Gleitschirmfliegen im Blut
Bereits mit neun Jahren fliegt Christian Maurer, genannt Chrigel, zum ersten Mal einen Gleitschirm. Die Begeisterung dafür lernt er von seinem Vater Gilgian, Mutter Monika näht ihm den ersten Schirm. Dieser reicht zwar nicht zum Fliegen, aber allemal, um ein Gefühl für den Wind zu kriegen.
-
Bild 1 von 2. Mutter Monika näht Chrigel Maurer seinen ersten Schirm. Bildquelle: SRF/ZVG.
-
Bild 2 von 2. Damit übt er tagelang das Spiel mit dem Wind. Bildquelle: SRF/ZVG.
Der gefragte Mann
Jahre später hat Maurer seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Er lebt vom Gleitschirmsport – als Referent, Werbeträger oder mit Flugshows, zum Beispiel am Skiweltcup in Adelboden.
Er ist mein lebendes Handbuch für den Gleitschirmsport.
Dort ist Präzision und blindes Vertrauen gefragt. Denn der «Adler von Adelboden» oder «Chrigel the Eagle», wie Maurer auch genannt wird, fliegt gemeinsam mit seinem Bruder Michael waghalsige Manöver. Dabei kommentiert Chrigel das Geschehen für das Publikum, Michael gibt die Kommandos.
Gipfel sammeln wie Panini-Bildli
Auch im Privaten steckt sich Maurer immer neue Ziele – oft zusammen mit seiner Lebenspartnerin Yvonne Appenzeller. Aktuell besteigen sie Gipfel passend zum Altersjahr: mit 35 Jahren also 3500 Meter hohe Berge, mit 41 Jahren 4100 Meter hohe. Das heisst, mit 80 Jahren auf den Everest? «Wir hören mit dem Mont Blanc auf», lacht Yvonne.
«Everesting» als Vorbereitung
Apropos Everest: Beim sogenannten «Everesting» ist das Ziel, 8848 Höhenmeter in möglichst kurzer Zeit zu absolvieren – mit Hochlaufen und Runterfliegen. So trainiert Maurer beispielsweise für die «X-Alps», das härteste Hike & Fly-Rennen der Welt.
Andere freuen sich, wenn sie an den Strand kommen. Für mich ist das nichts.
Die Route führt von Kitzbühel über Deutschland, die Schweiz, Frankreich und Italien wieder zurück nach Österreich. 1223 Kilometer, ausschliesslich mit dem Gleitschirm und zu Fuss.
Maurer hat die «X-Alps» schon sieben Mal gewonnen und strebt 2023 seinen achten Sieg in Serie an. Den Druck als Titelverteidiger spürt – und braucht – er. «Druck ist wichtig für mich. Andere freuen sich, wenn sie an den Strand kommen. Für mich ist das nichts.»
Hühnerhautmoment in der Heimat
Besonders die Anfangsphase der «X-Alps» 2023 ist eine knappe Kiste. Kurz vor dem Stopp in Frutigen entscheidet sich Maurer, einen «Nightpass» einzusetzen. Eine Ausnahmeregelung, die es ihm erlaubt, die Ruhezeit von sieben Stunden zu ignorieren. An diesem Tag besteigt er 4300 Höhenmeter, um am nächsten Tag als Leader in Frutigen zu landen.
Die Taktik geht auf. In der Heimat warten Familie, Freunde und Fans auf den Spitzensportler. Es sei einer der emotionalsten Momente seiner Karriere, sagt Maurer gerührt.
Ein Team, das unter die Flügel greift
Neben der Unterstützung von Familie, Freunden und Fans hat Maurer ein Support-Team im Rücken. Routenplanung, Taktik, Übernachtungsmöglichkeiten, Wetter und Wind, Verpflegung, Social Media – das Team begleitet Maurer während der «X-Alps» eng.
Clevere Taktik und intuitives Fliegen führen dazu, dass Maurer an den letzten Tagen des Rennens nicht mehr einzuholen ist. Er gewinnt 2023 zum achten Mal in Serie die «X-Alps» in neuer Rekordzeit von 6 Tagen und 6 Stunden.
Drei Generationen in der Luft
Inzwischen üben auch seine zwei Söhne das Gleitschirmfliegen. Ist Angst dabei ein Thema? Maurer bejaht. Er könne die Sorgen seiner Mutter heute, wo seine eigenen Kinder fliegen wollen, besser nachvollziehen. Mutter Monika relativiert: «Das Schönste ist, dass sie etwas machen können, an dem sie Freude haben.»