes passieren könnte. Wie kann ich mich beruhigen. Besten Dank und freundliche Grüsse

Christine Poppe: Guten Abend. Wenn die Ängste Sie so sehr beeinträchtigen, rate ich Ihnen über den Hausarzt, Kontakt zu einem Psychiater oder Psychologen aufzunehmen, um diese besser zu verstehen und geeignete Strategien zu entwickeln

Liebe Fachpersonen, meine Lebenspartnerin leidet seit dem Tod ihrer Mutter vor ein paar Jahren an psychischen Problemen, darunter auch Zwangsstörungen. Zuvor hatte sie keine Symptome aufgewiesen. Seit dem Vorfall kontrolliert sie mind. zweimal täglich, ob die Tür abgeschlossen, der Herd aus, der Schrank zu und der Ofen wirklich leer ist. Viel schwerwiegender für sie sind jedoch schlimme Gedanken, die sich ihr aufdrängen, obwohl sie diese aktiv zu unterdrücken versucht. So drängt sich ihr zum Beispiel der Gedanke auf, mir, einer Arbeitskollegin oder sich selbst Schaden zuzufügen, die Beziehung einfach so per sofort zu beenden oder auch, dass jemand aus ihrem Bekanntenkreis schwer erkrankt. Gegen all dies wehrt sie sich innerlich, aber die Gedanken kommen dennoch immer wieder. Bisher war sie einmal in einer psychologischen Abklärung und wurde beraten, allerdings hatte ihr dies nicht geholfen, da sie sich während des Gespräch missverstanden fühlte. Wie kann ich meiner Lebenspartnerin am besten zur Seite stehen?

Lorena Eisenegger: Einschneidende Lebensereignisse können auslösend für eine Zwangsstörung sein. Diese schlimmen Gedanken Ihrer Lebenspartnerin klingen nach Zwangsgedanken. Es ist charakteristisch für Zwangsgedanken, dass Betroffene diese soweit möglich zu unterdrücken versuchen, sie sich aber eben immer wieder aufdrängen. Ich rate Ihrer Partnerin zu einer Psychotherapie bei jemandem, der sich mit Zwängen auskennt. Manchmal braucht es auch mehrere Anläufe, eine geeignete Therapeut*in zu finden, mit der/dem man sich wohl fühlt. Als Angehöriger kann ich Ihnen das Buch «Der Zwang in meiner Nähe» von Michael Rufer und Susanne Fricke empfehlen, oder auch die Website www.zwaenge.ch , dort finden Sie Informationen dazu, die Krankheit besser zu verstehen.

Ich habe mich bereits bei meinem Dermatologen und auch Psychologen nach Anlaufstellen zum Thema 'Skin Picking' erkundigt – beiden waren leider keine solchen bekannt. Wo kann man hierfür in der Schweiz Hilfe finden? (ambulante Therapie, Begleitung, ...)

Juliane Ball: Es gibt in Zürich eine Selbsthilfegruppe zum Thema Skin Picking / Trichotillomanie / Onychophagie, am Selbsthilfecenter in der Jupiterstrasse 42. Therapeuten kann man gut auf der Suchseite der www.sgvt-sstcc.ch finden. Das sind Verhaltenstherapeuten, die sich mit der Thematik gut auskennen sollten. Ansonsten wäre auch die Schweizer Zwangsgesellschaft ein guter Ansprechpartner für Therapeutensuche.

Guten Tag Ich bin schon lange Zeit auf der Suche nach einer geeigneten ambulanten Psychotherapie bei einer chronischen Zwangsstörung. Leider vergeblich. Die meisten Psychotherapeuten/Psychiater kennen sich leider damit gar nicht oder nur wenig aus. Könnten Sie mir bitte mit Adressen weiterhelfen? Vielen Dank zum Voraus.

Christine Poppe: Guten Abend, Es ist oftmals nicht einfach, einen erfahrenen Therapeut:in zu finden. Die Schweizerische Gesellschaft für Zwangsstörungen führt eine Therapeutenliste, welche Sie unter www.zwaenge.ch abrufen können.

Puls, 12.06.2023, 21:05 Uhr ; 

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